Es war ein regnerischer Nachmittag als Lord Reginald zurückkehrte. Viel war seit seinem Weggang geschehen. Er hatte auf dem Weg zurück den Umweg durch Roscrea wählen müssen. Der Norden von Eannas war nun Feindesland. Jeder dort würde inzwischen wissen, unter was er seine Unterschrift gesetzt hatte, und niemand dort würde Gerüchten glauben, dass gerade er sich mit Lassalle entzweit habe.
Auf der Roscrea-Seite war alles relativ friedlich gewesen. Vielleicht abgesehen davon, dass die menschenleeren Wälder nahe der Grenze nicht ganz so menschenleer gewesen waren wie sonst. Flüchtlinge hatten provisorische Lager aufgeschlagen. Restac schien seine Männer weitgehend aus dem Süden der Provinz abgezogen zu haben. Darüber hinaus gab es Anzeichen, dass wieder Ordnung in Roscrea einkehrte. Kleine Patrouillen aus den zuständigen Lordschaften sorgten für Ordnung und Verpflegung.
In den Lagern erfuhr er alles Wissenswerte. Ruandor hatte ein Waffenstillstandsabkommen mit dem Edrinbund und hatte gegen Gearaid samt seinen Verbündeten einen Arrestbefehl auf ruandorischem Boden erlassen. Ein bemerkenswerter diplomatischer Erfolg für Arnim, er musste dort ein paar sehr schlagende Beweise vorgelegt haben. Roscrea war ebenfalls ein Abkommen eingegangen durch den Statthalter für Fürst Ros, den Lord von Illaloe. Über den Inhalt gab es nur Spekulationen. Aber es war unumstritten, dass es nicht zu Gunsten von Gearaid war. Seitdem er es wusste, machte Reginald sich nicht viel Mühe, sein Ziel zu verbergen. Ganz ließ er die Vorsicht nicht fallen, er musste in der Nähe von Ceannacht vorbei. Da war es besser, wenn sein Name nicht genannt wurde. Er hörte, dass die Truppen des Edrinbundes den ganzen Süden ohne Widerstände eingenommen hatten, dass der Kampf um den Osten und Escaile im Gange war, und dass beides bald fallen würde. Hier im Osten lagen ohnehin auch Raleigh und Lesick. Auch Finnain und Eamain hatten ihre Burgen dort.
Er erfuhr, dass Rudin von Orthaí seinen Titel eingefordert hatte und vom Edrinbund anerkannt worden war. Der Widerstand unter seiner Leitung hatte einen Vertrag mit Edrin. Ein Bündnis behaupteten einige, nur ein Waffenstillstand wiegelten andere ab. Rudin schien sehr beliebt unter den einfachen Leuten. Manche sprachen von ihm als dem künftigen Fürsten. Das war natürlich lächerlich. Rensdal und die anderen mochten Rudin tolerieren, aber sie würden ihm nicht folgen. Doch was wussten die Bauern.
Über Arnim und den Regenten gab es zahlreiche Gerüchte. Die meisten hatten gehört, dass Lassalle seit jenem Treffen ein anderer war. Über die meisten dieser Geschichten hätte Reginald am liebsten geflucht, geweint oder ein paar der Dummköpfe für immer zum Schweigen gebracht. Besser noch alles. Mit den wirklichen Ereignissen hatte, was erzählt wurde, wenig zu tun, doch das Ergebnis, das sie nannten, war leider wahr genug: Lassalle hatte sich für den König und den Regenten erklärt. Er warf den Erzählern nur finstere Blicke zu, die sie manchmal tatsächlich zum Verstummen brachten. Die meisten schrieben seinen Missmut jedoch Lassalles Ruf zu. Es war schwer sich vorzustellen, dass er sich geändert haben solle, gestanden sie zu. Andererseits, der Regent ...
Der Regent. Überall: der Regent. Er hörte Unglaubliches über diesen Dalinianer. Und da er wusste, wie es wirklich gewesen war, in der Nacht des Vulkanausbruchs, hatte er Beweise, dass das meiste haarsträubende Übertreibungen sein mussten.
Lesick lag ihm am nächsten, als er endlich relativ weit im Süden die Grenze passierte. Die Kämpfe hatten sich, wie es schien, schon weiter nach Norden verlagert. Zudem lag die Burg auf dem direkten Weg nach Edrin für ihn, für den Fall, dass Arnim immer noch dort war. Als er sie erreichte, herrschte dort ein ziemliches Getümmel. Einzelne Boten und bewaffnete Trupps kamen und gingen. Niemand beachtete ihn sonderlich, bis er in den Burghof hineinritt. Die Wachen am Tor hatten ihn erkannt und kommentarlos durchgelassen.
Dort im Hof stieß er auf Elgin, der dem Anführer eines der aufbrechenden Reitertrupps gerade noch ein paar Anweisungen erteilte. Er blieb abwartend in der Nähe stehen, bis der Lord von Berais nach seinen letzten Befehlen aufsah und ihn erblickte. „Reginald!“ sagte er. Er klang erschrocken. Sich sichtlich zusammennehmend fügte er hinzu. „Du siehst übel mitgenommen aus.“
Reginald antwortete nicht darauf. Er wusste, dass die letzten Tage und Wochen ihre Spuren hinterlassen hatten. Er hatte Gewicht verloren und sein Blick war meistens finster. „Wo ist Arnim?“ fragte er rau.
„Es ist gut, dass du zurückkommst“, sagte Berais statt einer Antwort. „Du hast mehr Erfahrung als die meisten von uns, was den Krieg hier angeht.“
„Ich fragte nach Lassalle, Berais“, schnappte Rina ihn an.
„Er ist hier. Du findest ihn im Ratssaal. Wir sind ...“
Reginald wandte sich nur einfach ab und ging in das Hauptgebäude.
Elgin kam ihm hinterher. „Jetzt hör mal, Reginald“, sagte er verärgert. „Das ist keine Art, so hier aufzutauchen! Wir sind hier nicht auf Rina!“
„Ich wüsste nicht, dass du auf Lesick befiehlst.“
„Rieken ist in Raleigh, zusammen mit Niko und Eamain. Arnim sollte auch dort sein, aber anbetrachts der Umstände.“
„Welche Umstände? Scheut er neuerdings den Kampf?“
„Wärst du etwas länger in Edrin geblieben, würdest du nicht fragen. Er hat Niko gesagt, was hinter der Sache damals steckte.“
„Dieser Bund ist also so schnell zerbrochen?“ schnaubte Reginald abfällig. „Noch am gleichen Abend! Davon hörte ich noch nichts unterwegs.“
„Nichts ist zerbrochen!“ schnappte Elgin, der allmählich auch gereizt wurde, zurück. „Niko hat seine Abrechnung auf die Zeit nach dem Krieg verschoben. Die Front ist derzeit bei Raleigh, aber es wäre unter den gegebenen Umständen nicht das Klügste gewesen, das Hauptquartier gerade dorthin zu verlegen.“
„Trotzdem“, knurrte Reginald, „zusammen mit Rieken und Eamain? Rieken hat nie wirklich dazu gehört. Er ...“
„... hat voriges Frühjahr versucht, Arnim beiseite zu räumen, wie an jenem denkwürdigen Abend herauskam. - Rieken steht fest zu uns, und er kann andere gut überzeugen. Er ist genau richtig dort. Und Eamain ist äußerst überlegt, falls es Rieken daran gelegentlich mangelt. Keiner von uns wird diesen Eid von Edrin brechen. Was ist mit dir?“
„Sieht aus, als habe ich an dem Abend etwas verpasst“, murrte Reginald. „Du siehst, ich bin wieder hier.“
„Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich hier sehe“, entgegnete Elgin. „Mit dir geht eine Dunkelheit.“
„Du hattest schon immer so eine poetische Ader“, spottete Reginald. „Mit mir geht eine Dunkelheit! Ich habe weite und einsame Ritte hinter mir mit düsteren Gedanken als Begleiter. Falls du das meinst.“
„Vielleicht“, sagte Elgin unsicher. „Wo warst du eigentlich?“
„Nur in Niemandsland jenseits aller Provinzgrenzen. Bis ich mich entschlossen habe zu kämpfen. – Hier drin?“
Elgin nickte. „Es war eine wichtige Besprechung. Danach überdenkt er gerne alles nochmals allein.“
„Ach, tatsächlich?“ fauchte Reginald. „Ist mir ganz neu.“ Der andere murmelte etwas Entschuldigendes.
Reginald riss die Tür auf, ohne anzuklopfen. Ja, da war er. Wieder trug er Blau und Silber. Er schien die langen Jahren, in denen er die Farben gemieden hatte, aufholen zu wollen. Sein Blick war zornig über die Störung, doch klärte sich sofort, als er den Lord von Rina erblickte. Er machte eine Kopfbewegung zu Elgin hin, der sie etwas zögernd alleinließ und die Tür hinter sich schloss. „Reginald“, sagte er dann und ging auf ihn zu. „Ich habe dich sehr vermisst.“
„Wirklich?“ sagte sein Cousin kühl. „Genug um den Irrsinn mit dem König zu vergessen und alles wie früher werden zu lassen?“
„Als hätte ich meine rechte Hand verloren“, sagte Lassalle ernst, „oder ein Stück meines Herzens. Doch dem König werde ich dienen, gleich was es mich kostet.“
Reginald wandte sich von ihm ab. „Erendar sagte, es werde so sein“, sprach er tonlos in die Leere. „Er sagte, du werdest jedes Wort halten, das du gegeben hast, dem König, dem Regenten, aber auch deine Freundschaft bestünde noch.“
„Wie kannst du zweifeln?“ sagte Lassalle ruhig. „Nach all diesen Jahren. Wie sollte ich dir alles vergessen haben, wenn ich auch nur irgendeine Treue halte. – Ich vermutete, dass du zu Erendar gehen würdest.“
„Es ist nicht möglich, allem die Treue zu halten. Mit dem einen neuen Wort, das du hältst, zerbrichst du ein älteres.“
„Dennoch kamst du zurück?“
„Erendar sagte, ich müsse sofort zurück, wenn ich nicht Unheil über uns beide bringen wolle.“
„Ich würde ihm wirklich gerne einmal begegnen“, sagte Lassalle. „Das heißt, du bleibst, auch wenn ich dir nicht alles geben kann, das du dir wünschen würdest?“
„Ich werde bleiben“, sagte Reginald immer noch abgewandt. „Mir wurde klar, dass ich kämpfen muss um das, was mir etwas bedeutet.“
„Kämpfen mit wem?“ fragte Lassalle. „Nein, du brauchst nicht zu antworten. Vielleicht wirst du sehen, dass all diese Kämpfe schon entschieden sind. Bis dahin, sei willkommen, wie auch immer du hier sein kannst.“ Er war ganz an ihn herangetreten und legte eine Hand auf seine Schulter.
„Fass mich nicht an!“ Es war fast ein Schrei. Es war schwer zu sagen, was da in Reginalds Augen so wild aufblitzte, als er sich dieser Hand entriss, ob Hass, Verzweiflung, Zorn, Hoffnungslosigkeit oder ein anderes heftiges Gefühl.
„Du hast recht“, sagte Arnim. „Manche Dinge sind wohl zu schmerzlich.“ Er griff an seinen Gürtel und holte aus einer kleinen Tasche den Siegelring von Rina hervor und hielt ihn Reginald auf der flachen Hand hin. „Dies hier ist wirklich dein. Wirst du mit uns kämpfen gegen Gearaid und die anderen?“
Reginald presste die Lippen zusammen, doch dann nickte er und nahm den Ring von Lassalles Hand und steckte ihn zurück an seinen Finger. „Gegen Gearaid. Darauf gebe ich jeden Eid. Gegen Wilgos! Gegen Renad! Gegen jeden von den dreckigen arroganten Hunden!“
Als Ingvar eine Stunde später mit der Nachricht kam, dass sie jetzt Escaile fest in der Hand hatten, fand er die beiden in einer Diskussion über die weitere Kriegsführung. Ab da schien es fast, dass alles wieder beim alten war. Reginald nahm an allen wichtigen Beratungen teil und war meistens in Lassalles Nähe. Gleichzeitig wusste jeder, dass nur an der Oberfläche alles so positiv erschien.
Ingvar und Elgin, die besonders eng mit Lassalle zusammen arbeiteten – der Lord von Rensdal als sein offizieller Stellvertreter, der Lord von Berais als sein Adjutant -, waren am besorgtesten.
„Ich weiß nicht, was er vorhat“, sagte Elgin, als sie mit ein paar der anderen Lords beisammen waren – Reginald und Arnim diskutierten gerade einen strategischen Schachzug, zu dem die anderen nicht viel beitragen konnten. „Aber er hat etwas vor, und es ist mit Sicherheit nichts Gutes!“
Ingvar nickte. „Ich fürchte um Arnim. Auch wenn ich nicht weiß, was geschehen sollte. Es ist eindeutig, dass Reginald es nicht mit Gearaid hält.“
„Reginald ist ein vollkommen anderer geworden“, stimmte auch Rieken zu. „Wie ein Fremder mit einem bekannten Gesicht. Nur Lassalle scheint es nicht zu sehen.“
„Er sieht es“, sagte Elgin ingrimmig. „Aber er weigert sich, es zu bemerken.“
Niko, der finster vor sich hin gebrütet hatte – das tat er seit jenem Abend bei Edrin meistens – blickte plötzlich auf. „Ich würde doch hoffen, dass du dich um seine Sicherheit kümmerst, Ingvar!“ sagte er vorwurfsvoll. Dann sah er sie alle trotzig an. „Falls ihn jemand verdientermaßen umbringt, sollte ich das sein und erst nachdem wir gewonnen haben!“
Rieken der halb hinter ihm stand, warf Ingvar einen schnellen Blick zu. Sein einer Mundwinkel war zu einem halben Grinsen verzogen. Ingvar ließ sich nichts anmerken, doch er war erleichtert. Zumindest Raleigh schien keine große Gefahr mehr für den künftigen Fürsten von Eannas zu sein.
Die Verluste der Truppen des Edrin-Bundes in den Kämpfen blieben gering. Die der Gegner waren hoch. Gerüchte besagten bereits, Gearaid habe sich mit seiner Streitmacht in den Norden Roscreas zurückgezogen, um Hilfe bei den Banditen in den Wäldern zu finden. Einige begannen in der Begeisterung über den schnellen Erfolg bereits zu hoffen, den gesamten Süden Abhaileons befreien zu können und weiterzuziehen nach Corimac. Arnim von Lassalle jedoch blieb vorsichtig. Er verwandte viel Zeit darauf, die errungenen Vorteile gut abzusichern und seine engsten Mitarbeiter so gut wie möglich zu schulen. Er arbeitete härter als je zuvor. Es blieb wenig Zeit für Schlaf zwischen den vielen Generalstabstreffen, den politischen Verhandlungen, der Neuorganisation der staatlichen Dinge, der Planung der nächsten Schritte. Gerade zu Anfang war er unentbehrlich. Erst nach und nach konnte Ingvar einige der Aufgaben übernehmen.
Lassalle widmete auch Rudin einige Zeit. Solange es keinen bestätigten Fürsten gab, konnte der Titel für Orthaí nicht neu vergeben werden, doch es war keine Frage, dass Rudin die Bestätigung erhalten würde. Als Führer hatte er noch viel zu lernen, aber unter der Bevölkerung hatte er einen guten Namen. Da galt es zu einer Vertrauensbasis zu finden. Zuerst war der künftige Lord von Orthaí sehr abweisend. Arnim konnte es ihm kaum verdenken. Doch seine Abwehrhaltung verringerte sich während der ersten gemeinsamen Besprechungen.
Nach der dritten bat er um ein privates Gespräch mit Lassalle. Ingvar wollte es ihm abschlagen, aber Arnim unterbrach ihn. „Ich habe Zeit dafür“, erklärte er kategorisch.
Ingvar musste sich mit einer Mahnung beschränken. „Vergeudet seine Zeit nicht, Lord Orthaí! Es hilft uns nichts, wenn Lord Lassalle irgendwann vor Erschöpfung zusammenbricht.“
Er hatte nicht unrecht, gestand sich Rudin selbst ein, als er Lassalle zu dessen Arbeitszimmer folgte. Es war schon spät am Abend, und er musste selbst bei einigen frühen Terminen am nächsten Tag zugegen sein. Lassalle hatte dunkle Ringe unter Augen, als er ihn mit einer Handbewegung aufforderte, sich zu setzen. Sein Blick jedoch war scharf und wachsam wie immer und seine Bewegungen entschieden und kraftvoll.
„Was wünscht Ihr, Lord Orthaí?“
„Der Regent befahl, mit Euch zu kooperieren“, begann Rudin. Lassalle wartete ab. „Ich tat es sehr unwillig. Doch ich stand zu sehr in seiner Schuld, als dass ich es hätte verweigern können.“ Er zögerte. „Meine Männer wussten von nichts, als sie auf ihn trafen. Es fehlte nur knapp, dass sie ihn getötet hätten. Ich kam erst später dazu und versuchte zu retten, was zu retten war.“
„Er wurde misshandelt?“
Rudin schnitt eine Grimasse. „Ich komme nicht umhin, es so zu nennen. Keine Brutalitäten, aber es war äußerst herabwürdigend.“
„Ich hätte ihn nicht allein reiten lassen sollen“, sagte Lassalle ärgerlich. „Doch in jener Nacht konnte, wie es scheint, niemand mehr ganz klar denken. Sollte ich ihn je wiedersehen, werde ich ihn um Vergebung bitten müssen.“ Er seufzte. „Eannas hat ihm nichts gegeben als Schmerzen und Demütigungen.“
„Ich hörte Euch von ihm sprechen während unserer Treffen“, fuhr Rudin fort. „Anfangs glaubte ich, Ihr habet nur seine Amnestie ausgenutzt, doch jetzt scheint mir, dass Ihr ihn wirklich in Ehren haltet.“
„Anfangs“, Lassalle lächelte flüchtig. „Anfangs hatte ich nur ein Interesse: die Wiederherstellung meiner Ehre. Die Amnestie schien eine Möglichkeit. Ja, ich wollte dieses Angebot benutzen. Es bot einen Ausweg aus einer sonst hoffnungslos verfahrenen Situation. Was nützte es, dass ich einen Ausweg überhaupt wollte, nach all dem, was geschehen war? Und dann plötzlich diese Gelegenheit, einen neuen Anfang zu wagen. – Ich war entschlossen, meine Verpflichtungen zu halten für eine kleine Geste, die mich nicht von vornherein verurteilte. Statt dessen bot er mir seine Freundschaft.“ Er sah Rudin an. „Ein Ritter des Königs. Ich hatte kaum verhohlenen Abscheu erwartet, zurückgehaltene Verachtung. Doch er gab mir auf ein einfaches Wort hin sein Vertrauen und seine Freundschaft. - Ich werde ihm folgen, gleich wohin er geht.“
„Es heißt, Ihr habet erklärt, dass Ihr jetzt ... dem König dient?“
„Es scheint, er ist so gnädig, meinen Dienst anzunehmen, auch wenn nichts je die Schuld begleichen kann, die ich vor ihm trage.“
„Manche werden sagen, dass Ihr gar zu billig davon kommt.“
Lassalle lächelte müde. „Sobald wieder Friede in Abhaileon ist, werde ich mich bemühen, einige Schulden zu begleichen. Alles wird nicht möglich sein. Gleich, was ich tue. Niko von Raleigh hat das erste Recht auf mein Leben; ich verzichte auf meine Amnestie, was das angeht, so dass er kein Gesetz bricht, wenn er seine Rache verfolgt. Jeder andere wird sich hinter ihm einreihen müssen. Ich werde nicht jeden Anspruch akzeptieren können, doch in einigen Fällen muss die Gerechtigkeit Vorrang haben.
„Mein Großvater?“
„Wenn Ihr mir glauben wollt: ich war wirklich dagegen. Es war unnötig. Aber Gearaid war Fürst, ich habe mich ihm nicht widersetzt, als er tat, wovon ich abriet.“
Rudin betrachtete längere Zeit den Tisch vor sich. Arnim beherrschte seine Ungeduld und wartete ab, bis er endlich sprach: „Der Regent sagte, dies hier sei ein dunkles Land, in dem dunkle Dinge geschehen. Ihr habt einiges von diesem Dunkel gebracht. Aber es scheint, Ihr könnt auch helfen, das Licht zurückzubringen. – Ich hörte, dass einige Euch als Fürst von Eannas sehen wollen. Ich werde diesen Anspruch unterstützen.“ Er erhob sich und verbeugte sich knapp, bevor er hinausging.
Nur drei Tage danach kam Niko von Raleigh spät abends zu Arnim. Lassalle sah sofort, dass er sein Schwert trug. Er selbst hatte nicht einmal seinen Dolch. Er fühlte dennoch keine Beunruhigung; vielleicht war er auch nur zu müde dazu. Ohne Ingvars Befehl würden die Wachen Niko so nicht durchgelassen haben, schon gar nicht ohne Begleitung. Der junge Lord blickte zwar düster wie schon seit jenem Abend in Edrin, aber er machte keinen aggressiven Eindruck. Er wirkte eher unsicher.
„Was bringt Euch hierher?“ fragte Arnim.
Niko leckte nervös mit der Zunge über die Lippen. „Ich wollte Euch dies hier überbringen“, sagte er zögernd. Er legte eine Pergamentrolle, die er mit sich gebracht hatte vor Lassalle und trat wieder zurück. Arnim sah ihn fragend an, aber er senkte den Blick.
Lassalle las. Sie schickten zum Regenten, um um seine Bestätigung als Fürst zu bitten. Rudin hatte unterschrieben. Selbst Riam, der erst neulich zu ihrer Seite übergelaufen war und an letzter Stelle saß Nikos eigenes Siegel. Lassalle sah auf.
„Es ist nicht, dass ich Euch vergeben hätte“, sagte der Lord von Raleigh. „Aber Eannas braucht Euch, und vielleicht findet sich eine andere Möglichkeit, dass Ihr Eure Schuld mir gegenüber begleicht. Ich wollte das nur klarstellen.“ Er wandte sich abrupt um und ging hinaus.
Lassalle senkte den Kopf und flüsterte ein Gebet. Es sah aus, als würde Niko seine Chance nutzen. Dann griff er selbst nach Feder, Tinte und Papier, um einen kurzen Brief an den Regenten beizufügen. Noch in der gleichen Stunde schickte er einen Boten mit Begleittrupp nach Norden.
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