Montag, 25. Juli 2011

Kapitel 14.3


Lange Zeit dunkel. Ohne Denken und Fühlen. Ohne Wahrnehmung. Dann nach langer Zeit ein Rhythmus, ein Pochen, ein Schmerz, der das Dunkel wie Flammen durchzuckte. Übelkeit und wieder Dunkel. Rhythmus. Bewegung. Halt. Boden unter ihm. Brausen in den Ohren. Unmöglich die Augen zu öffnen. Doch dann wurden aus den scheinbar unartikulierten Lauten, die ihn umgaben, differenzierbare Wörter.
´Endlich´, sagte eine harte, nicht ganz fremde Stimme. ´Wo habt ihr euch herumgetrieben, ihr faulenzenden, nutzlosen Schufte? Wo sind die andern drei?´
´Sie sind verschwunden, Kommandant´, sagte jemand widerwillig. ´Das ging nicht mit rechten Dingen zu. Und es waren nur zwei.´
Der  Kommandant Genannte fluchte. ´Schlechte Ausrede, Ingro. Behauptest du nicht sonst immer, das Gelände zu kennen wie deine Manteltasche?´
´Wir waren ihnen stets dicht auf den Fersen´, verteidigte sich Ingro. ´Obwohl auch unsere Pferde nach den letzten Tagen erschöpft sind, holten wir sie am Idrimsee ein, als sie eines ihrer Pferde verloren. Sie flohen zu Fuß in den Wildtobel über dem See. Als wir sie zum letzten Mal sahen, waren sie keine zwanzig Meter mehr vor uns. Was mit dem ersten war, weiß ich nicht. Aber der hintere glitt aus. Ich sah ihn fallen.  Doch als ich die Stelle erreichte, war dort niemand.´
“Der Fluß, du Kröte! Sie werden in den Fluß gesprungen sein.”
“Ich habe Männer in den Fluß geschickt. Und an die Einmündung in den See. Und in den Tobel. Dort ist im Umkreis von Kilometern keine lebende Seele.”
“Du bist nur unfähig! Ich werde den Fürsten darauf hinweisen, Unterführer Ingro!”
“Ganz wie du willst. Er wird sicherlich auch wissen wollen, wie du vor zwei Tagen ihre Spur verloren hast, Kommandant.”
“Ich habe etwas, dass der Fürst will”, sagte der andere verächtlich. “Im Gegensatz zu dir, Ratte!”

Langsam kam Robins Erinnerung wieder. Es war nicht angenehm, aus der Bewußtlosigkeit zu erwachen. Der höllische Schmerz in seinem Kopf wurde immer schlimmer und die Übelkeit kam wieder. Vermutlich eine Gehirnerschütterung. Der Arm brannte wie Feuer. Da hatte wohl ein Schwert getroffen. Und auch sonst. Vielleicht war es gut, dass der Kopf so weh tat, dass er das andere gar nicht richtig wahrnehmen konnte. Er hoffte, dass er kein Geräusch machte. Sicher konnte er nicht sein. Dieses Brausen in den Ohren übertönte fast alles. Selbst diese zwei lauten Stimmen waren wie eine Radiosendung voller Rauschen. Aber, was er begriff, war gut. Béarisean und Dorban waren entkommen. Erleichterung durchflutete ihn. Dann glitt er zurück in das wohltätige Dunkel.
Ein plötzliches neues Aufflammen des Schmerzes katapultierte ihn in die Gegenwart zurück. Kommandant Urkha hatte befunden, daß es an der Zeit sei, den Gefangenen einer Befragung zu unterziehen. Die Wirkung des Schlages, der den Ritter im Kampf außer Gefecht gesetzt hatte, mußte nun seiner Berechnung nach allmählich nachlassen. Er hatte ihn selbst ausgeführt. Lange hatte er es vermieden, selbst einzugreifen, hatte zuerst versucht diesen seltsamen Zauber, der auf dem Ort lag, ganz niederzureißen.  Doch als der vierte seiner Leute fiel, war er selbst eingeschritten. Mit einem gezielten Tritt gegen den verletzten Arm half er jetzt dem Erwachen des Gefangenen nach. Robin stöhnte auf, und Urkha höhnte: ´Sieh an, der Herr Ritter geruhen wach zu werden. Der hohe Herr scheinen etwas wehleidig zu sein. Dürfte ich Euer Durchlaucht um den ehrwürdigen Namen bitten.´ Ein weiterer Tritt verlieh der Aufforderung Nachdruck.

Robin biß die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien und versuchte sich aufzurichten. Die Hände waren ihm auf den Rücken gefesselt und auch die Füße gebunden, wie er jetzt feststellte, doch es gelang ihm, sich wenigstens in sitzende Stellung zu erheben. Der Anstrengung folgte ein Schwindelanfall. Aber er konnte sich aufrecht halten. Er musterte den Kommandanten möglichst kühl und sagte: ´Ihr wisst nur zu wohl, wer ich bin. Brannte Euch mein Schwert nicht in den Händen? Mein Name selbst kann dem nichts hinzu fügen.´
Urkha lachte verächtlich. “Dein Schwert. Ja, ich weiß, wo dieses Schwert herkommt. Aber du, du bist nur Erde und Asche. Wer immer auch solch eine Waffe an dich verschwendete, wird es bald genug bereuen. – Dein Name!”
“Ich bin nur der Diener meines Herrn”, erklärte Robin. Das Lächeln kam von selbst mit der Erinnerung an Ríochan, der einst diese Worte von sich gesagt hatte.

Urkhas Augen funkelten auf. Sein wütender Tritt warf den Gefesselten wieder ganz zu Boden. Seine gereizte Stimme war sehr laut: “Wage es nicht noch einmal, dir solche Worte anzumaßen! Ich weiß, von wem du sie gehört hast. Doch du bist nicht unsergleichen. Ha, Sklave magst du sein. Wenn auch nur in Ermangelung von Besseren. Du Nichts!”
Es war sehr schwer, auch nur wieder in sitzende Stellung zu kommen, aber Robin war fest entschlossen, hier bis zum letzten Atemzug Ehre einzulegen. “Nicht für meine Ehre”, flüsterte er sich selbst Mut zu, als er sich hoch kämpfte. Die Balance war schwer, aber es gelang ihm zu stehen. “Ich bin ein Ritter des Königs”, sagte er und blickte Urkha gerade an. Er reichte diesem Riesen nicht einmal bis an die Schulter. “Darüber hinaus mag mein Name für Euch ‘Nichts’ sein.”

Urkhas Augen verengten sich. “Gut, dreckiges Nichts! Wer sind die beiden anderen? Und wo ist der vierte von Eurer Gruppe?”
“Ich weiß von keinem vierten”, sagte Robin. “Und über die anderen habe ich Euch nichts mitzuteilen.”
“Du wirst noch reden”, zischte Urkha. “Auf die Knie, Sklave, vor dem Herrn über Cardolan.”
“Nicht freiwillig”, erwiderte Robin sanft. “Wissend in wessen Namen ich hier stehe, solltet Ihr es sein, der niederkniet und wärt Ihr der Schwarze Fürst selbst.”
Urkha wurde immer mehr dunkle Drohung. “Sterben vor Angst würdest du, Wurm, würde ich mich dir wahrhaft zeigen!”
“Gebt mir mein Schwert zurück und dann zeigt Euch, wie Ihr wollt, wenn Ihr es wagt.”
Urkha brüllte auf. “Sehen sollst du mich. Doch dein Schwert ist verloren für dich.” Ein Windstoß fegte Robin zu Boden. Schwärze wirbelte auf, doch dann warf sich eine andere Gestalt dazwischen mit gezogenem Schwert. “Ihr vergesst Euch, Kommandant!” Die verächtliche Betonung auf der Anrede, rief Robin sofort das Gespräch ins Gedächtnis, dass er zuvor mitgehört hatte. Das musste jener Ingro sein.

“Du wagst es, das Schwert gegen mich zu ziehen!” schrie Urkha.
“Ihr seid dabei, Alandas Handhabe zu geben, in Abhaileon einzudringen!” schrie Ingro zurück.
“Sollen sie doch kommen. Ich fürchte sie nicht!” brüllte Urkha.
“Wie Ihr wünscht. Ihr würdet natürlich nicht dem expliziten Befehl des Fürsten zuwider handeln.”
Eine Weile herrschte daraufhin Stille. Selbst Urkha brauchte nicht lange, um sich die Konsequenzen vorzustellen, die es mit sich bringen würde, Barraids Pläne zum Scheitern zu bringen. Nach einer Weile fuhr Ingro fort: “Dieser ... Mensch da,  hat ganz gezielt versucht, Euch zu provozieren, weil er weiß, was die Folgen wären.”
“Denkst du, dass wüsste ich nicht”, fauchte Urkha. “Ich war nur dabei, ihm eine Lektion zu erteilen.”
“Der Fürst wollte ihn unversehrt”, sagte Ingro. “Mir scheint, er ist gerade schon lädiert genug dafür. – Nun, entschuldigt mich jetzt. Ich kam nur, um mich abzumelden. Die Wache, die ich bei Idrim zurückgelassen habe, muss verstärkt werden, wenn wir das Gelände noch einmal gründlich durchkämmen sollen.”
“Dann geh!” schrie ihn Urkha an. “Und komme nicht mit leeren Händen zurück!”

Ingro verbeugte sich knapp und ging zu seinem Pferd, das in der Nähe stand. Eine Gruppe Berittener wartete dort. “Dafür wirst du noch bezahlen”, murmelteUrkha, als sie davon ritten.
Er warf einen hasserfüllten Blick auf Robin, behelligte ihn aber fürs erste nicht weiter. “Echod”, rief er. “Sofort mit Botschaft nach Carraig! Dem Fürsten persönlich. Wir haben einen der gesuchten Ritter. Und Unterführer Ingro hat Dorban und die anderen durch seine Unfähigkeit entkommen lassen.”

Der zweitägige Ritt nach Cardolan war eine Tortur für Robin. Sein Zustand schwankte zwischen permanenter Übelkeit und willkommener Bewußtlosigkeit. Man hatte ihn auf ein Pferd gefesselt – es war nicht der Falbe, den hatte er nicht mehr gesehen – denn allein hätte er sich nicht im Sattel halten können. Man gab ihm gelegentlich Wasser. Auch Nahrung wurde ihm angeboten, aber er sah sich außerstande, irgendetwas hinunterzuwürgen. Er hätte nicht einmal zu sagen vermocht, wie lange sie eigentlich unterwegs waren. Sie bewegten sich nach Nordosten und es wurde wieder stetig kälter. Wenn er wach war, fror er erbärmlich.
So konstatierte er es mit einer gewissen Erleichterung, als aus den trostlosen und kahlen Weiten der Ostheide endlich die schwarzen Mauern einer großen Festung aufragten. Das war wohl Cardolan. Da drinnen würde es wohl wenigstens etwas wärmer sein. Und schließlich, viel schlimmer als dieser Ritt konnte es wohl kaum noch werden. Auch sein Kopf schien endlich wieder etwas klarer zu werden. Er konnte jetzt schon wieder zusammenhängender denken, ohne dass der Kopfschmerz zu schlimm wurde. Was nur wollte Barraid mit ihm? Immerhin schienen seine Anweisungen ihn vor dem Tod zu bewahren. Würden sie ihn zurück nach Carraig bringen lassen?

Es war etwas wärmer im Kerker der Burg, um die positiven Seiten aufzuzählen. Das lag daran, dass dort kein Wind wehte. Und es war nicht so dunkel wie damals auf Carraig. Das einzige Fenster der Zelle, die dunkel und feucht war, befand sich hoch oben in der Wand. Zugig war es dennoch. Seinen Mantel hatten sie ihm gelassen. Das reichte aus, um nicht zu erfrieren. Aber warm sollte es ihm damit nicht mehr werden, wie es schien. Das Essen wärmte auch nicht. Nur Wasser und etwas Brot, manchmal etwas Fettiges. Viel Möglichkeiten, sich zu bewegen hatte er ebenfalls nicht. Sein Kopf vertrug zwar allmählich wieder Erschütterungen, aber die Ketten, die ihn an die Wand fesselten, verhinderten das meiste. Auch mit dem Hinlegen sah es ungünstig aus, er kam dem Boden nicht weiter entgegen als bis auf die Knie. Wenigstens das eröffnete eine gewisse Perspektive. Er hatte viel Zeit, an Ríochan und Alandas zu denken - allein der Gedanke schien es etwas wärmer werden zu lassen – und Dorban und Béarisean für ihren Weg zurück in den Westen allen Segen zu wünschen.
Zweimal gab es eine eingeschränkt angenehme Abwechslung in den nächsten Wochen. Urkha ließ ihn in den Thronsaal von Cardolan holen. Das Angenehme war, dass es dort deutlich wärmer war, dass der Weg dahin eine Möglichkeit bot zu laufen und dass Urkha jedesmal ziemlich außer sich war, wenn er wieder weggebracht wurde. Die Einschränkung bestand in Urkha selbst und seinen Methoden. Der Kommandant von Cardolan baute sich beide Male vor dem Thronsessel auf. Er saß nicht darauf, stellte Robin fest. Er erinnerte sich, dass Dorban gesagt hatte, ein Lord Akan herrsche auf Cardolan – es schien, dass Urkha ihn fürchtete. Interessanterweise reizte es den Kommandanten am meisten, wenn er auf seine meist verbalen Attacken mit Sanftmut reagierte, äußerst unkooperativer Sanftmut natürlich. Es war ein richtiger Wettkampf zwischen ihnen. Besonders da ihnen beiden, wenn auch in verschiedenem Sinne, die Hände gebunden waren. Ingro sah er nicht wieder. Aber aus dem, was er hörte, schloß er, dass die Kameraden wirklich entkommen waren.

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Der Winter hielt die Festung Cardolan schon in eisernem Griff, als nach zwei Monaten endlich ein Bote zurückkehrte. Die wilden Eisstürme jagten fast täglich um die festen Mauern. Die Pfade waren schon lange unter Schneewehen verschwunden. Aber es war nicht Echod, sondern Asrik, der sich durch die Verwehungen plagte. Bei Idrim war das Pferd unter ihm zusammengebrochen und er hatte sich von da an zu Fuß durch den Schnee kämpfen müssen. Das hatte ihn unter den Witterungsbedingungen fast eine Woche gekostet.
Ingro empfing ihn schon im Hof. “Welch Überraschung. Hast du Botschaft von Carraig?”
Asrik nickte. “An Urkha persönlich. Der Fürst war bei Gleann Fhírinne, als wir auf ihn trafen. Urkha kann froh sein, dass er nicht in Reichweite war, als das Ergebnis der ganzen Jagd bekannt wurde.”
“Er rechnet fest mit einer Belobigung”, Ingro lächelte boshaft. “Du warst also immer noch bei Asrain?”
“Ich stehe ganz vorn auf seiner schwarzen Liste, seit mein Posten am Uibhnefenn durchbrochen wurde. Ein Posten, den es nie gegeben hätte, wäre es nach ihm gegangen. Er hatte Pläne für mich, denke ich. - Übrigens, Urkha versuchte, den Fehlschlag auf dich zu schieben.”
“Und?” Ingro wirkte leicht beunruhigt.
“Du kennst doch den Fürsten. Nicht einmal ich habe die Hälfte von dem geglaubt, was Urkha ausrichten ließ. Der Fürst tobte, dass der Gefangene nicht sofort zu ihm geschickt wurde. Er hat die Wahrheit aus Echod herausgeholt; der dürfte fürs erste nicht mehr reisefähig sein. Es war ein Anblick für sich, zu sehen, wie Lùg und Asrain vor ihm krochen, als er ihren Bericht auseinandernahm. Soweit man es verfolgen kann, während man selbst versucht, möglichst unsichtbar zu bleiben.”

Ingro nickte. Barraids Zorn traf stets die am heftigsten, die einen gewissen Rang hatten. Mit zitternden Untergebenen, die am Boden lagen, gab er sich selten ab. “Jedenfalls beorderte er dann mich zu sich. Meine Erleichterung war groß, dass alles, was er von mir wollte, war, seinen Befehl nach Carraig zu überbringen. Urkha ist im Thronsaal?”
“Wie meist”, Ingro verzog das Gesicht zu einem schrägen Grinsen. “Er starrt den Thron an. Aber seit Akan hier das Kommando hat, wagt er es nicht mehr, ihn zu benutzen. – Kommt er bald wieder?” Akan war ein Enigma für Ingro. Jeder der Lords, der Cardolan im Laufe der Jahrtausende befehligte, hatte von diesem Thron geherrscht. Und in ihrer Abwesenheit hatte der jeweilige Kommandierende das Recht für sich in Anspruch genommen. Um es eilends aufzugeben, wenn ein Höhergestellter nach Cardolan kam. Nicht Akan. Er stand vor dem Herrschersitz von Cardolan, wenn er Befehle erteilte. Warf nie auch nur einen Blick darauf.
“Lord Akan?” Asrik zuckte die Achseln. “Ich hörte nichts von ihm. Er kommt sicher nicht vor dem Frühjahr zurück.”
“Er ist anders”, sagte Ingro. “Anders als die anderen hohen Herren.”
“Das ist er.” Asrik sagte das sehr abschließend, aber Ingro ließ nicht locker: “Wie kommt man in seinen Mitarbeiterstab?”
“Zum einen, indem du nicht über ihn redest”, antwortete Asrik abweisend. “Fragen wie diese können dich den Kopf kosten.”
Ingro dachte kurz nach. “Durch wen?” erkundigte er sich dann. Aber Asrik gab ihm keine Antwort mehr. Sie hatten auch schon fast den Thronsaal erreicht.

Ingro trat zuerst ein. “Ein Bote von Seiner Hoheit, Kommandant”, sagte er mit einer Verbeugung.
“Bleib!” befahl Urkha. Dann wandte er sich Asrik zu. “Was ist mit Echod? Und warum hast du dir soviel Zeit gelassen?”
“Echod wurde nach Carraig befohlen. Der Fürst beauftragte mich bei Gleann Fhírinne. Die Winterstürme setzten vor fast drei Wochen ein. Habt Ihr schon versucht, in den letzten Wochen den Osten zu durchqueren? Ich habe mein Pferd bei Idrim eingebüßt.” Die Stimme des Boten enthielt eine Spur von Bitterkeit.
Urkha runzelte die Stirn. Asrik würde noch seine Strafe erhalten für seine Frechheit. Aber jetzt war die Botschaft wichtiger. Würde Ingro abberufen werden? Eine Beförderung war ihm selbst sicher. Asrik zog ein versiegeltes Pergament unter seinem nassen und noch immer schneeverkrusteten Wintermantel hervor. Urkha griff danach, aber Asrik schüttelte den Kopf. “Seine Hoheit befahl, es Euch zuerst vor mindestens einem Zeugen vorzulesen. Ihr seid aufgefordert, seinen höchsteigenen Worten Ehrerbietung zu erweisen.” Er selbst kniete nieder. Ingro folgte sofort seinem Beispiel. Urkha zögerte, aber ihm blieb keine Wahl.

Asrik brach das Siegel des Fürsten auf und las: “Ich, Barraid, Herr über Winian, Carraig und Cardolan, über die Fürstentümer Ardas, die Gefilde von ...”, es folgte noch eine längere Aufzählung, “an Urkha, Kommandant der Festung Cardolan unter Lord Akan. Mit großem Mißfallen habe ich deinen Bericht entgegengenommen. Ich wünsche, den Gefangenen so bald wie möglich auf Carraig zu sehen. Nach deinem bisherigen Versagen sehe ich jedoch davon ab, dass du ihn persönlich dorthin eskortierst. Statt dessen werde ich im nächsten Frühjahr nach Cardolan kommen, um ihn selbst in Empfang zu nehmen. Ich erwarte, dass du die Gelegenheit nutzt, deine Fehler wieder gut zu machen und ich den Gefangenen kooperationsbereit vorfinde. Dir ist freie Hand gegeben, so lange du ihm keinen irreparablen Schaden zufügst.”
Kein Wort von Ingro. Was hatte Echod nur ausgerichtet, dieser Schwachkopf? Urkha schäumte innerlich vor Wut. Asrik stand auf und hielt ihm das Pergament mit Barraids Siegel hin. Urkha hasste das. Aber vor diesen beiden Zeugen, Akans Mann und dem verhassten Ingro konnte er sich keine Unregelmäßigkeit erlauben. Er küsste den Boden, bevor er das Pergament annahm und sich erhob. Auch Ingro stand erst jetzt auf. 
Immerhin, Urkha hatte freie Hand. Kein irreparabler Schaden. Keine große Einschränkung. Ein böses Lächeln trat auf sein Gesicht. Dieser unverschämte Ritter würde ihn jetzt erst richtig kennen lernen. Barraid sollte ein wahres Wunder an Kooperationsbereitschaft erleben, wenn er im Frühjahr kam.
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Der Sturm heulte. Schnee stob wild. Doch dem Beobachter der Festung konnten sie nichts anhaben. Auch nicht dem, der sich jetzt näherte. Rodil brauchte sich nicht umzudrehen. Er wußte, wer ihn in dieser Einöde aufgespürt hatte. Es war die Hand Ríochans, die sich leicht auf seine Schulter legte. ´Du wußtest, daß alles so kommen würde´, sagte Rodil. ´Nicht wahr?´ Der Fürst schwieg. ´Du wußtest, daß ich ihnen helfen würde, die Spuren zu verwischen. Und hätte nicht Dorban im Schneesturm die Führung übernommen, wären sie nun nicht alle in Schwierigkeiten.´
´Ich wußte, daß du dich nicht soweit einmischen würdest, daß der Feind Verdacht schöpft´, sagte Ríochan. Die Nacht schien heller, seit er gekommen war. ´Es war wichtig, daß sie bis hierher kamen, bevor sie ihm nicht mehr entgehen konnten.”
´Wohin sind Béarisean und Dorban geraten? Nicht einmal ich begreife, was da geschehen ist. Ist das Weltentor am Idrim nicht schon lange verschlossen? Selbst ich erinnere mich kaum daran.´
´Das Geschick dieser beiden Ritter ist für die nächste Zeit außerhalb unserer Kompetenz´, sagte der Fürst. ´Wir sollten uns um den kümmern, der hier geblieben ist. Wird es dir gelingen, unentdeckt in der Nähe zu bleiben?´
´Es ist schwierig. Aber ich denke ja, solange keiner ihrer großen Führer kommt.´ Er lächelte. “Du weißt, wie er die Treue hält, sonst könntest du jetzt nicht hier sein.”
´Tu, was du kannst´, sagte Ríochan. ´Er darf nicht hier sterben.´
´Das will auch unser Gegner nicht.´
´Nicht ihr Anführer. Aber er ist nicht hier.´
Rodil nickte. ´Urkha ist alles an Dummheit zuzutrauen. Und vielleicht wäre das so besser für diesen Ritter. Bis jetzt hält er sich, wie es nur ein wahrer Ritter des Königs kann. Aber seit der Bote aus Carraig kam, ist es absehbar, wann ihm die Kraft fehlen wird.´
Der Fürst schüttelte den Kopf. ´Es darf nicht geschehen. Du wirst ein Auge auf alles haben müssen.´
´Dein Vertrauen in meine Fähigkeiten ist groß´, sagte Rodil. ´Warum schickst du mich nicht gleich nach Carraig?´

Ríochan lachte. Es war ein ungewohnter Laut in dieser Gegend, so nahe bei Cardolan. Selbst der Wintersturm hielt einen Moment den Atem an. Rodils Blick hing voll Bewunderung an ihm. ´Wer weiß´, sagte der Fürst. ´Vielleicht mußt du auch dieses Problem noch meistern.´ Dann wurde er wieder ernst. ´Wenn ich könnte, ginge ich selbst´, sagte er. ´Aber ich verteile nicht die Aufgaben, ich führe nur die meinen aus. Ich werde froh sein, das hier in deinen Händen zu wissen.´
´Ich werde mein Bestes tun´, sagte Rodil. ´Ich wünschte nur, ich hätte mein Schwert hier und könnte es auch einsetzen.´
“Der Tag wird kommen.” Ríochan berührte zum Abschied leicht seine Schulter und war gegangen, so leise, wie er gekommen war. Die Nacht war wieder dunkler.

Kapitel 14.2


Vorsichtig bewegten sie sich weiter. ´Wir sollten uns überlegen, was wir tun, falls sie uns wirklich bald dicht auf den Fersen sind´, sagte Robin plötzlich. ´Ich meine: Sollen wir zusammen als Gruppe fliehen oder uns lieber teilen, damit wenigstens einer eine Chance hat durchzukommen?´
Sie hatten jetzt fast die Krümmung der Hügelkette erreicht, hinter der sie endgültig außer Sicht der Verfolger sein würden. Die Feinde waren kaum noch zu erkennen, so weit hatten sich die beiden Gruppen schon von einander entfernt.
“Generell ein guter Vorschlag”, sagte Béarisean. “Aber du weißt, was mein Auftrag ist.”
“Das heißt also, ich reite allein”, meinte Robin, “und lenke sie von euch ab. Dorban muß nach Croinathír.”
“Keine gute Idee”, widersprach Béarisean. “Du kennst dich hier überhaupt nicht aus. Wir sollten zusammen bleiben.”
“Ich komme schon durch”, sagte Robin gelassen. “Falls es dazu kommt, wir treffen uns dann in Daliní oder Croinathír oder dort, wo es zum Kampf kommt.
“Wir sollten es wirklich einzeln versuchen”, sagte Dorban. “Ich brauche Eure Gesellschaft nicht, Herr Béarisean.”
“Wer sagt, dass ich auf die Eure erpicht bin?” konterte Béarisean scharf. “Aber ich habe Befehle.”

Sie führten die Pferde kurz darauf um das südliche Ende des Hügelkammes und blieben abrupt stehen. Knapp vierhundert Meter östlich von ihnen befand sich eine weitere Gruppe von Barraids schwarzen Reitern. Sie hatten halt gemacht. Ihre Anführer schienen sich gerade über das weitere Vorgehen zu beraten.
“Geht ihr zurück und dann nach Westen”, zischte Robin, der als erster ging. Noch hatte niemand sie bemerkt.
“Du auch”, flüsterte Béarisean, der sein Pferd schon nach hinten gehen ließ.
“Sobald ihr außer Sicht seid und falls wir dann immer noch unbemerkt sind. Aber wenn ich mich bewege, fällt es wahrscheinlich am ehesten auf.” Er behielt die schwarzen Reiter unverwandt im Auge, ließ sein Pferd nur Zentimeter um Zentimeter nach hinten treten. Fast gelang es. Aber als Béarisean ihm Bescheid gab, dass er und Dorban es geschafft hatten, blickte einer der schwarzen Reiter in seine Richtung und rief etwas. Robin sagte “Bis Daliní dann” und schwang sich auf sein Pferd, das sofort in leichten Trab fiel. Er ritt auf die Feinde zu, als sei er erstaunt sie zu sehen. Vielleicht ließen sie einzelne Reiter in Ruhe. Erst als die anderen ausschwärmten um ihn zu umringen, änderte er die Richtung und ließ den Falben in Galopp fallen. Würden sie ihm folgen und die anderen unbehelligt lassen? Lange wagte er es nicht zurück zu blicken, um keinen Zentimeter Vorsprung zu verschenken.
Er beugte sich tief über den Hals des Falben und spornte ihn zu größtmöglicher Schnelligkeit an. Das Gelände war nicht gut geeignet für einen solch schnellen Ritt. Hoffentlich trat das Tier jetzt nicht in ein Erdloch. Hinter sich hörte er nach einiger Zeit Geschrei. Er drehte sich nicht um. Lauf, Falbe, lauf!
Felsen und Sträucher. Kleine Bäche und große Steine. Alles flog vorüber. Der Falbe begann zu keuchen, der Schaum tropfte ihm von den Nüstern, hing auf Brust und Flanken. Das Gelände wurde noch unregelmäßiger. Eine neue Hügelkette lag vor ihnen. Noch immer hatten ihn die Verfolger nicht errreicht. Vorsichtig wagte er einen Blick nach hinten. Verloren hatten sie ihn auch noch nicht. Der Abstand mochte ein paar hundert Meter zu betragen. Wie groß er genau zu Beginn gewesen war, konnte er nicht sagen, aber die Pferde der anderen schienen zumindest nicht schneller zu sein als das seine. Der Hang kam näher. Noch ein Blick zurück. Der Abstand wurde größer! Die Pferde der anderen waren erschöpft! ´O mein König´, sagte er. ´hilf uns allen, aus dieser Gefahr herauszukommen.´
Der Falbe stolperte. Robin fing die Rhythmusstörung geschickt auf. Hinauf. Ein dritter Blick. Die Gegner fielen zurück. Die Gruppe der Verfolger zog sich auseinander; selbst die schnellsten konnten nicht ganz mithalten. Nun kam es darauf an, wessen Pferde ausdauernder waren. Er hatte den Kamm des Hügels erreicht und jagte ihn entlang. Der Abfall zu beiden Seiten hin wurde etwas steiler. Lauf, Falbe, lauf!
Wieder vergingen ein paar Minuten. Wie lange das Pferd diesen mörderischen Ritt wohl noch durchstehen würde? Er blickte wieder nach hinten. Seltsam, die nächsten Verfolger zügelten ihre Pferde. Die anderen waren nicht mehr zu sehen. Gaben sie etwa auf? Zu unwahrscheinlich. Jäh scheute sein Falbe und kam zitternd zum Stehen. Robin hielt sich nur mit Mühe im Sattel. Was ..?

Vor ihm gähnte ein kleiner Abgrund. Gut zwanzig Meter Steilabfall. Da war kein Hinunterkommen mit dem Pferd. Gut, daß das Tier die Gefahr bemerkt hatte. Er klopfte ihm beruhigend den Hals. Doch was nun? Sollte er sich verloren geben und warten, bis die nächsten Verfolger herangekommen waren? Er warf einen Blick hinab. Es bestand eine gewisse Chance, mit ein paar Kratzern, Schrammen und Beulen davonzukommen. Doch er kam nicht dazu, es zu versuchen. Die Verfolger, die er schon distanziert gehabt hatte und die die Gegend offenbar besser kannten als er, hatten gesehen, welche Route er einschlug, und ihm den Fluchtweg abgeschnitten.
******

“Aufsitzen”, fauchte Béarisean. “Langsam nach Westen!”
Dorban warf ihm einen schrägen Blick zu. “Er hat Mut, dieser Anno. Wie ist Arda eigentlich? Eine Welt von Helden?”
“Schätze dich glücklich, wenn du es nie siehst!” war alles, was Béarisean antwortete. Er unterließ sogar die höfliche Anrede. Doch Dorban war geneigt es hinzunehmen. Er hatte viel Zeit zum Nachdenken gehabt während der letzten Tage. Béarisean war der letzte Nachkomme aus Colins Familie. Alles sprach dafür, dass er – so es überhaupt dazu kam – einmal Regent von Abhaileon werden würde. Sein Ton war oft so befehlend, als sei er es schon. Und Dorban war bislang nur ein einfacher Lord aus Dalinie. Er legte es nicht darauf an, es mit dem künftigen Herrscher zu verderben.

Immer wieder blickte Béarisean sich um. Sie waren fürs erste unentdeckt geblieben, aber wie lange noch, bis die nächste unerwartete Patrouille auftauchte. Ihm war nach Schreien. Dorban dachte, Robin sei ein Held. Er selbst hatte ernste, sehr ernste Bedenken, dass Robin es jemals bis Daliní schaffen würde und konnte nichts tun, um das zu ändern. Sie hätten in den Wäldern bleiben sollen. Die andern hatten doch schon ihre Spur verloren gehabt.
Es war keine wirkliche Überraschung, als sich nach zehn Minuten von Süden her ein weiterer Trupp der Verfolger näherte. Béarisean und Dorban wechselten kein Wort, spornten nur ihre Pferde an. Dorban übernahm auf seinem Grauschimmel wieder die Führung. Béarisean hatte nichts gegen die Richtung einzuwenden, die er wählte.
Es schien, auch die Pferde der neuen Verfolger waren müde. Jedenfalls konnten sie ihren Vorsprung fürs erste halten. Oder wurden sie auf den nächsten Trupp zugetrieben? Dorban hatte scharfe Augen, er vermied schneegefüllte Senken mit Leichtigkeit, konnte das Gelände gut ausnutzen. Aber ihre Pferde würden das nicht mehr lange durchhalten können. All diese Tage mit Strapazen und knappem Futter hatten ihren Zoll gefordert. Dorbans Vorsprung vergrößerte sich allmählich. Vielleicht wollte er die Gelegenheit nutzen, seinen Begleiter loszuwerden. Aber Béarisean wagte es nicht, seinen Braunen noch mehr anzutreiben.

Das Gelände begann sich in seiner Gesamtheit sanft zu senken. Dann glitzerte etwas vor ihnen auf. Idrim. So sehr Béarisean sich gewünscht hatte, diesen See zu sehen, jetzt versperrte er ihnen den Fluchtweg nach Westen. Seinem nördlichen Ende waren sie recht nahe hier.  “Silberner Idrim, Juwel am Fuß der Berge, Zauber schwebt über deinen Wassern, wie Herbstnebel am Morgen.” Die Worte des Gedichtes drängten sich ihm in die Gedanken, wiederholten sich mit dem unregelmäßiger werdenden Hufschlag. sil-ber-ner-i-drim. Die Nordberge kamen hier weit nach Süden, umschlossen den Wildfluß, der seine tosenden Wasser in den See entleerte, bildeten eine malerische Klamm aus schwarzen Felsen. Die Strömung war weit bis in den See hinein noch sichtbar.
Dorban ließ sich nicht beirren, als der See sichtbar wurde. Nur kurz zögerte er, überlegend ob er versuchen solle, den See nach Süden zu umgehen, aber ein Blick zeigte ihm, dass die Verfolger hinter ihnen nach Süden hin einen Viertelkreis gebildet hatten, der solch ein Manöver abfangen würde. Der Weg nach Norden blieb frei und dorthin lenkte er sein Pferd. Béarisean nutzte das ebenere Gelände, um etwas aufzuholen. “Was habt Ihr vor?” rief er.
“Schwimmen”, antwortete Dorban. “Ihr könnt ja schon einmal anfangen zu beten.”
Der See sah nicht gerade einladend für ein solches Manöver aus. Zwar waren nur etwa zweihundert Meter zu überwinden, bevor man einen flachen Strand im Nordwesten erreichen konnte. Aber genau auf diesen zweihundert Metern, strudelten auch die Wasser des Wildflusses. Und das Wasser würde sehr kalt sein. Am Ufer hatten sich bereits dünne Eiskrusten gebildet. Béarisean begann zu beten.

Doch dann stürzte ganz unerwartet Dorbans Pferd, es war mit einem Bein in ein Erdloch getreten. Der Lord wurde aus dem Sattel geschleudert, trug aber, wie es schien, keine ernste Verletzung davon, da er gleich wieder auf die Beine kam. Der Schimmel schrie vor Schmerzen. Dorban fluchte heftig. Béarisean reichte ihm im Vorbeireiten die Hand und der Lord schwang sich hinter ihn auf den erschöpften Braunen. Die Feinde waren nun dicht hinter ihnen. “In den Tobel”, drängte Dorban.
“Es ist eine Sackgasse”, protestierte Béarisean.
“Vielleicht, aber das hinter uns sind nicht viele. Kein Weg für Pferde. Platz nur für zwei nebeneinander. So wie Ihr kämpft, vielleicht halten wir uns gegen sie.”

Es war nicht mehr weit. Vor ihnen türmte sich als chaotisches Felsenmeer – fast wie von einer Muhre hingeschüttet – der Einstieg zur Klamm auf. Schon bald sprangen sie von dem erschöpften Pferd und rannten, stürzten die Wirrnis übereinander getürmter Felsbrocken hinauf  in die enge Schlucht hinein, als warte dort die Rettung auf sie. Triumphierende Rufe klangen hinter ihnen auf. Der Pfad, der am oberen Ende der Felsrampe begann, war schmal und gewunden. Spritzer der schäumenden Gischt aus dem Flußbett waren zu Eis darauf gefroren und machten ihn noch gefährlicher. Links unter ihnen, etwa zehn Meter tiefer, tobte der Wildfluß zum See hin.
“Weiter vorn”, keuchte Dorban, der sie anführte. “Gute Stelle.” Béarisean nahm aus den Augenwinkeln war, dass die Felswände, die nun zu beiden Seiten aufragten mehr als hundert Meter hoch sein mußten. Gut, keine Möglichkeit, ihnen irgendwie in den Rücken zu fallen. Ein Pfeil zischte an ihm vorbei. Es folgte ein Schrei und eine wütende Stimme. “Lebend! Er will sie lebend!”

Es war dunkel zwischen den Felsen. Je weiter sie in die Klamm hineinkamen, desto mehr wirbelnde Gischt umgab sie, wurde zum Nebel und auf den Steinen zu Eis. Verfolger und Verfolgte kamen immer öfter ins Stolpern und Rutschen. “Dorban! Wie weit?” keuchte Béarisean.
“Gleich”, stieß Dorban hervor. “Da vorn.” Béarisean wagte es, kurz aufzublicken. Dort vorne weitete sich der Pfad etwas. Vielleicht genug Platz für zwei Schwertkämpfer nebeneinander. Er nahm noch einmal alle Kräfte zusammen, griff schon an den Knauf des Schwertes, um mit gezogener Klinge herumwirbeln zu können. Da hörte er Dorban aufschreien. Erschreckt blickte er auf, sah ihn nicht – und glitt aus. Vergeblich versuchte er den Sturz abzufangen. Dann wurde es dunkel.
******
Seltsam wie ruhig er sich fühlte. Die Luft war kristallklar und fast stand die Zeit still. Etwas wie Freude regte sich in Robin. Irgendwo am Himmel über sich hörte er einen Falkenschrei. Er lächelte. Dort kamen die Feinde, die Pferde schon zum Schritt gezügelt. Sie wussten, dass ihre Beute nicht mehr weiter fliehen konnte. Aber er fühlte sich sicher, als sei alles, wie es sein sollte. Langsam griff er zum Schwert, ließ es aus der Scheide gleiten, fasste den Knauf mit beiden Händen und streckte es grüßend nach oben. “Ehre dir, mein König”, sagte er und das Licht brach sich hell in der glänzenden Klinge.
Die Verfolger hielten an wie auf ein Signal hin. Blicke richteten sich mehr auf die Klinge als auf ihn. Pferde schnaubten unruhig. Licht tanzte um den einsamen Reiter dort oben auf dem Rand der Klippe. “Das ist nicht Dorban”, murmelte einer der Schwarzgekleideten und warf einen besorgten Blick auf seinen Anführer.

Robin nahm langsam das Schwert herunter. Er lächelte immer noch. Mit der linken Hand, in der er die Zügel hielt, tätschelte er sanft den Hals des Falben. Dann ließ er ihn einen Schritt nach vorne gehen. Einige der schwarzen Reiter begannen unwillkürlich zurückzuweichen. Jedoch nicht ihr Anführer. “Steht!” befahl er mit harter Stimme. Er war groß, breitschultrig, mit häßlichem Gesicht. Auf seinem offenen Helm flatterte ein schwarzer Federbusch. Sein Name war Urkha. In der Abwesenheit Lord Akans war er Oberbefehlshaber auf Cardolan.
“Lasst mich vorbei!” befahl Robin ruhig.
“Gerade noch flohst du vor uns”, entgegnete Urkha grob. Er versuchte den Bann zu brechen, der über dem Ort lag. Aber fürs erste glitten seine Worte an dem Strahlenden vor ihnen ab.
“Etwas das seinen Zweck erfüllte”, gab Robin zur Antwort. “Und nun, lasst mich durch!”

Urkha war nicht beeindruckt. Im Gegensatz zu einigen seiner Männer. “Alandas” war ein Wort, das mehrfach leise in der Truppe fiel. “Nicht Alandas!” schrie er laut. “Nur ein Mensch auf einem müden Pferd! Mit einem Schwert, das hier keine Macht hat!” Urkhas Stimme hatte Macht. Die Verzauberung begann zu brechen. Er fühlte es. “Vorwärts, Gewürm! Wer jetzt nicht kämpft, wird teuer zahlen! Der Fürst will ihn lebend! Denkt dran!”
Kurz noch zögerten seine Männer. Aber als Urkha sein eigenes Schwert erhob, brachen sie vor, stürzten sich auf den einzelnen Reiter. Robin ließ sein Pferd tänzeln. Es war nicht Hibhgawl und doch war er auch mit ihm eine Einheit. Es war alles wie vorherbestimmt. Kein Schlag zu überlegen. Mühelos wehrte er ab und konterte, blockte und konterte. Gegner fielen, aber er achtete nicht darauf. Das Pferd – das Schwert – das Licht – die Freude.

Aber Urkhas Stimme schlug wie ein Hammer auf die leuchtende Einheit, in der er stand. “Nur ein Mensch! Hört ihr? Schlagt ihm das Schwert weg! Tötet das Pferd! Nur ein Mensch! Er hat keine Chance! Umringt ihn! Packt ihn endlich!”
Schwerttanz. Leuchtende Funken. Leichtigkeit und Klarheit. Aber Ewigkeit hatte jetzt keinen Ort in Abhaileon. Konturen verwischten. Schatten schwankten. – Robin konnte sich später nie genau erinnern, wie es geendet hatte. Der Falbe war gestürzt. Irgendwann. Aber er hatte weiter sein Schwert geschwungen. Mit tänzerischem Geschick zwischen all den Gegnern ohne Zögern oder Stolpern. Bis ihn ein Schlag von hinten getroffen haben musste. Er hielt sein Schwert fest, noch als ihm die Beine wegbrachen. Und dann war da Dunkel.

Kapitel 14.1

XIV Verwehte Spuren

Der Schnee, der über Nacht gefallen war, war nur eine dünne Schicht fein wie Staub, die der nächtliche Sturm sofort wieder zerrissen hatte und doch ein sicherer Vorbote des nun anbrechenden tiefen Winters. Immer noch hing die schwarzgraue Wolkendecke tief auf die Erde herab, schwanger mit einer neuen größeren Schneelast . Es würde wohl nicht Nachmittag werden, bevor sie herabfiel. Die Luft war jetzt bitter kalt geworden. Ein eisiger Wind fegte über das fast baumlose, sanft gewellte Land. Einige wenige Sträucher und Felsen stellten sich ihm entgegen und ein paar blattlose Birken duckten sich unter den heftigen Böen. Moose und Flechten hatten ihre leuchtenden Herbstfarben verloren. Heulend pfiff der Wind um die vereinzelten Findlinge, Boten einer lang vergangenen Eiszeit, und stürzte sich dann wie mit grausamer Freude auf die drei einsamen Reisenden, die sich durch die verlassene Landschaft bewegten.
Sie hatten ihre Mäntel fest um sich geschlagen und die Köpfe zum Schutz vor der Kälte mit Tüchern vermummt. Es war alles andere als ein perfekter Schutz. Der kalte Wind schnitt wie mit Messern durch den Stoff hindurch. Béarisean biß die Zähne zusammen; vom starken Luftzug schmerzten ihm die Ohren. Er sehnte sich nach einer Fellmütze. Und nach Handschuhen. Da er gerade schon einmal dabei war, ein wärmerer Mantel wäre auch nicht schlecht gewesen. Nicht zu vergessen Fellstiefel. Die würden sie bald noch viel bitterer nötig haben, wenn der Schnee erst einmal liegen blieb. Wenn sie nur noch eine Frist bekamen, bevor der eigentliche Winter kam! Sie waren viel zu weit im Norden.

Auch Robin atmete erleichtert auf, als Dorban, der voranritt, jetzt im Windschatten eines großen Findlinges sein Pferd zügelte. Es war eine wahre Wohltat, auch nur für einen Augenblick diesem furchtbaren Wind entronnen zu sein. Seine Finger waren steif und weiß gefroren, er konnte kaum noch die Zügel halten. Während des Rittes hatte er die Hände abwechselnd unter den Mantel gesteckt, um sie wieder etwas aufzuwärmen, aber es hatte nicht viel genutzt. Selbst der Reiz der leicht verschneiten Landschaft verlor sehr durch diese Widrigkeiten.
Dorban war ebenfalls durchfroren. Obwohl er Kleidung trug, die der Jahreszeit etwas besser angepaßt war als die der beiden Ritter, waren auch seine wärmsten Ausrüstungsgegenstände bei der Flucht zurückgeblieben. In der Hast des Aufbruchs hatte er nicht bedacht, wie nahe der Winter schon herangerückt war. Jetzt schaute er zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Weit und breit zeigte sich keine Spur von Leben. ´Es scheint, als hätten sie uns endlich verloren´, sagte er. ´Seit zwei Tagen haben wir nun nichts mehr von unseren Verfolgern bemerkt, und ich glaube nicht, daß sie unsere Spur auf diesem steinigen Boden verfolgen können. Noch dazu bei diesen Witterungsbedingungen.´
´Das ist gut so´, sagte Béarisean. ´Unsere Vorräte gehen endgültig zu Ende. Wir haben keine Zeit mehr für Umwege.´

´So angenehm es ist, den Wind eine Weile nicht zu spüren´, sagte Robin , ´denke ich, wir sollten eilends weiter. Das Wetter ist uns für den Augenblick schon Bedrohung genug. Die Temperatur ist in den letzten paar Minuten um mehrere Grad gefallen. Ich fürchte, ein Sturm kommt auf.´
Dorban blickte prüfend in die Wolken. Dann drehte er sich um, zurück nach Südosten. Dort stand am Horizont eine gewaltige schwarze Wolkenwand. ´Ihr habt recht. Es wird einen Schneesturm geben. Sehen wir zu, daß wir weiterkommen. Mit etwas Glück bringen wir noch ein paar gute Meilen zwischen uns und Cardolan und finden dort weiter südlich eine passable Deckung, bevor das Unwetter richtig losbricht.´

An diesem Tag hatten sie offenbar nicht viel Glück. Kaum daß sie wieder aufbrachen, trat zwar eine kurze Flaute ein. Dann kamen die Windböen plötzlich aus Südwest herangejagt, statt wie vorher aus dem Osten. Sie waren kaum eine halbe Stunde geritten, als eine heftige Windbö ihnen  die ersten Flocken ins Gesicht trieb. Fast zusehends wurde das Schneetreiben dichter und die Böen heftiger. Es dauerte nicht lange, bevor der Schnee so dicht fiel, daß sie einander kaum noch in dem dichten Flockenwirbel ausmachen konnten, obwohl sie sich dicht zusammen hielten. Der feine Schnee war hart, wenn er ihnen ins Gesicht peitschte. Am liebsten hätte Robin die Augen geschlossen, um sie vor diesen Nadelstichen von gefrorenem Wasser zu schützen, aber wagte es nicht, aus Angst seinen Vordermann zu verlieren. Béarisean, der die Nachhut bildete, ging es keinen Deut besser, und Dorban, der voranritt, war sich binnen kurzem klar, daß nicht die Rede davon sein konnte, eine vorgegebene Richtung einzuhalten. Er gab seinem Pferd die Zügel frei und hoffte, daß der Instinkt des Tieres sie zu einem geschützteren Platz führen würde.
Sein Grauschimmel änderte sofort die Bewegungsrichtung, als ihm der Kopf freigegeben wurde. Die anderen Tiere folgten willig. Sie schienen irgendeinen Schutz zu wittern. Eine Weile lang erwarteten die drei Reiter hoffnungsfroh, binnen kurzem eine Felsrinne oder schützende Wand zu erreichen, so zielstrebig waren die Tiere losgegangen. Doch nichts zeigte sich in der weißen Hölle um sie herum. Nach einer Weile nahm Dorban enttäuscht die Zügel wieder auf. Er glaubte schon seit geraumer Zeit, weiter links etwas Schwarzes schimmern zu sehen. Warum nahm der Schimmel nicht darauf Kurs? Vielleicht eine der langgestreckten Hügelketten. Sie mußten eine Zuflucht finden. Der Schnee reichte schon hoch über die Pferdeknöchel. Am liebsten hätte Dorban halt gemacht, um nicht noch weiter von der Richtung abzukommen und orientierungslos herumzuirren. Aber sie durften jetzt nicht im Freien stehenbleiben. Immer wieder versuchte Dorban, sich nach Stellen zu orientieren, wo Felsen aufzuragen schienen und konnte sie doch nie erreichen.

Robin merkte, daß sie schon längst Weg und Ziel verloren hatten. Aber eine Verständigung war in dem tobenden Chaos einfach unmöglich. So beugte er sich nur noch tief auf den Hals seines Pferdes, darauf vertrauend, dass das Tier den andern folgen werde. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis sie endlich ein paar hohe Felsen erreichten, wo sie Windschutz hatten. Der Schnee reichte den Pferden bis dahin schon ein paar Fingerbreit über die Knie. Mühsam, da steif gefroren und schneeverkrustet, stiegen sie von ihren Reittieren. Dann drängten sich Menschen und Tiere zwischen den Steinen dicht zusammen, um ein wenig Wärme zu finden. Der Schneefall hörte bald darauf zu ihrer Erleichterung auf, aber der Sturm zeigte keine Anstalten, sich abzuschwächen. Bis weit in die Nacht hinein, heulte und pfiff er und wirbelte den frisch gefallenen Schnee in windhosenartigen Böen wieder hoch auf, sammelte hier Schneewehen an und entblößte dort die Felsen wieder von ihrer weißen Last.
Sie wagten es nicht, sich schlafen zu legen aus Angst zu erfrieren. Es wurde eine gräßliche Nacht. Der Kampf gegen den Schlaf wurde immer schwerer. Ab und zu nickte einer ein und wurde von den beiden anderen wieder wachgerüttelt. Bis dann, gerade als jeder von ihnen überzeugt war, es wirklich keinen Augenblick länger mehr aushalten zu können, endlich der nächste Tag einbrach. Der Wind legte sich allmählich. Der Himmel war klar und rein. Sobald die Helligkeit ausreichend war, trat Dorban, der sich in dieser Gegend am besten auskannte, aus der Felsgruppe heraus, um sich zu orientieren. Was er sah, stimmte ihn nicht gerade froh.

´Wir sind weit vom Weg abgekommen´, knurrte er, als er wieder zu den beiden anderen trat, ´und fast exakt in die falsche Richtung. Cardolan ist uns näher denn je. Nur wenige Meilen nördlich von hier liegt die Schlucht des Wildflußes mit der Carrus. Hier möchte ich keine Minute länger bleiben als unbedingt nötig.´
Auch Robin und Béarisean traten zwischen den Felsen hervor und sahen sich um. Die Berge waren seit dem Vortag um einiges näher gerückt. Das Vorgebirge mit der schroffen Carrus und der Wildflußschlucht lag nur noch wenige Kilometer entfernt. Nach Süden hin erstreckte sich die weite schneebedeckte Ebene. Auch die fernen Ausläufer des Waldes im Westen waren in der klaren Luft erkennbar. Dorban stapfte nach außen, heftig mit den Händen um sich schlagend in dem Bemühen, sich so etwas aufzuwärmen.

´Eigentlich war ich ja immer begeistert von Winter, Schnee und Kälte´, sagte Robin und blies auf seine erstarrten Finger. ´So selten, wie es in meiner Heimat schneit.’
“Das war noch gar nichts”, sagte Béarisean grimmig. “Hier gibt es manchmal ganze Wochen nichts als Schneestürme. Hoffentlich schaffen wir es wenigstens bis Cruagh.”
“Trotz allem ist es schön”, sagte Robin. “Und es gibt Möglichkeiten, sich aufzuwärmen.” Er raffte etwas Schnee zu einem groben Ball zusammen und warf ihn auf Béarisean.
“He!” begann Béarisean, aber dann bückte er sich lachend, um den Angriff erwidern zu können.
Dorban betrachtete sie stirnrunzelnd, als sie herausstürmten, sagte aber nichts. Der Kampf wurde relativ schnell unentschieden beendet, aber er hatte sie etwas aufgewärmt und die Steifigkeit aus ihnen vertrieben. Es gab nichts aufzuräumen an ihrem unbehaglichen Lagerplatz. So zogen sie nur die Gurte der Pferde wieder fest an und brachen auf. Das Vorwärtskommen erwies sich als nicht übermäßig schwierig. Zwar gab es in den Senken und Niederungen Schneeverwehungen, die vorsichtig umgangen werden mußten, doch auf den Höhen hatte der Wind den Weg wieder freigemacht. Die Temperatur lag nur noch ein, zwei Grad unter dem Gefrierpunkt, so daß es ihnen im Vergleich zum Vortag geradezu warm erschien.

´Welches Datum haben wir heute?´ fragte Robin auf einmal in die Stille hinein.
Béarisean rechnete kurz nach. ´Anfang bis Mitte Dezember´, antwortete er dann.
´Gut´, sagte Robin noch immer gut gelaunt. ´Ich will Weihnachten nicht gleich zweimal hintereinander verpassen.´ Eine kurze Weile ritt er nachdenklich weiter. Das Gelände war nicht schwierig. So holte er seine Harfe hervor, überprüfte schnell die Stimmung und fing an Winter- und Adventslieder zu singen.
Dorban war beunruhigt. Immer wieder blickte er nervös zurück Richtung Carrus. Aber Robin sang leise und der Blick reichte weit. Wer ihn hören würde, hätte sie schon lange vorher gesehen gehabt.
Béarisean ließ sich mitreißen. Er kannte einige der Lieder und sang gern. Dorban verstand nicht einmal die Sprache. Sie ritten jetzt einen langgestreckten Höhenrücken entlang. In seinem Herzen hämmerte und raste die Angst. Der Anblick des Carrusfelsens hatte diese Bedrückung in ihm ausgelöst. Er war sich mit einemmal ganz sicher, daß die Verfolger noch lange nicht abgeschüttelt waren. Ausgerechnet zur Carrus, wo Barraid ihn damals erwartet hatte ... Ruhelos suchte er mit den Augen den Horizont ab.

´Da´, rief er schließlich und wies mit dem rechten Arm nach Westsüdwest. In seiner Stimme schwang Furcht. Der Gesang verstummte jäh, die beiden Ritter stellten keine Fragen. Ihnen war sofort klar, was dieser Ruf zu bedeuten hatte. In Windeseile glitten alle drei von ihren Reittieren herab und führten sie weiter den Hügel hinab. Angespannt starrten sie alle in die Richtung, die Dorban gewiesen hatte.
´Reiter´, sagte Béarisean schließlich als erster. ´Etwa fünfzehn. Sie sind noch sehr weit entfernt. Es scheint, sie haben uns noch nicht bemerkt. Gibt es hier irgendeine Deckung?´
´Außer dem großen Stein da drüben nichts´, sagte Robin leise. Der Stimmungswechsel war abrupt. Vorbei die Heiterkeit. Jetzt spürte auch er die Beklemmung, die schon den ganzen Morgen auf Dorban lastete.
´Vielleicht sind es nur harmlose Reisende oder ein Jagdtrupp´, meinte Béarisean, während sie sich vorsichtig und langsam dem großen Felsen näherten. Seiner Stimme war anzuhören, daß er selbst nicht an das glaubte, was er da sagte.
Dorbans Kehle war trocken. ´Ich wünschte, Ihr hättet recht´, sagte er. Er sah das Ende unabwendbar näherkommen. So nahe waren ihnen die Verfolger schon tagelang nicht mehr gewesen. Die einzige Hoffnung war, daß sie tatsächlich noch nicht bemerkt worden waren und einen tüchtigen Vorsprung gewinnen konnten, ehe die Verfolger auf ihre Spuren stießen.

Sie erreichten den großen Felsen und warteten angespannt. Die Gruppe der fremden Reiter näherte sich - mit ihren schwarzen Mänteln und Rüstungen waren sie unschwer als Barraids Leute identifizierbar - und schwenkte unterhalb des Höhenzuges nach Norden ab. Alle atmeten auf.
´Das ist unsere Chance´, sagte Béarisean. ´Wenn wir uns an diese Rinne hier halten und es bis zu der Biegung dort dreihundert Meter weiter schaffen, dann sind wir außer Sichtweite. Zumindest, bis sie in einer halben Stunde die Felsen erreichen und vollen Einblick nach Süden haben. Wir können solange auf der Ostseite des Hanges reiten. Sobald wir in Deckung sind, auf nach Süden.´
“Laßt uns besser noch abwarten´, warnte Dorban.
´Sie sind jetzt schon ein gutes Stück weg´, entgegnete Béarisean, ´und wir dürfen keine Zeit verlieren. Sie bleiben noch eine ganze Weile in Sichtweite von hier aus. Fast bis sie den Hügelkamm erreichen. Es muß uns genügen, daß sie uns den Rücken zukehren. Wenn sie auf unsere Spur stoßen, solange wir noch in Sicht sind, sieht es schlecht aus. Die Senke schützt uns. Ansonsten kann ich dir nur empfehlen zu beten.´
´Großartige Empfehlung´, sagte Dorban sarkastisch.