Samstag, 3. September 2011

Kapitel 16.2


Es war nicht der Schmerz allein gewesen. Wirklich strahlte im gleichen Augenblick ein helles Licht in der Dunkelheit auf. Wie aus dem Boden gewachsen stand ein weißgekleideter Ritter mit silberner Rüstung an Ciarans Seite. Sein Schwert leuchtete wie eine helle Flamme, als es auf das Ungeheuer niederfuhr. Die Klinge riß eine tiefe Wunde in die Wolfsflanke. Knurrend sprang das Wesen zurück.
´Gib ihn frei´, forderte der Ritter streng. ´Du hast ihn lange genug gequält!´
´Verrat! Betrug!´ heulte der Dämon auf. ´Du darfst ihm hier nicht helfen. Das ist gegen die Regeln. Geh weg!´
´Du wagst es, mir vorzuwerfen, gegen die Regeln zu verstoßen?´ Die Stimme des weißen Ritters war wie verhaltener Donner in der Stille. „Ich könnte den Krieg erklären für deinen Regelbruch hier! Fort!´ Sein Schwert zuckte in Richtung des Dämons, der sich ängstlich davor duckte. Gegen diesen Krieger hatte er keine Chance. Widerwillig und unter Fauchen und Grollen zog er sich zurück. Mit ihm verging die Dunkelheit. Eine blasse Nachmittagssonne erhellte den Himmel. Der Ritter wischte sein Schwert ab, mit dem er das Ungeheuer verwundet hatte und steckte es wieder in die Scheide. Dann kniete er neben Ciaran nieder, um nach dessen Wunden zu sehen. Der Dämon hatte den Hauptmann übel zugerichtet. Die Kleidung hing in Fetzen von der blutigen Haut. Sein Atem ging nur noch schwach und flach.
´Das war in letzter Sekunde´, sagte der Ritter leise und besorgt. ´Mein Freund, ich werde dich mitnehmen müssen, um dir helfen zu können.´

´Sieh an´, unterbrach ihn eine spöttische Stimme, ´der mächtige Fürst von Alandas höchstpersönlich. Da hätte ich meinem Diener doch fast das lädierte Fell über die Ohren gezogen, als er mit so einer Nachricht sein Versagen entschuldigen wollte. Doch ich sehe, er hat sich tatsächlich nicht getäuscht. Sei gegrüßt, Bruder!´
Ríochan stand langsam auf und drehte sich zu dem schwarzgekleideten Sprecher um, der wenige Meter hinter ihm an einem Felsen lehnte und mit verschränkten Armen die Szene betrachtete. ´Es ist viele lange Zeitalter her, daß wir Brüder waren, Barraid. Auch wenn du noch das Zeichen deines früheren Ranges trägst. - Hast du deinen Standpunkt neuerdings geändert?´ entgegnete er.
Der Schwarze Fürst lächelte amüsiert: ´Der goldene Stirnreif´, spottete er. ´Vasall des großen Königs. Warum sollte ich verzichten auf das, was mir gehört? Doch sei beruhigt, bald werde ich den Reif gegen die Krone eintauschen.´ Der andere Ritter zeigte keine Reaktion auf diese Provokation hin. Barraid trat von der Felswand weg, einen Schritt auf ihn zu: ´Nein, ich habe meinen Standpunkt nicht geändert, Ríochan. Doch mir scheint, du hast deine strikten Ansichten über Recht und Gesetz etwas schleifen lassen. Wie kann ich es mir sonst erklären, daß ich dich in Waffen auf dem Boden Abhaileons sehe?´

Die blauen Augen des Fürsten faßten ihn fest in ihren Blick: ´Wie du sehr wohl weißt, Barraid, hat dein Diener die Dreistigkeit besessen, diesen Krieger hier im Grenzland mit verbotenen Waffen anzugreifen´, sagte er. ´Schon dies allein könnte rechtfertigen, daß ich eingreife. Hinzu kommt, daß der Angegriffene um Hilfe gerufen hat. Das ändert viel.“
Barraid zögerte kurz, dann gab er mit einem Achselzucken zu: ´Nun gut, mein Diener hat seine Kompetenzen im Eifer des Gefechtes überschritten, und ich will mit dir jetzt nicht darüber rechten. Wenn es nötig ist, ihn euch für dieses Vergehen auszuliefern, soll es geschehen. Du hast kein Interesse? Auch gut. Dann würde ich sagen, beide Seiten sind in dieser Angelegenheit quitt.´ Er lächelte geringschätzig. ´Aber nun gehört dieser "Krieger", wie du ihn nennst, mir. Mein Anrecht ist unanfechtbar. Er hat mir in die Hand eines meiner Lords Gefolgschaft versprochen, sich später aber entschlossen sie zu brechen. Ich fordere mein Recht auf ihn ein.
Du solltest mir dankbar sein, Ríochan, daß ich rechtzeitig kam, um dich von einem Schritt zurückzuhalten, der bedeutende diplomatische Konsequenzen gehabt hätte. Du wirst nicht abstreiten können, daß er noch gute zwei Zoll von der Grenze zu Alandas entfernt liegt.´
´Was liegt dir an ihm?´ fragte Ríochan.
´Was liegt dir  an diesem unbedeutenden Häufchen Elend?´ gab Barraid zurück. ´Was mich betrifft, ich gedenke lediglich nicht, meinen Anspruch so ohne weiteres aufzugeben. Oder willst du an mein Mitleid appellieren?´
´Ich weiß, daß das zwecklos wäre´, sagte Ríochan ´Für dich sind die Menschen nur interessant, wenn du sie für deine Ziele oder zur Befriedigung deiner Herrschsucht benutzen kannst. Du verachtest sie.´
´Was erwartest du?´ Barraid zuckte gleichgültig mit den Schultern. ´Sie sind ein Nichts gegen uns. Vergänglicher Staub. Es ist mir unbegreiflich, was ihr alle ein Aufhebens mit ihnen macht. Du liebst es geradezu, sie als deinesgleichen zu behandeln. Schau dich nur an, in welcher Gestalt du hier erschienen bist.´
Ríochan lächelte: ´Du bist dazu verurteilt, die Wahrheit zu sprechen, ohne sie zu erkennen. Es hat tatsächlich viel, sehr viel mit Liebe zu tun. Du weißt, der König selbst ...´
´Verschone mich damit´, unterbrach Barraid. ´Es ist abscheulich, nur daran zu denken, daß jemand so wenig auf seine Ehre und Würde geben kann.´
´Zudem´, bemerkte Ríochan höflich, ´bedienst du dich selbst gerade jener verachtenswerten Gestalt.´
´Ich habe gute Gründe dafür, nobler Fürst´, gab Barraid süffisant zurück, ´die dir nicht ganz unbekannt sein dürften. Sympathie oder Liebe gehören nicht dazu. Nun, laß uns zur Sache kommen!´

´Ich bin bereit, auf einen Handel einzugehen´, sagte Ríochan sachlich. ´Das war doch der Grund, warum du das alles hier in Szene gesetzt hast.´
´Dieses Mißtrauen ist wirklich verletzend, mein stolzer Fürst´, spottete Barraid. ´Zu glauben, daß ich einen solchen Zwischenfall provoziere! Aber ich bin heute großzügig aufgelegt und gehe daher auf dein Angebot ein. Als Ausgleich dafür, daß ich jegliches Recht auf diesen meineidigen Deserteur aufgebe, verlange ich lediglich, daß mir ein anderer Ausreißer zurückgegeben wird, der sich seit einiger Zeit in deinem Reich herumtreibt. Er kam mir hier in Gleann Fhírinne abhanden, als ich dir einen freundschaftlichen Besuch abstatten wollte.´
´Der Preis ist hoch für ein "unbedeutendes Häufchen Elend"´, bemerkte Ríochan kühl.
´Du erstaunst mich Ríochan´, sagte Barraid sanft. ´Ist es nicht eine der Maximen deiner Seite, daß kein Preis zu hoch ist für das Leben eines Menschen? Zudem kann ich mich des Verdachtes nicht erwehren, daß du an diesem Exemplar hier besonders interessiert bist. Stellen wir einmal rein hypothetisch in den Raum, ich hätte es tatsächlich darauf abgestellt gehabt, daß einer deiner Leute eingreift, weil mir, sagen wir einmal, bekannt ist, daß dieser Mensch in euren Plänen irgendeine Rolle spielt. Dann war es von dir recht unklug, selbst einzugreifen und mir so zu bestätigen, wie wichtig er dir ist. Zweifellos warten auch jetzt noch ein paar deiner Krieger in der Nähe, die du hättest schicken können. Ich kenne dich doch. - Entscheide dich. Ich nehme den Rappen oder den Mann. Mein Wort steht.´
´Du sollst den Rappen haben´, sagte Ríochan. ´Übermorgen, gegen nachmittag, an der Quelle der Uibhne.´
Barraid lachte laut. ´Nimm deinen "Krieger“! Gibt es einen besseren Beweis für eure Unfähigkeit, als daß du auf so einen Tausch eingehst? Der Krieg ist so gut wie verloren für dich, Ríochan, noch bevor er begonnen hat. Dann bis übermorgen.´ Sein Lachen dröhnte noch zwischen den Felsen, als er davonging.

Ríochan schaute ihm schweigend nach. Auf seinen Wink hin traten drei weitere Krieger aus dem Torbogen hervor. Sie trugen Rüstungen, aber keine Waffen.
Der erste von ihnen beugte sich sogleich über den reglos daliegenden Ciaran. ´O wie wünschte ich, daß die Zeit zum Kämpfen endlich gekommen wäre!´ rief er dann zornig. ´Wie lange noch müssen wir die Untaten und Unverschämtheiten dieser Abtrünnigen tatenlos erdulden? Seht wie die Bestie den Armen zugerichtet hat!´
´Ja´, fiel eine zweite Stimme ein. Die Augen der rotblonden Kämpferin funkelten streitlustig. Mit einer zornigen Bewegung schüttelte sie die langen Haare zurück, die ihr ins Gesicht gefallen waren, als sie sich ebenfalls über Ciaran beugte. ´Und nicht nur das. Hättet Ihr es nicht strikt untersagt, mein Fürst, hätte ich diesem Schurken gerne mit meinem Schwert beigebracht, Euch mit mehr Respekt zu begegnen.´
Über das Gesicht des Fürsten glitt ein flüchtiges Lächeln. ´Deine Tollkühnheit wäre dir schlecht bekommen, Michas. Es gibt wenige, die ihm an Macht überlegen sind. Zudem konnte er sich in diesem Fall auf das Recht stützen.´
´Was ist das für ein Recht, das den Verbrecher gegenüber dem Gerechten bevorteilt!´ rief Michas leidenschaftlich, um dann beschämt den Kopf zu senken, als sie den strengen Blick des Fürsten sah. ´Ich weiß, es steht mir nicht zu, das zu beurteilen. Ich bitte um Verzeihung. Es muß gut und richtig sein, wenn es der König befiehlt. Aber manchmal ist es einfach schwer zu begreifen.´
´Wer sagt denn, daß dieser Verräter nicht lügt?´ wandte der dritte der Kämpfer ein. ´Es gelingt ihm doch immer wieder, alle Tatsachen so zu verdrehen, daß sie für ihn zu sprechen scheinen.´
Ríochan schüttelte den Kopf. ´In diesem Fall war ein gut Teil Wahrheit dabei´, sagte er. ´Er hat seine Schläge sehr geschickt vorbereitet.´
´Zumindest in einem hatte er recht´, sagte der erste. ´Ihr hättet einen von uns schicken sollen. Was braucht Ihr Euch mit diesem Verräter abzugeben.´
´Tael´, mahnte Ríochan sanft. ´Hätte ich das wirklich tun sollen? Keiner von euch hatte auch nur mit ihm direkt zu tun, und schon ist unter euch Empörung gegen das Wort des Königs und gegen meine Entscheidungen gewachsen. Auch hast du kein Recht, ihn mit Worten verächtlich zu machen; einmal war er der Größte unter uns und noch jetzt kann sich kaum einer von uns mit seiner Macht messen.´
Tael und die beiden andern senkten den Blick. ´Weiterhin´, fuhr Ríochan fort, ´ist es meine Pflicht, die Verantwortung auf mich zu nehmen, wenn etwas an der Grenze der Legalität geschehen muß wie hier.´ Er hatte sich währenddessen wieder über Ciaran gebeugt, den zerschundenen Kämpfer in seinen eigenen mit weißem Pelz besetzten Mantel gehüllt und ihn vorsichtig aufgehoben. ´Sucht das Pferd dieses Ritters und seht nach, ob sich noch etwas von Barraids Gelichter hier herumtreibt. Und keine Auseinandersetzungen!´ Er trug Ciaran durch den steinernen Torbogen und kaum hatten sie ihn durchquert, waren beide nicht mehr zu sehen. Die Krieger des Fürsten beeilten sich, dessen Auftrag nachzukommen. Schlucht und Talkessel lagen leer und verlassen, als die Sonne unterging. Nur die Splitter eines zerbrochenen Schwertes und einige Blutflecken erinnerten noch an die dramatischen Ereignisse.

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Als Ciaran die Augen wieder aufschlug, fiel ihm als erstes die Helligkeit auf. Das Licht eines schönen und klaren Sommermorgens. Mühsam versuchte er, sich zu erinnern. War da zuletzt nicht Dunkelheit um ihn gewesen? Er schloß die Augen wieder. Dunkelheit, Grauen, Schmerz - ein Dämon. Nein, das mußte ein Alptraum gewesen sein. Wenn ihn dieses Ungeheuer tatsächlich in den Klauen gehabt hätte, müßte er wohl jetzt noch die Schmerzen fühlen. Er versuchte vorsichtig, seine rechte Hand zu bewegen. Die, die das Ungeheuer zwischen seinen Zähnen zerbrochen hatte. Sie schien in Ordnung zu sein. Da war noch ein dumpfer Schmerz in der Brust, aber als er mit der Hand daran rührte, war die Kleidung intakt. Die Haut darunter wohl auch. Aber wo hatte dann die Wirklichkeit geendet und der Traum begonnen? Mit Estohars Bericht über die beiden Ritter oder mit dem Tag, als er zu Restacs Bande stieß oder erst mit jener letzten Wegstrecke nach Gleann Fhírinne? Seine Gedanken waren noch zu verwirrt; die Erinnerung würde wohl zurückkehren, wenn er aufstand. Er mußte verschlafen haben, da es bereits so hell war. Er rollte sich auf die linke Seite und öffnete erneut die Augen. Die Sonne schien warm und freundlich auf grüne Bergwiesen. Er roch Blumenduft. Weiter in der Ferne ragten hohe Bergketten auf. Sie schimmerten bläulich in der klaren Luft. Zwischen jenen Bergen und ihm mußte ein tiefes Tal liegen. Seltsam, er konnte sich nicht erinnern, je an diesem Ort gewesen zu sein. ´Wo bin ich nur?´ sagte er laut zu sich selbst.
´In Sicherheit, Ritter Ciaran. An einem Ort, wo keine Wesen der Nacht dich behelligen können. Erinnerst du dich nicht, daß du das Tor nach Alandas durchquert hast?´ erwiderte eine ruhige, klare Stimme.

Ciaran fuhr herum. Eigentlich hatte er aufspringen wollen. Von den letzten Monaten her war er es gewohnt, stets auf der Hut zu sein. Bei der plötzlichen Anstrengung durchzuckte jedoch ein heftiger Schmerz seine Muskeln. Ohne ein leises Aufstöhnen unterdrücken zu können, sank er auf die weiche Decke zurück, auf der er gelegen hatte. Bei genauerem  Hinsehen erkannte er, daß es eigentlich gar keine Decke war, sondern ein kostbarer pelzverbrämter Mantel. Rostbraune Flecken durchsetzten ihn an manchen Stellen. Getrocknetes Blut.  Nun konnte er auch den Besitzer dieses Mantels sehen, der schon die ganze Zeit über an seiner Seite gesessen haben mußte. Er trug weiße, hermelinbesetzte Kleidung und einen silbernen Brustpanzer, in den das Bild eines fliegenden Falken eingraviert war. Die langen dunkelblonden Haare wurden durch einen schmalen, goldenen Stirnreif aus dem Gesicht gehalten. Doch das Faszinierendste waren die Augen des Fremden. Sie waren von einem tiefen, unergründlichen Blau.
Es lag etwas in seinem Blick, das Ciaran auf der Stelle Vertrauen und Bewunderung einflößte. ´Wer seid Ihr, Herr?´ fragte er.
Der fremde Ritter legte Ciaran die Hand sanft auf die Schulter und sagte: ´Nur ruhig, mein Freund. Keine heftigen Bewegungen. Du hast einen schweren Kampf hinter dir, und es wird noch ein wenig dauern, bis die Wunden ganz verheilen.´

Ciaran versuchte erneut, jetzt vorsichtiger, aufzustehen. Mit Unterstützung des Fremden gelang es ihm, sich aufzurichten, ohne daß der Schmerz zu groß wurde. ´Kampf?´ sagte er fragend. ´Ich fürchte, ich erinnere mich nicht mehr genau, was mit mir geschehen ist. Auf das, dessen ich mich entsinne, paßt mehr das Wort Hinrichtung als die Bezeichnung Kampf. Aber meine Erinnerung scheint mich ohnehin zu täuschen, denn wenn das mit mir geschehen wäre, an das ich mich zu erinnern glaube, dann wäre ich jetzt wohl tot und könnte mich kaum mit Euch unterhalten. Was ist geschehen? Und wer seid Ihr, wenn ich diese Frage wiederholen darf? Ihr selbst scheint meinen Namen zu kennen, obwohl ich mich nicht entsinnen kann, Euch bereits einmal begegnet zu sein.´
Die strahlend blauen Augen des Fremden, in denen die Wärme des Sommerhimmels zu wohnen schien, blickten ernst. ´Deine Erinnerung täuscht dich nicht´, sagte er, wiederum ohne die Frage nach seinem Namen zu beantworten. ´Du bist durch Gleann Fhírinne gekommen und kurz bevor du durch das Tor treten konntest, versuchte einer von Barraids Dienern, dich davon abzuhalten.´
´Ich widerspreche Euch ungern´, entgegnete Ciaran. ´Aber dann täuscht mich meine Erinnerung doch. Denn ich weiß nichts von einem Kampf mit einem der Schwarzen Reiter. Wenn ich wirklich durch Gleann Fhírinne gekommen bin und also meiner Erinnerung soweit trauen darf, dann hielten sich dort keine von Barraids Männern mehr auf. Ich habe die Umgegend sorgfältig erkundet. Ich weiß nur noch, daß mir ein seltsamer großer Wolf, von dem ich bereits vorher bemerkte, daß er sich in der Gegend herumtrieb, mir in die Schlucht folgte. Es zog ein Unwetter herauf, denn der Himmel wurde pechschwarz. Und dann, dann beginnt sich alles zu verwirren. Mir war - das habe ich wohl geträumt - als verwandle sich der Wolf plötzlich in einen Dämon und zerbreche allein mit einem Wort mein Schwert, und ich müsse hilflos zulassen, daß er mich in Stücke reißt. Es war entsetzlich. - Aber´, fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu, ´glücklicherweise war das nur ein Traum, wenn auch ein übler.´

´Es war kein Traum´ sagte der fremde Ritter. ´Es war alles genauso, wie du es beschrieben hast. Einer von Barraids Dämonen ist dir gefolgt. Ich sah euch beide kommen. Aber ich hatte keine Möglichkeit, dir zu helfen, ehe du die Grenze meines Landes überschrittest. Du hattest dich leider unter die Macht dieses finsteren Wesens begeben. Doch du hast tapfer gekämpft, und als du dann genau an der Grenze meines Landes den König um Hilfe anriefst, da hatte ich die Möglichkeit, das Schlimmste noch zu verhindern.´
´Unter die Macht dieses Wesens begeben!´ rief Ciaran. ´Wie konnte das geschehen? War es, weil ich das Tor durchqueren wollte, ohne eine Berechtigung zu haben?´
Der weiße Ritter blickte ihm gerade in die Augen. ´Das war es nicht; deine Ankunft hier war erwartet. Aber es sollte mich sehr wundern, hättest du vergessen, was dich in diese Lage brachte.´ In seiner sonst so freundlichen Stimme schwang Schärfe.
Ciaran blickte schuldbewußt zu Boden. Er wußte nur zu genau, was ihn in diese Schwierigkeiten gebracht haben musste. ´Ich habe das alles mehr als verdient´, sagte er niedergeschlagen. ´Das einzige, was ich zu meinen Gunsten vorbringen kann, ist, daß ich nicht wußte, was ich tat, bevor es zu spät war. Als ich zu Restacs Bande stieß, verlangte ein Lord Fíanael, von mir, ich solle den Schutzherrn dieser Räuber, einen Fürsten von Winian, als Lehnsherrn anerkennen. Ich hatte keine Ahnung, daß sich hinter diesem Namen Barraid verbarg. Das fand ich erst später heraus. Da war es zu spät, mein Wort zurückzunehmen. - Vielleicht hättet Ihr mich besser dort in der Schlucht sterben lassen sollen. Ich hoffte, das alles hinter mir zu lassen, als ich nach Gleann Fhírinne kam. Aber es scheint die Vergangenheit wird mir keinen Frieden lassen, bevor ich meine volle Schuld bezahlt habe. Könnt Ihr mir raten, was ich tun soll? Gibt es eine Möglichkeit, das wiedergutzumachen?´ Seine Stimme wurde verzweifelt. ´Ich möchte so gern dem König dienen. Und gerade bei dem Versuch, das zu tun, bin ich da hineingeraten. Ist es jetzt überhaupt nicht mehr möglich?´

Sein Retter lächelte. ´Es ist möglich´, sagte er. ´Du bist hierher gekommen, und die Vergangenheit wird keine Macht mehr über dich haben. Das ist alles in Ordnung gebracht.´
Ciaran schloß einen Augenblick die Augen und atmete tief ein. ´Ist das wirklich wahr?´ fragte er. ´Ich bin frei?´
Der weiße Ritter nickte. Ciaran schwindelte es. Erst jetzt wurde er sich ganz darüber klar, welch schwerer Alpdruck auf ihm gelastet hatte. Er verbarg sein Gesicht in den Händen und ein Schluchzen schüttelte ihn. Der Ritter nahm ihn mitfühlend in die Arme, und Ciaran stützte dankbar seine Stirn auf dessen Schulter.

´Aber´, fragte er nach einer Weile, ´werden die Ritter des Königs überhaupt mit mir zu tun haben wollen, nach allem, was geschehen ist?´
´Warum sollten sie nicht´, antwortete sein Retter. ´Du bist gerade auf dem besten Weg, den Absichten des Fürsten Barraid ernsthaft in die Quere zu kommen. Kein Dämon hätte sich soviel Mühe gemacht mit jemandem, der den dunklen Mächten direkt oder indirekt in die Hände arbeitet. Das bleibt meist denen vorbehalten, die im Prinzip auf der richtigen Seite stehen.´
´Ich danke Euch´, sagte Ciaran. ´Eure Worte geben mir neue Hoffnung, auch wenn es mir schwer fällt zu glauben, daß das alles wahr ist. Doch Ihr scheint auch über andere erstaunliche Fertigkeiten zu verfügen oder übertreibt mein Gedächtnis den Zustand, in dem ich mich gegen Ende des "Kampfes" befand?´ Bei der Erinnerung zurück an diese dunkle Stunde schauderte ihm.
´Du warst dem Tod nahe´, sagte der weiße Ritter ernst. ´Hätte ich dich dort zurückgelassen, wäre es zu spät für dich gewesen. Doch hier in Alandas besitzen wir größere Möglichkeiten zu heilen..´

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