Mittwoch, 29. Dezember 2010

Schwarzes Pferd I - Kapitel 1.2


Der Bussard war nicht mehr zu sehen. Béarisean (Aussprache: Be-ri-schan), der ihm für ein paar Augenblicke nachgeschaut hatte, ließ seine braune Stute wieder antraben. Er wünschte, er hätte Flügel wie der Raubvogel.
Er wünschte, er könnte den Tag damit verbringen, die Aussicht von hoch oben zu genießen und nach Beute Ausschau zu halten.
Er wünschte, er bräuchte diese ganze Gegend hier nicht mehr zu sehen.
Er wünschte, er könnte nach Hause nach Sliabh Eoghai (Aussprache: Schlu Ochi), wo er so viele Jahre verbracht hatte.
Er wünschte - kurzum, Béariseans Laune lag wenigstens genauso unter dem Nullpunkt wie die Außentemperaturen. Der Optimismus, der ihn am Morgen dieses Tages noch getragen hatte, war allmählich verflogen. Warum hatte er nur in diese unsinnige Geschichte hineingeraten müssen? Warum hatte er nicht einfach ein kleiner Lord auf dem Besitz seines Vaters werden können? Er könnte schon lange verheiratet sein ... Rilan würde ihn oft besuchen oder er sie. Rilan, o Rilan. Warum musste das alles nur geschehen? Er hatte nie ein normales Leben kennen lernen können.

Scairt, sein Pferd, unterbrach mit einem leisen Wiehern seine Gedanken. Béarisean schüttelte sich. Es war nicht gut, an Rilan zu denken. Der Schmerz brannte nur wieder neu, fast wie damals. Ihr Tod musste irgendeinen Sinn gehabt haben. Darum war er hier.
Vielleicht hatte er sich nur darum so entschlossen auf das alles eingelassen. O Rilan! Es musste Rache geben! Wenn es schon nicht die Mörder traf, dann wenigstens die Drahtzieher. Béarisean ließ seine Stute langsamer gehen; der Pfad war hier sehr schmal und überwachsen. Sie näherten sich wieder der alten Trauerweide, wo Kurt wartete.

„Was ist?“, der ältere Mann runzelte nach einem Blick auf ihn besorgt die Stirn. „Hast du etwas“, er zögerte kurz, als sei das folgende Wort mit äußerster Vorsicht zu wählen, „Ungewöhnliches gesehen?“

Béarisean schüttelte den Kopf. „Nichts. Es ist nur dieses Warten.“ Ihm lag nicht daran, dass irgendjemand erfuhr, wie sehr er noch unter diesen lange vergangenen Ereignissen litt. Es war nicht rational. Schon jetzt war der Schmerz wieder verblasst. „Ob er wohl noch kommt?“

Der grauhaarige Mann zuckte mit den Schultern. „Uns bleibt nichts übrig, als weiter zu warten.“

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Auf den Feldern gaben sich die Krähen ein Stelldichein. Im Winter stolzierten sie oft über die Äcker, flogen auf, wenn man sich ihnen näherte und riefen ihr lautes Krah. Die Dämmerung war jetzt nah. Im Dickicht um die Mühle war ein wenig Schnee liegen geblieben. Robin ließ Gebäude und Hain links liegen und überquerte den überwachsenen Bahndamm und den Graben.
Jetzt kam eine wichtige Stelle auf seinem Rundgang. Dort kreuzte ein zweiter Bach (oder Graben) den Weg. An einer mit Gras bewachsenen Brücke stand dort eine alte Trauerweide, deren Zweige fast den Boden erreichten. Und auf das Grasstück zwischen der Weide und dem Rand des Brückchens kam es ihm an. Dorthin stellte er sich gewöhnlich während seines Spazierganges und schaute den kleinen Bach hinauf. Das Bachbett war gemauert und meist floss nur ein recht schmales Rinnsal über die Steinstufen. Dennoch erschien ihm der Platz immer geheimnisvoll. Das Ufer war dicht mit Hecken, Büschen und kleinen Bäumen bewachsen, die sich von beiden Seiten aufeinander zuneigten und einen grünen Torbogen bildeten. Daher reichte der Blick nur etwa zwanzig, dreißig Meter bachaufwärts, so dass nicht ganz auszuschließen war, dass hier in ganz geringer Entfernung vielleicht doch das Tor zu einem Märchenreich lag. Oft schien ihm dann, dass ein Zauber in der Luft läge, irgendein Geheimnis.

An diesem Wintertag war sein Lieblingsplatz allerdings schon besetzt. Bereits von weitem sah er zwei menschliche Gestalten und ein Pferd. In der stillen Hoffnung, dass sie gehen würden, bevor er dorthin kam, verlangsamte er seinen Schritt. Leider verdeckten ihm nicht nur die langen, jetzt blattlosen, Weidenzweige, sondern auch das Pferd den genaueren Blick auf die beiden Eindringlinge. Und sie rührten sich keinen Schritt von der Stelle, während er so langsam wie möglich vorbeischlenderte.

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Béarisean studierte zum mindestens dreißigsten Mal an diesem Tag von der Brücke aus die Beschaffenheit des Grabens unter ihm. Er hatte starke Bedenken, dass sie wirklich an der richtigen Stelle warteten. "Quelle" schien eine bodenlose Übertreibung zu sein für das Rinnsal, das sich da durch die gemauerte Seitenbefestigung des sonst fast ausgetrockneten Grabens presste. Ansonsten gab es nur ein paar Blätter und dürre Zweige. Es war ein sehr unwahrscheinlicher Platz für so ein Treffen. Wie ganz Arda ein unwahrscheinlicher Ort war, einen Ritter zu finden. Und diese alten Schriften, die Kurt und er nach monatelangem Suchen in den Archiven von Bibliotheken und Universitätsfakultäten aufgestöbert hatten, die waren genau genommen  recht vage gewesen. Sie stützten sich doch in Wahrheit nur darauf, weil die Zeit drängte. Abhaileon schien weiter entfernt denn je. Leise sagte er: „Mein König, wenn diese ganze Geschichte mit der Weissagung nicht doch barer Unsinn ist, dann lass schnell etwas geschehen.“ Dann drehte er sich um - und sah den näherkommenden Spaziergänger.

Er fühlte sein Herz schneller schlagen und fragte sich, warum das so war. So ungewöhnlich sah der Fremde nicht aus. Eigentlich unterschied ihn nichts von den vielen anderen, die sie heute schon gesehen hatten. Ein dunkelhaariger, schlanker junger Mann. Und doch. Wie er da so die Stelle, an der sie warteten, im Blick behielt. Sein Schritt wurde immer langsamer, als warte er darauf, dass etwas geschehe. Gleich musste er zu ihnen herüberkommen. Vielleicht würde er sie grüßen, das entscheidende Wort sagen. Aber nein, nur ein kurzes Zögern. Ein letzter, fast hoffnungsvoll scheinender Blick in ihre Richtung, und der andere ging weiter.
Béarisean blickte auf Kurt. Dem schien nichts aufgefallen zu sein. Béarisean raunte ihm zu: „Er ist es! Sag etwas!“ Kurt zögerte. Der Fremde schlug einen schnelleren Schritt an. Béarisean fühlte Panik in sich aufsteigen. Etwas in ihm war er felsenfest überzeugt, dass das der Augenblick war. Er zischte Kurt zu: „Wenn dir nichts einfällt, dann rufe ich laut „Ritter Anno, hier sind wir!“

„Bist du des Wahnsinns?“ raunte Kurt zurück. Aber er sah, dass Béarisean es ernst meinte. Das war ein wenig überraschend bei dem jungen Abhaileoner, der sonst immer etwas unsicher wirkte. Kurt selbst war in Sorge, ein Risiko eingehen. Der Gegner war ihnen schon dicht auf den Fersen. Dennoch, diese Chance zu verpassen, konnte noch verheerender sein.

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Croinathír, Hauptstadt Abhaileons
Ciaran sah sich mit funkelnden Augen um. Doch es zeigte sich kein neuer Gegner. Angus war einer der bekanntesten Schläger in ganz Croinathír, ein breitnackiger Bursche. Gewöhnlich wagte niemand, sich mit ihm und seinem Freund Donald anzulegen. Aber jetzt lag Angus bewusstlos auf dem Boden der Schenke. Nach Ciarans Meinung mussten ein paar seiner Rippen gebrochen sein, nichts Ernsteres. Wenn er nur sein Schwert hätte ziehen dürfen! Doch schon allein die Vorstellung war ungeheuerlich. Es wäre vermutlich sein letzter Tag als Offizier der Palastwache gewesen.
Das hatten die Kerle natürlich gewusst. Sie waren in der Überzahl gewesen. Knapp zwei Dutzend gegen sechs Mann der Palastwache. Jetzt waren nur noch acht von ihnen in der Schankstube. Keiner von ihnen noch  auf den Beinen. Die anderen, unter ihnen Donald,  hatten das Weite gesucht. Ciaran sah sich schnell um. Von den anderen Gardisten schien keiner mehr als ein paar blaue Flecken davongetragen zu haben. Auch der Sachschaden hielt sich wohl in Grenzen. Er gab den Gardisten einen Wink, aufzuräumen, richtete seine Uniform und bot dem Wirt die Münzen für das zerbrochene Geschirr an.

Der Wirt wollte abwinken, doch Ciaran wusste nur zu gut, was ihm selbst bevorstand, selbst wenn er jeden Schaden akribisch bereinigen würde. “Für den Tisch und die Stühle ist niemand von uns verantwortlich”, fügte er hinzu.
Der Wirt nickte kurz und warf einen raschen Blick auf Angus, der sich jetzt stöhnend den Kopf rieb. “Ich habe gesehen, auf wen das ging. Er hat Euch mit dem Tischbein von hinten angegriffen, Hauptmann. Während Ihr mit einem seiner Kumpane geredet habt.” Er zuckte mit den Schultern. „Ich nehme an, Donald wird für das aufkommen.“
Damit hatte er wahrscheinlich recht. Es gab jede Menge Zeugen für den Ablauf, und Donald würde es sich den Folgen seines Handelns nicht entziehen können. Unter der Regierung Estohar von Tarims herrschte strikte Ordnung in der Hauptstadt.

Ciarans Schulter schmerzte noch immer. Es war ein heftiger Schlag gewesen. Nur durch Zufall war nicht sein Kopf getroffen worden. Doch auch Angus würde seinen Fehler so schnell nicht vergessen. Ciaran war kein Hüne wie er, aber einer der geschicktesten Kämpfer der ganzen Stadt. Nicht nur mit dem Schwert. Es hatte nur wenige Sekunden gedauert, bis er seine Widersacher außer Gefecht gesetzt hatte. “Ich werde dem Kommandanten selbst Bericht erstatten”, sagte er.
Einer der Gardisten blickte besorgt auf. “Wir haben nicht damit angefangen, Hauptmann.”

Ciaran wusste, dass dieses Argument bei Estohar, ihrem Befehlshaber, nicht auf fruchtbaren Boden fallen würde. “Ich werde alles genau berichten, möglichst bevor den Kommandanten Gerüchte erreichen.”
Die Tür von der Straße öffnete sich. Zwei Männer der Stadtwache kamen herein und verschafften sich schnell einen Überblick. Sie waren nicht allzu gründlich, als sie die Männer der Palastgarde sahen. 
Ihnen auf den Fersen folgte Neill, ein anderer Offizier der Palastwache.
“Eine Meinungsverschiedenheit”, sagte Ciaran. “Es hat sich schon alles geklärt.”
Der Wirt wies mit einer Kopfbewegung in Richtung des bewusstlosen Angus: „Er ist für die Sachbeschädigung verantwortlich.“
Einer der Stadtgardisten nickte. „Wir nehmen ihn mit. Er kommt erst wieder raus, wenn er zahlt.“
Ein anderer schnaubte. „Oder wenn einer seiner ‚Freunde’ es für ihn tut.“

Ciaran verließ den Raum zusammen mit Neill. Sein Kamerad seufzte: “Was ist diesmal passiert?”
“Wir waren schon öfter hier, wenn wir dienstfrei hatten”, erklärte Ciaran. “Die anderen sind aus Dalinie wie ich.”
Neill nickte. Es gab nicht viele Dalinianer in der Hauptstadt Abhaileons. Dalinie war zwar schon von jeher offiziell Teil Abhaileons und nichts Äußerliches unterschied seine Einwohner von denen der zentralen Provinzen. In den Jahrhunderten seit Colin dem Großen hatte es auch keine kriegerischen Konflikte mehr zwischen der großen Ostprovinz und dem Kernland gegeben. Dennoch wahrten Dalinianer größeren Abstand zu allen anderen als selbst die fremdartigen dunkelhäutigen Imreacher aus dem Süden.

Ciaran hatte keine engeren Freunde. Er brauchte es wohl gelegentlich, wenigsten mit anderen zu sprechen, die aus der gleichen Provinz kamen. Überraschenderweise wurde er stets sowohl als Offizier wie auch als Kamerad akzeptiert. Dieses Kunststück gelang nicht vielen. 
Der junge dalinianische Offizier strich sich seine widerspenstige Stirnlocke aus dem Gesicht. “Donnacha muss davon gehört haben, oder Turgan. Wir hatten uns heute kaum getroffen, als auch schon ein paar ihrer Leute hereinkamen. Sie rissen Witze über Estohar als Ratsvorsitzenden und versuchten uns zu provozieren.”
“Das scheint ihnen gelungen zu sein”, bemerkte Neill trocken.

“Es ging wirklich zu weit”, erklärte Ciaran. “Schließlich stand ich auf und sagte dem Unverschämtesten, dass das so nicht weitergeht. Prompt ging die Schlägerei los; sie wussten sich in der Übermacht.”
“Estohar wird das nicht gefallen.”
Ciaran warf ihm einen leicht resignierten Blick zu. “Darüber bin ich mir vollkommen im Klaren.”

******

Schon war Robin dabei, missvergnügt die letzte Station seines Weges, den alten, halb verfallenen Feldwachtturm anzusteuern. Aber als er einen letzten Blick zurückwarf, trat einer der beiden Männer unter der Weide hervor und winkte ihm zu. „Entschuldigen Sie bitte“, begann er mit zögernder Stimme.

„Ja?“ antwortete Robin fragend und ging wieder zurück Richtung der Weide. Jetzt sah er auch den zweiten der Fremden. Sein Herzschlag beschleunigte. Das musste der Reiter sein, den er kurze Zeit zuvor beobachtet hatte, denn der zweite trug den ungewöhnlichen Mantel. Kniehohe Stulpenstiefel ließen ihn noch abenteuerlicher erscheinen. Seine ganz gewöhnlichen Jeans sprachen jedoch dafür, dass er doch nicht ganz ins Reich der Sagen gehörte. „Ob es wohl eine Gelegenheit gibt, ihn zu fragen, wo er diesen Mantel her hat?“ überlegte Robin. Er musste ein wenig über sich lächeln; das war wieder ein Versuch, möglichst realistisch zu bleiben.

Es war der Reiter, der weiter sprach. „Dies hier ist doch die Heilige Quelle“, sagte er - mehr als ob es sich um eine Tatsache, als um eine Frage handle.

Robin war verwundert. Bisher hatte er nie gehört, dass die Stelle überhaupt einen Namen hatte. Auch wenn fast genau unterhalb der Brücke tatsächlich eine Quelle entsprang. Das heißt, entspringen konnte sie nicht. Sie war in einen gemauerten Ablauf gepresst worden, der mit den Jahren verstopft war. Nun drückte sich das Wasser durch die Steine der seitlichen Ummauerung. Er antwortete: „Eine Quelle gibt es hier schon.“ Gerne hätte er noch hinzugefügt, er halte diesen Ort tatsächlich für geheimnisvoll. Aber  es war besser mit solchen Äußerungen äußerst zurückhaltend zu sein. Manche Leute hatten gar keinen Sinn für Sagenhaftes.

Der Fremde ergänzte: „Wir suchen hier nämlich einen Ritter.“ Der Blick des ersten Fremden, der den Sprecher daraufhin traf, sagte nur zu deutlich, dass er dies für keine kluge Aussage hielt.

Eigentlich wollte Robin eine vernünftige Rückfrage stellen wie: „Können Sie mir etwas mehr erzählen über die Person, die sie suchen?“ Es musste schließlich eine ganz normale Erklärung für all das geben. Vielleicht waren das Hobby-Historiker oder etwas derartiges. Stattdessen hörte er sich plötzlich sagen: „Ich glaube, es ist kein Zufall, dass wir uns hier treffen.“

Die beiden Fremden tauschten einen kurzen Blick. Der ältere Mann wirkte zugleich erleichtert und angespannt. Der jüngere jedoch blickte seinen Begleiter geradezu triumphierend an, bevor er sich wieder Robin zuwandte. Er verschränkte die Arme wie zum Gruß vor der Brust, verbeugte sich leicht und sagte: „Anno, Ritter des Königs, wir sind gekommen, um dich zu treffen.“

Der Ältere rief ärgerlich: „Béarisean!“

Béarisean sah ihn ruhig an und schüttelte den Kopf: “Es ist meine Aufgabe, um die es hier geht. – Aber seltsam, dass du diesen Namen nennst, hier und jetzt.”

Kurt biss sich auf die Lippen. Es war lange her, dass er den jungen Abhaileoner mit seinem wirklichem Namen angeredet hatte. Hier war etwas Ungewöhnliches am Werk. War es der Gegner oder eine Macht wie die aus Alandas?

Robin bemühte sich, nicht wie erstarrt dazustehen. Anno war die Kurzform seines zweiten Namens Arnold. Bisher war er nur einmal damit angesprochen worden. In jenem Traum, aus dem er so unbarmherzig wieder erwacht war. Er musste diesmal umsichtiger sein und sich nicht zu sehr auf etwas einlassen, das sich als nicht real erweisen konnte. „Wer schickt euch?“ fragte er leise.

Jetzt zögerte Béarisean und blickte fragend auf seinen älteren Begleiter. Der jedoch schwieg.

Robin wurde verlegen. „Falls Sie wirklich mich suchen sollten“, fügte er möglichst sachlich hinzu. „Anno - Arnold - ist zwar mein Name. Aber das könnte ein zufälliges Zusammentreffen sein. Einen Adelstitel habe ich nicht und noch dazu nur sehr geringe Erfahrungen als Held und Kämpfer“, fügte er mit einem Lächeln hinzu. Und dann, als sei es Teil eines Scherzes. “Dennoch, wenn mich mein König rufen sollte, dann komme ich, wohin auch immer.“

Der ältere Mann musterte ihn nachdenklich. Doch der jüngere - Béarisean? – betrachtete ihn noch aufmerksamer. Mit einem Blick auf seinen Begleiter sagte er: „Ich heiße Béarisean und komme aus Abhaileon. Ich bin hierher gekommen, um dich zu suchen.“

Robin überdachte seine Antwort gründlich; das Gespräch schien ihm wie ein Gang auf dünnem Eis, das jederzeit um ihn herum einbrechen konnte. „Ich habe auf eine solche Nachricht gewartet“, sagte er schließlich. „Dennoch. Von Abhaileon habe ich nie gehört. Wo liegt das?“

Der Ältere hatte währenddessen unruhig die Umgebung betrachtet, und obwohl ihm nichts Beunruhigendes aufgefallen zu sein schien, legte er jetzt eine Hand auf Béariseans Arm und sagte: „Dies hier ist kein geeigneter Ort, um darüber zu sprechen. Du hast noch Vorbereitungen zu treffen. Und es ist besser, ich erkläre dem Herrn hier, nach was wir eigentlich suchen, bevor wir alle voreilige Schlüsse ziehen.“
Béarisean deutete mit einem kurzen Nicken seine Zustimmung an, ohne die Augen von Robin abzuwenden. „Wir treffen uns später wieder, Anno“, sagte er. „Kurt hier weiß besser, was ein Ardaner wissen kann und was nicht.“
Er wollte sich in den Sattel schwingen, als Robin bemerkte: „Mein Rufname ist Robin. Mir wäre es lieber, ihn zu verwenden. Anno, das ist …“ Er schwieg unsicher.

Kurt pflichtete ihm sofort bei. „Das kann ich nur begrüßen. Gehen wir!“ Er wandte sich Robin ganz zu. „Wäre es möglich, die Unterredung bei Ihnen zu Hause weiterzuführen?“

„Dort oder unterwegs“, meinte Robin. „Ich kann Ihnen auch die Adresse geben und wir telefonieren.“

„Kein Telefon“, entschied Kurt bestimmt. „Wenn Sie erlauben, begleite ich Sie.“

Béarisean betrachtete ihn nachdenklich. „Warum bist du plötzlich so besorgt. Wir sind der Aufmerksamkeit des Feindes seit Jahren entgangen. Und noch vor einer Viertelstunde schienst du nicht sehr besorgt, er könne uns gerade jetzt aufspüren.“

Kurt verzog den Mund. „Vor einer Viertelstunde sah es noch so aus, als sei unser Hinweis falsch. Jetzt, da er stimmen könnte …“

„Der Feind“, begann Robin vorsichtig. „Wen genau bezeichnen Sie so?“

„Nicht hier“, drängte der Ältere. „Gehen wir!“
Und sie gingen. Béarean saß auf und trabte mit seinem Pferd davon. Robin schlug den Weg nach Hause ein, gefolgt von dem beharrlich schweigenden älteren Mann.

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