Donnerstag, 6. Januar 2011

Schwarzes Pferd I - Kapitel 1.5


Am nächsten Morgen erwachte Robin mit dem frohen Bewusstsein, dass die Tage, bis endlich der so lange erhoffte Aufbruch kommen würde, gezählt waren. Er war immer noch ärgerlich über diesen Mann namens Kurt, der in so in die Enge getrieben hatte. Aber nicht zu sehr, weil er verstand, dass dieser sich der Sache hatte sicher sein wollen und weil er auch nicht vor sich abstreiten konnte, dass der unangenehmste Teil daran, auf sein eigenes Konto zu rechnen war. An diesem Vormittag begann Béarisean, ihm möglichst viel von dem mitzuteilen, was er brauchen würde, um in Abhaileon zurecht zu kommen.

„Langsam“, unterbrach Robin nach einer Weile. „Lass mich das mal soweit wiederholen: Arda- so nennt ihr die Welt hier. Die Erde.“
„Nein“, schüttelte Béarisean den Kopf. „Das hört sich nur ähnlich an wie Erde. Arda ist da Ganze hier mit allen Sternensystemen.“
„Und Abhaileon ist so eine Art Anderswelt. Wie die von der die Iren Sagen haben. Überhaupt sind einige von diesen keltischen Geschichten tatsächlich Erinnerungen daran, dass es zwischen unseren zwei Welten Verbindungswege gibt. Darum haben wir irgendwo in grauer Vorzeit gemeinsame Vorfahren. “ Sein Gast nickte dieses Mal. „Und Breannain oder Brendan ist der irische Mönch, von dem wir hier wissen, der behauptet, in dieser Anderswelt gewesen zu sein, vor vielen hundert Jahren.“ Wieder bestätigte Béarisean die Aussage. „Aber Abhaileon ist anders, als das in seiner Reise in die Anderswelt beschrieben wird. Es ist ein bisschen wie unser Mittelalter, aber in vielem auch nicht. Die Regierungsform ist zum Beispiel eine Art konstitutionelle Monarchie, was es bei uns erst seit der Neuzeit gibt. Das Staatsoberhaupt ist eigentlich der Regent. Aber um als Regent anerkannt zu werden, braucht es einen bestimmten Siegelring, und der ist seit Jahrhunderten verschwunden. Darum regiert der Rat, den es schon so lange wie den Regenten gibt, derzeit allein, und gewählter Vorsitzender des Rates ist dein Tutor Estohar. – Zwischenfrage: Was in aller Welt ist so besonders an diesem Siegelring, dass es keinen Regenten geben kann, außer er würde wieder auftauchen? Ach ja, und ist nicht inzwischen der Ratsvorsitzende so gut wie der Regent geworden?“

Das Gesicht seines Gastes verdüsterte sich etwas. „Da kommen wir auf das Hauptproblem zu sprechen. Es gibt Parteiungen, die fordern, sich nach etwa dreihundert Jahren endlich den Gegebenheiten anzupassen und die abhaileonische Regierungsform zu ändern. Was wohl in erster Linie hieße, dem gewählten Ratspräsidenten die Machtbefugnisse des Regenten auf Zeit zu übertragen. Denn die Fürsten der Provinzen sind nicht bereit, einfach jemanden zu akzeptieren, der auf Dauer die Befugnisse des Regenten hätte. Diesem wären sie nämlich zur Treue verpflichtet und müssten sich weitgehend an dessen Anordnungen halten.
Die jetzige Rolle Estohars ist eher repräsentativ. Er wird nicht völlig ignoriert, muss aber taktieren, um Mehrheiten für Beschlüsse zu erhalten.“

„Die Forderung nach einer Änderung klingt unter den Umständen nicht unvernünftig“, bemerkte Robin. „Wo also liegt das Problem?“
„Das Problem liegt bei Alandas“, erklärte Béarisean. „Der Fürst von Alandas ist der, der vor dem König für Abhaileon verantwortlich ist. Er delegiert diese Aufgabe an den Regenten, der ihm gegenüber rechenschaftspflichtig ist. Er gibt ihm den schon erwähnten Siegelring.“
„Ich sehe noch immer kein Problem“, meinte Robin. „Gut. Der Siegelring ist verschwunden. Warum wird der Regent nicht auf andere Weise ernannt? Oder wieso lasst ihr dann nicht einfach diesen Fürsten, der anscheinend das Erbrecht auf die Regierung hat, diese ausüben?“
„Wie ich schon sagte“, entgegnete Béarisean, dem man ansah, dass ihm die ganze Situation zunehmend unangenehm war, „das Problem liegt bei Alandas. Du scheinst zu denken, es sei eine der abhaileonischen Provinzen. Aber das ist es nicht. Alandas liegt hinter den Nordbergen und derzeit ist keiner der altbekannten Pässe und Zugänge dorthin passierbar. Nein, lass mich ausreden“, hinderte er seinen Gastgeber an einer weiteren Frage. „Alandas ist nicht Teil der Welt Abhaileon und daher auch nur durch entsprechende „Tore“, Zugänge, erreichbar, so wie Arda. Aber Alandas ist auch völlig anders als Arda. Dort wohnen nur Boten des Königs – ihr würdet wohl Engel sagen.“

Béarisean schien auf Robins Reaktion zu warten, bevor er mit seiner Erläuterung fortfahren würde. Robin runzelte die Stirn und wollte nach kurzem Überlegen wissen:. „Wenn das Engel sind, warum können dann sie nicht die Grenze überschreiten?“
Béarisean schien über die Frage geradezu erleichtert. Was hatte er denn befürchtet? „Sie können sicherlich“, sagte er. „Aber nach allem, was wir wissen, werden sie nicht, weil es gegen die Regeln ist.“
„Und die Regeln sind?“ versuchte Robin ihm zum Weiterreden zu bringen.
„Der Fürst von Alandas und der Schwarze Fürst und alle, die zu ihnen gehören, können nur nach Abhaileon, wenn sie dazu eingeladen werden. Wir befürchten, dass jemand das in Bezug auf den letztgenannten getan hat oder bald tun wird.  Es ist schon früher geschehen. Das letzte Mal um die Zeit Colins des Großen.Die Festungen Carraig, an der Nordgrenze Dalinies, und Cardolan, in der Ostheide, die er damals besaß, wurden geschleift und es soll keine Spur mehr von ihnen zu sehen sein.“ Er seufzte. „Die Ostheide ist eine verlassene Gegend, aber sie ist kein solches Hindernis wie die Nordberge. Wenn jemand dort mit ihm Kontakt aufnimmt …“

„Jenseits der Ostheide liegt also auch eine andere Welt, sagst du?“
Béarisean nickte. „Und bevor du weiterfragst. Die Westgrenze, der Ozean,  ist die mit Arda, und keiner – wirklich niemand weiß, ob oder was jenseits der Südwüste ist. Falls sie in Imreach Sagen darüber haben sollten, kenne ich sie nicht.“
„Ähm“, Robin musterte seinen Gast vorsichtig. „Nordberge. Ostheide. Südwüste. Das klingt irgendwie, na ja, jedenfalls nicht sehr einfallsreich. Hat schon einmal jemand versucht, sie zu durchqueren und zu sehen, was am anderen Ende ist?“
Béarisean meinte lakonisch: „Die Abhaileoner unterscheiden sich in den meisten Dingen kaum von den Ardanern. Natürlich haben sich schon welche in den Grenzgegenden verirrt. Manche haben den Weg schließlich zurückgefunden, andere nicht. Wo auch immer sie es probierten, sie streiften nur durch öde Gegenden. Es ist nicht so, als ob Abhaileon an irgendeiner Stelle in eine andere Welt übergeht. Es gibt nur die Tore, an denen das möglich ist. Wer die nicht findet, bleibt in den Randbereichen Abhaileons.

„Und woran erkennt man diese Tore?“ wollte Robin wissen. „Wie sehen sie bei euch aus und wie könnte man hier eines erkennen?“
„Man erkennt sie gar nicht“, sagte Béarisean. „Jedenfalls nicht die nach Arda. Es heißt zwar, sie seien meist von Dunst oder Nebel umgeben. Aber oft sind man wirklich nichts. Da ist die Landschaft, die sich in nichts von der Umgebung unterscheidet, und wer nicht weiß, wo die Nahtstelle zwischen den Welten ist, kann einen Schritt entfernt an ihr vorbeigehen, ohne es je zu bemerken. Mit den Übergängen nach Alandas war es anders. Aber die sind aus verschiedenen Gründen nicht mehr aufzufinden. Bei Geata Tir hat es Erdrütsche gegeben. Gleann Fhírinne (Aussprache: Glann Irinne) ist unpassierbar und so geht es weiter.“
„Und wie bist du hierher gekommen, nach – Arda?“
„Estohar kennt eines der Tore. Damals war es noch sicher, es zu durchqueren. Aber kurz nachdem ich das tat, ist die Verbindung mit Abhaileon weitgehend zusammengebrochen. Kurt sagt, der Feind überwache es. Darum können wir dort nicht durch. – Die einzige uns bisher bekannte Alternative muss hier sein.“

„Und diesen Zugang kennt der Feind nicht?“
Béarisean zuckte mit den Schultern. „Es scheint so. Sonst hätte er wahrscheinlich unsere Begegnung verhindert oder wäre schon hier aufgetaucht. Allerdings …“
„Allerdings, konnte ich die genaue Stelle gestern auch nicht finden. Es muss in der Nähe dieser Brücke bei der Trauerweide sein. Glaub mir, ich habe gesucht. Die Aussicht, wenigstens für ein paar Minuten, wieder in Abhaileon zu sein … Ich würde sonst etwas dafür geben. Leider, war es nicht zu finden.“
„Vielleicht ist da kein Übergang.“
Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. „Der Übergang muss da sein. Wir sind uns begegnet. Also stimmte der Teil der Prophezeiung. Dann wird der andere auch zutreffen. Vielleicht findet Kurt noch mehr heraus.“
„Vielleicht kann ich den Übergang finden“, schlug Robin vor.
„Wir sollten das versuchen“, stimmte Béarisean zu. „Am besten noch heute. Aber wenn du keinen Erfolg hast, sollten wir danach fürs erste von dort weg bleiben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Feind auch davon wissen wird.“

*******
Festung Cardolan, an der östlichsten Grenze Abhaileons
“Die Karten!” verlangte Akan mit gleichgülter Stimme. Seine dunkelgrauen Augen waren hart und undurchdringlich. Niemand konnte ihm ansehen, dass er in Gedanken mehr bei dem Ereignis war, das auf Arda geschehen war als bei den Problemen auf Cardolan. Wie lange würde es dauern? Drei Wochen? Vier oder mehr, bis der Bote aus Carraig ihn in den Westen rief? Kaum genug Zeit, um hier auf Cardolan alles zu ordnen. Wie lange dann noch, bis er Arda erreichen konnte? Drei bis vier Wochen von der Ostheide bis nach Carraig. Wenigstens weitere vier bis in den Westen. Selbst wenn auf Arda die Zeit langsamer verstrich, wie viel mochte bis dahin geschehen sein. Hätte Barraid ihn nur auf Arda seine Arbeit tun lassen! – Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Hauptmann von Cardolan zu, der sich noch immer nicht zu einer Antwort entschlossen hatte. Der Gesichtsausdruck des anderen anwesenden Cardolaner Offiziers, Ingro, wies untrüglich darauf hin, dass es Schwierigkeiten gegeben hatte.

“Sie sind noch nicht fertig”, gab Hauptmann Urkha widerwillig zu.  “Wir sind es hier nicht gewohnt, unsere Zeit mit solchen ...”
“Ich gebe dir noch zwei Wochen”, schnitt Akan ihn ab. “Bis dahin wird alles vorliegen, wie ich es verlangt habe.” Urkha taugte nicht für den Posten hier. Aus für Akan unerfindlichen Gründen zog Barraid es vor, manche Positionen mit den grobschlächtigsten Leuten zu besetzen, nicht mit den geeignetsten. Dazu kam, dass Akan seine Autorität hier erst etablieren musste. Unter Asrains Kommando war es zu Nachlässigkeiten gekommen. Manche begriffen es schnell, dass es klüger war, Akans Befehl zuverlässig nachzukommen. Manche, solche wie Urkha, mussten erst lernen, dass exakte Arbeit kein Indiz für einen Mangel an Stärke war.

Urkha zögerte kurz. Lord Akan stand, soweit er wusste, an Rang unter Fíanael und Asrain, die nun nacheinander den Befehl auf Cardolan geführt hatten. Der Neue wirkte viel unscheinbarer als jene beiden, aber ein Instinkt warnte ihn, dass sein neuester Kommandant gefährlicher war, als man es ihm anmerkte. Urkha hasste Pedanten wie diesen Akan. Die unnötige Arbeit, die sie verursachten. Eine vollständige Kartographie des Geländes im Umkreis von hundert Meilen! Lord Asrain hätte darüber gelacht. Lord Fíanael, nun Fíanael war unberechenbar in solchen Dingen, aber seit Asrain in Abhaileon war, zählte er ohnehin weniger. Nur, Asrain war auf Carraig mit dem Fürsten selbst, und deswegen hatte er diesen Akan vor der Nase.

Ingro, Urkhas Stellvertreter, sagte beflissen: “Ich kenne die Ostheide ausgezeichnet. Wir können es leicht vervollständigen in dieser Zeit.” Er beobachtete Urkha aus den Augenwinkeln, aber seine Aufmerksamkeit galt dem unnahbaren Lord. Ingro erkannte Macht, wenn er sie sah. Er hatte nicht vor, auf ewig in Cardolan festzusitzen. Wenn es ihm gelang, diesem neuen Kommandanten in wünschenswerter Weise aufzufallen, eröffnete es vielleicht Möglichkeiten.
Urkha warf seinem Untergebenen einen finsteren Blick zu. Dem hatte jemand wie Akan gerade noch gefehlt. – Er fühlte den Blick des Lords auf sich ruhen und wie stets in solchen Augenblicken lief ihm ein Schauder über den Rücken. Akan sprach nicht viel. Er tobte nie wie die anderen Lords. Nie. Er schien dennoch so tödlich wie eine Kobra. “Wie Ihr befehlt!” sagte Urkha mit einer leichten Verbeugung und einem finsteren Blick auf Ingros weißblonden Hinterkopf.
(Ende des 1. Kapitels)

Sonntag, 2. Januar 2011

Schwarzes Pferd I - Kapitel 1.4


Robin ließ sich Zeit, um die Fassung wieder zu gewinnen. Aus Erfahrung wusst er, dass ein solcher  Schock dem nach einer Verletzung nicht unähnlich war. Wer zu früh aufstand, riskierte es, dass der Kreislauf zusammenbrach. Er spürte den Schmerz noch nicht, der später kommen würde. Er konnte auch nicht einordnen, was die Tragweite dieser seltsamen Begegnung sein würde. Aber er wusste, dass das taube Gefühl in ihm nur wie eine Deckplatte über den aufgewühlten Emotionen war. Jemand hatte ihm die Erfüllung seiner Träume angeboten. Das, auf das er im Grunde sein Leben aufgebaut hatte, und er hatte es ausgeschlagen. Weil sein Leben noch auf einem anderen Grund aufbaute. Er hatte geglaubt, beide vereinbaren zu können, und nun war das Erdbeben gekommen und hatte sein Gebäude in Trümmer gelegt.
Lange saß er da und versuchte, seine Gedanken zu ordnen, ohne zu einem Ergebnis kommen zu können. Es war schon lange dunkel geworden, als ihn die Türklingel aufschreckte.

Er erwartete, den Fremden, der sich Kurt nannte, wiederzusehen, doch vor der Tür stand der andere, Béarisean.
„Ich werde meine Entscheidung nicht ändern“, sagte Robin ruhig.
Der andere blickte ihn leicht verwundert an. „Das ist erfreulich. So wie ich Kurt kenne, würde ich ihn nämlich nicht mehr finden können.“
Robin stutzte mit einem Blick auf die Satteltaschen, die der andere auf dem Boden abgestellt hatte. „Du hast ihn nicht mehr getroffen? Du bist gar nicht fort geritten?“
„Doch. Natürlich. Ich musste das Pferd wegbringen. - Er sagte, du seist es. Darum bin ich hier.“ Jetzt zögerte auch er. „Du wusstest nicht, dass ich kommen würde?“
Robin schüttelte den Kopf.
„Darf ich trotzdem eintreten?“
Robin zögerte. „Nur unter einer Bedingung: Versuche nicht, mich zu etwas zu bewegen, das ich als Verrat betrachte.“
Béarisean betrachtete ihn nun sichtlich verwirrt. „Ich weiß kein Wort von dem, über das ihr gesprochen habt. Kurt bestätigte nur, dass du der Gesuchte bist.“
„Und warum bist du dann hier, wenn nicht, um mir zuzureden?“ Es war kalt draußen, Robin gab den Weg in seine Wohnung frei.
„Ich bin hier, weil wir den Weg nach Abhaileon  finden müssen. Zusammen. Kurts Auftrag war erfüllt, sobald du gefunden warst. – Wieviel hat er dir gesagt über alles Weitere?“
„Nichts“, sagte Robin. „Er wollte, dass ich nach Abhaileon gehe. Aber ich habe andere Verpflichtungen.“

„Was auch immer es ist“, sagte Béarisean. „Ich werde mich mit dir um diese Verpflichtungen kümmern. Du musst nach Abhaileon gehen. Du bist ein Ritter des Königs.“
Robin fasste ihn an der Schulter und drehte ihn in Richtung des Bildes, das schon Kurt früher am Tag eingehender betrachtet hatte. „Das ist mein König.“
Béarisean nickte. „Ich weiß. Arda ist eine seltsame Welt. Ihr habt sein Bild, und doch kennen ihn weniger Menschen als bei uns in Abhaileon. “ Er verbeugte sich vor der Darstellung. „Ehre seinem Namen“, sagte er ernst.

Robin starrte ihn eine Weile ungläubig an und versuchte, diese Aussagen einzuordnen. „Wer ist dieser Kurt?“ verlangte er dann zu wissen.
Béarisean breitete ein wenig resigniert die Arme aus. „Ein Ardaner wie du, soweit ich weiß. Vielleicht auch nicht. Wer er tatsächlich ist, hat er mir nie verraten. Estohar vertraute ihm. Darum habe ich ihm vertraut, und ich glaube, er hat mich gut beraten. Und immerhin hat er mir geholfen, dich zu finden.“
„Estohar? Egal. Wir können das ein andermal klären. - Und dieser Kurt sagte, ich sei ein Ritter des Königs?“
„Höchstwahrscheinlich, meinte er, und dass du vermutlich sogar deiner Aufgabe gewachsen wärst.“

Robin ließ ging zu einem Sessel und ließ sich hineinfallen. „Dann war das, was er zu mir sagte, wohl eine Prüfung“,stellte er fest. „Was ist wirklich mit dem schwarzen Pferd?“
Béarisean folgte Robins  Beispiel und setzte sich, wenn auch zögernder. „Welches schwarze Pferd?“ erkundigte er sich.
„Das aus Breannains Prophezeiung. Die in der ein Rubinschwert vorkommt.“
Béarisean setzte sich sofort wieder gerader auf. „Du weißt mehr als ich. Was noch? Ich kenne nur den Teil, der sich auf mich bezieht und der sagt, dass ich nach Arda muss, um dich zu finden und dass der Feind durch dich fallen wird. Kennst du den Weg, den wir nehmen müssen?“
„Ich kenne gar nichts“, sagte Robin müde. „Dein Begleiter erwähnte nur das Pferd und das Schwert und wollte offensichtlich herausfinden, wie ernst ich es damit meine, dem König zu dienen. Nun, das dürfte er jetzt wissen. Und du?“
„Ich bin fürs erste ein heimat- und unterkunftsloser Flüchtling aus Abhaileon – und, auch wenn es bisher nicht danach aussieht, ebenfalls ein Ritter des Königs.“ Béarisean Stimme zeigte eine Spur von Erbitterung. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es für Colin, Elianna und Mharig derart schwierig war. Sie taten einfach, was zu tun war, weil niemand damit rechnete, dass sie überhaupt kommen würden. –Breannain hat uns – bei allem Respekt – einen Bärendienst erwiesen mit seinen Prophezeiungen.“
Robin beschloss endgültig, an diesem Abend nicht mehr zu fragen, wer sich hinter all den fremden Namen verbarg. Er war einfach zu erschöpft. „Sieht so aus, als komme ich doch noch von hier weg, und Abhaileon - das ist doch eine andere Welt?“
„Das ist es“, bestätigte Béarisean mit Nachdruck.
„Gut. Das reicht mir für heute. Ich zeige dir das Gästezimmer. Dann reden wir morgen weiter.“ Er stand auf und lächelte zum ersten Mal. „Willkommen, Ritter. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie lange ich auf deine Ankunft gewartet habe. Ich wollte schon immer fort von hier.“
Er hielt Béarisean die Hand hin und dieser schlug ein. „Glaub mir, das kannst du dir gar nicht so wünschen wie ich. Auf gute Zusammenarbeit!“

*******
Festung Carraig,weit  im Osten Abhaileons
“Es geschieht früher, als ich erwartet hatte”, dachte Barraid. Sein Blick drang ohne Mühe durch das Dunkel, das sich um die Festung Carraig breitete. Ein Dunkel, das von der sternenhellen Nacht, die auf die Nordberge Abhaileons herabstrahlte, nicht beeinträchtigt wurde.
Der Gegner musste schließlich doch zur Kenntnis genommen haben, dass die Macht aus Winian schon lange aktiv geworden war und schickte endlich auch seine Leute auf das Spielfeld. Der Fürst lächelte. Das halbe Spiel war dieses Mal schon gespielt und alle anderen Züge vorbereitet.
Jetzt waren sich also die beiden Ritter begegnet. Ein Treffen, das das bestehende Gefüge von Zeit und Geschichte erschüttert hatte. Aber sie waren noch nicht in Abhaileon. Und auch wenn er selbst sich jetzt nicht nach Arda begeben konnte, da die Festung weit im Osten Abhaileons lag im verlassenen Norden der Provinz Dalinie und die Tore nach Arda sich im Westen der Welt befanden, so war doch auch dort bereits alles vorbereitet.
Er wandte sich zur Tür. “Was willst du?” Er hatte Fíanaels Kommen schon lange gespürt, bevor die Schritte auf dem Gang zu hören gewesen waren.
Lord Fíanaels Augen sahen genauso gut im Finsteren wie die des Fürsten selbst. Er verbeugte sich tief: “Béarisean von Sliabh Eoghaí ist mit Anno von Arda zusammengetroffen”, meldete er. Er war nicht überrascht, dass es dem Fürsten keine Neuigkeit war. Dennoch war es sein Auftrag gewesen, diese Meldung zu machen,  sobald geschehen war, was sie zu verhindern gehofft hatten.
“Du weißt, was zu tun ist”, entgegnete der Fürst und winkte ihm zu gehen.  Es wäre besser gewesen, Akan bereits jetzt auf Arda zu haben. Aber daran war nun nichts zu ändern.

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bei der Festung Carraig
Dorban, Lord von Tairg, groß und breitschultrig starrte missmutig zurück auf die Festung Carraig, die sich schwarz und uneinnehmbar auf einem Ausläufer der Nordberge aus den Ebenen von Dalinie erhob. Der Missmut war zu seiner bevorzugten Stimmung geworden in den letzten Monaten.
Von hier unten und aus dieser Entfernung sah man nur den kleinsten Teil der Festungsanlagen. Wieder einmal fragte er sich, wie Barraid das alles in so kurzer Zeit und so unbemerkt von allen hatte errichten können. Nicht einmal Dorban war dessen gewahr geworden, bevor die Burg stand, und Tairg grenzte als einzige Lordschaft Dalinies unmittelbar an Carraig. Auch wenn die Gegend hier von den meisten Leuten gemieden wurde, es musste einiges an Materialtransporten erfordert haben. Die Regenschleier, die jetzt über die Ebene vor den Bergen stoben, passten gut zu Dorbans Stimmung.
“Du wolltest mir noch mitteilen, wohin wir reiten”, erinnerte Durlong, sein grauhaariger vierschrötiger Waffenmeister. “Sobald wir die Festung seiner Hoheit verlassen haben.” Er spuckte auf den Boden.
Dorban riss seinen Blick von Carraig los. “Nach Croinathír”, sagte er barsch. “Estohar plant angeblich etwas, um seine schwindende Machtposition zu stärken, und wir werden das durchkreuzen.”
“Mit vierzig Mann?” merkte Durlong skeptisch an. “Und das in der Hauptstadt?”
“Es ist ein eher diplomatisches Manöver.” Dorban blickte wieder zurück nach Carraig. Barraids Pläne waren manchmal kompliziert – soweit er überhaupt in sie eingeweiht wurde – aber bisher hatte sich die Zusammenarbeit gelohnt. „Und ich werde auf keinen Fall offiziell in Erscheinung treten.“
“Ein langer Ritt”, bemerkte Durlong. “Und man weiß nie, was er als nächstes vorhat.” Sein Tonfall war vollkommen neutral, aber Dorban musterte ihn argwöhnisch.
“Er ist sehr gefährlich”,  antwortete er schließlich. Durlong verstand die unausgesprochene Warnung und enthielt sich weiterer Bemerkungen.
Dorban riss mit einer heftigen Bewegung sein Pferd herum. Er war gereizt, und es war nicht Durlong, der die Ursache dafür war. Die andern folgten ihm in die dichten Wälder, ohne zu zögern. Nur Durlong warf noch einen letzten Blick auf die schwarze Festung, bevor auch er sein Pferd nach Westen gehen ließ. “Ich frage mich, Dorban, ob du dich ihm wirklich verkauft hast, wie einige meinen”, murmelte er. “Und ob du dabei wirklich ein gutes Geschäft machst.”