Sonntag, 4. September 2011

Kapitel 21.2


Renad drehte sich um, unwillig so unterbrochen zu werden. Was er bisher getrunken hatte, hatte seine Wut kaum dämpfen können. Die Wut – und das Gefühl der Bedrohung. Dieser Blick. Da war etwas Beunruhigendes gewesen in dieser Ruhe des Ritters dort im Verlies. Blutend und halb bewusstlos hatten sie ihn zurückgelassen, und dennoch war ihm dieser Blick gefolgt. Doch die Hand auf seiner Schulter gehörte Gearaid selbst. Der Fürst blickte noch ungehaltener als er selbst. „Du wirst einiges zu tun haben, um mit deinen Behauptungen Schritt zu halten“, sagte er. Alle anderen hatten sich diskret entfernt. „Komm mit!“ befahl Gearaid, den Saal verlassend. Sobald sie in den Gängen waren, blieb er stehen: „Was hast du eigentlich mit dem Schwert gemacht?“
Renad wusste sofort, welches Schwert gemeint war. „Ich brachte es sofort in Eure Zimmer“, sagte er. „Ihr wart gerade nicht anwesend.“
„Wohin genau?“
„Der Tisch im Empfangsraum. Hattet Ihr noch keine Zeit, danach zu sehen?“
„Es ist nicht dort.“
„Wer sollte es gewagt haben ...?“
„Eine gute Frage“, schnitt ihn der Fürst heftig ab. „Vielleicht solltest du das selbst herausfinden. Ansonsten kannst du Wilgos Gesellschaft dabei leisten, seine Probleme zu regeln, während Lassalle morgen das Verhör übernimmt. Er scheint endlich Vernunft anzunehmen, was Carraig angeht.“
„Wenn nicht Lassalle selbst hinter der Sache steckt!“ schnappte Renad zurück. „Man sagt, er spekuliere auf diese Amnestie.“
„Lassalle will nur Corrugh. Hast du ihn noch nicht gesehen heute abend? Ihm dürfte es gleich sein, wer es ihm gibt. Daher ...“ Gearaid fing sich mit einer Hand an der Wand ab. „Was war das?“
„Die Mauern wanken“, flüsterte Renad, der auf einmal leichenblass war. „Wir müssen ...“ Der Rest seiner Worte ging in einem Inferno unter.
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Jemand zog Arnim auf die Beine. Er hatte diesen Mann, diesen Ritter, noch nie zuvor erblickt. „Tue, was du vorhattest zu tun“, sagte der weißgekleidete Fremde mit dem silbernen Harnisch leise. „Wenn du wirklich das Licht suchst, frage den Regenten danach.“ Er wandte sich zum Gehen.
„Wer ... ?“ rief Arnim. Er unterbrach sich selbst, als ihm klar wurde, dass der ohrenbetäubende Lärm seine Stimme vollkommen verschluckte.
Der Ritter sah zurück auf ihn. Seine Augen waren von einem Blau, wie Lassalle es noch nie gesehen hatte. Vielleicht war es das Licht darin. Das Licht ... „Ich bin ein Diener meines Herrn“, sagte er so leise wie zuvor.

Lassalle musste sich an der Wand halten, als der Boden neu bebte und als er wieder aufblickte, war der Fremde nicht mehr da. Doch er hatte keine Zeit, sich zu verwundern. Mit neuer Entschlossenheit, mit neuer Kraft kämpfte er sich durch die Gänge ins Freie, ohne vor den berstenden Mauern Deckung zu suchen oder auf die Steine und Mörtelbrocken zu achten, die immer wieder von den Decken fielen.
Auf dem Hof tobte das Chaos. Man war dabei, die wertvollsten Pferde aus den Stallungen zu retten. Vereinzelt waren Feuer ausgebrochen. Einige bemühten sich zu löschen. Andere standen nur in Schock da oder rappelten sich erst wieder vom Boden auf. Elgin und Reginald kämpften mit dem wild scheuenden Fuchshengst.
„Wir müssen hier raus“, schrie Elgin panisch, als er Lassalle erblickte, während Reginald weiter beruhigend auf das Tier einredete. „Der Vulkan!“
Lassalle warf einen Blick in Richtung des Gipfels. Etwas leuchtete an den nördlichen Hängen wie ein Brand. Aber auf ihrer Seite des Hanges lag nur Dunkel.  „Haltet euch genau an den Plan!“ befahl er. „Das hier erleichtert nur unser Vorhaben.“ Er vergewisserte sich kurz, dass die beiden sich noch genügend im Griff hatten, dann eilte er weiter zu den Verliesen.
Reginald blickte kurz über die Schulter. „Das ist Arnim“, rief er mit unverhohlenem Stolz. „Verliert nie die Kontrolle.“
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Der erste Erdstoß riss Ciaran aus dem Dahindämmern. Anders konnte man es kaum bezeichnen. An Schlaf war nicht zu denken, doch Bewusstsein war es auch nicht gewesen. Noch immer umklammerte er mit den Händen die Gitter seiner Zelle, seinen einzigen Orientierungspunkt in der tiefen Dunkelheit. Ein tiefer Seufzer hallte durch die Gewölbe, anschwellend in Tonhöhe und Gewalt. Er hatte wenig Orientierungssinn in dieser Finsternis, aber es war, als hebe sich der Boden unter ihm. Die Stäbe wurden seinen Händen entrissen. Es dauerte über eine unbestimmbare Zeit an. Als es nachließ, tastete er sich an der Wand entlang, um zurück zum Gitter zu finden. Wenn die Mauern Risse zeigten, konnte er es nicht ausmachen. Die Stäbe jedoch waren verbogen, und als er die Tür erreichte, brach das Schloss beim ersten Ruck. Er lächelte wenn auch mit schmerzenden und ausgetrockneten Lippen. Seine Zuversicht war zurück. „Die Grundmauern Escails haben gewankt“, sagte er leise in das Dunkel. „Niemand wird über dich spotten können, mein König.“
Seine Muskeln schrien, als er sich den langen Gang entlangtastete, an dessen Ende seine Zelle sich befunden hatte. Aber er wusste, dass sich das mit der Bewegung bessern würde. Er stieß auf keine Türöffnungen, bis er eine schmale Treppe erreichte, an deren oberem Ende Licht schimmerte. Er bemühte sich, sich geräuschlos zu bewegen, doch als er die schief in ihren Angeln hängende Eisentür darüber erreichte, fand er den Wachraum verlassen. Er sah sich um. Die Spuren der Verwüstung wurden jetzt deutlicher. Tiefe Risse durchzogen die Wände, einzelne Steine waren herabgestürzt. Viele der Fackeln waren aus ihren Halterungen gefallen und erloschen. Doch für seine Augen gaben die restlichen jetzt ein fast blendendes Licht.
Leider fand er keine Waffe. Und kein Wasser; der Durst war schon lange quälend geworden.
Immer noch fand er keine anderen Zellen. Endlich teilte sich der Gang, dem er folgte. Leider gleich in vier Gänge auf einmal. Der Ritter zögerte. Unter Burg Escail zog sich möglicherweise ein ganzes Labyrinth hin. Während er noch unentschieden war, in welche Richtung er sich wenden solle, hörte er eilige Schritte näherkommen. Es waren die Schritte eines Einzelnen. Ciaran unterdrückte ein Seufzen. Er war immer noch unbewaffnet und nicht in der besten Kondition für einen Kampf. Doch vielleicht gelang es ihm, den Näherkommenden zu überraschen. Ob er ihm den Weg weisen würde oder nicht, er sollte es danach wohl mit jener Richtung versuchen. Er drückte sich an die Wand des Ganges seitlich des beobachteten und wartete. Es war dunkel genug, dass er keinen Schatten warf.

Der Mann, der aus dem Gang trat, war massig und hatte die Hand am Schwertheft. Ciaran verzichtete auf den Versuch eines Angriffes. Er hoffte nur noch, nicht bemerkt zu werden. Doch dann trat der andere in den Lichtkreis der nächsten Fackel und Ciaran erkannte ihn: es war der Ritter, der am Nachmittag heimlich um das Siegel gebeten hatte. Er trat von der Wand weg. Noch bevor er rufen konnte, war der andere herumgeschnellt und hatte die Waffe halb gezogen. Genauso schnell stieß er sie wieder zurück. „Regent“, sagte er mit der Andeutung einer Verbeugung.
Sie blickten sich eine Weile schweigend an, maßen sich vorsichtig mit ihren Blicken. Eine Distanz von etwa zwölf Schritten trennte sie.  „Mein Name ist Euch bekannt“, sagte Ciaran schließlich. „Doch wer seid Ihr?“
Der andere richtete sich zu voller Größe auf. „Ich bin Arnim von Lassalle.“ Wieder fiel Schweigen.
„Nun, Lord Lassalle“, begann Ciaran wieder. Er spürte, dass die Ebene, auf der sie einander begegneten, brüchiger war als dünnes Eis. „Seht Ihr eine Möglichkeit, mich von diesen Fesseln zu befreien?“ Er hob die Hände etwas.
Sofort griff der Lord in eine seiner Taschen. Er zog einen Schlüssel hervor und ging Ciaran entgegen. Im Zentrum des Lichtkreises blieb er stehen. „Wenn Ihr näher kommen wollt?“

Ciaran trat gleichfalls in den Lichtkreis. Die Fesseln fielen klirrend zu Boden und der Lord trat einen Schritt zurück. „Wie schwer seid Ihr verletzt?“ fragte er dann.
„Nichts, dass der Rede wert wäre“, begann Ciaran.
„Ihr blutet!“
Ciaran runzelte die Stirn und griff nach seiner flammenden linken Seite. Er fühlte die Feuchtigkeit unter seinen Fingern. „Nur eine aufgebrochene Narbe“, sagte er dann. „Renad hatte kein Interesse, mich ernsthaft zu verletzen. Noch nicht.“
„Ich weiß über alles Bescheid“, Lassalle studierte ihn weiter. „Doch ich hatte keine Möglichkeit, früher einzugreifen, ohne dass das zu verheerenden Folgen geführt hätte.“
„Ihr seid hier“, bemerkte Ciaran. „Und Eure Hilfe ist mir äußerst willkommen. Ich kenne den Weg hinaus nicht. Und ich würde Escail ungern ohne mein Schwert verlassen.“
Der Lord lächelte zufrieden. „Euer Schwert wird bald wieder in Euren Händen sein.“

Ciaran schwindelte fast vor Erleichterung. „Euer Dienst wird immer unschätzbarer“, sagte er. „Diese Waffe darf nicht in die Hände der Feinde fallen.“ Dann wurde sein Blick ernst. „Welche Verbindungen habt Ihr selbst zu Carraig? Seid Ihr an den Fürsten dort gebunden?“
Lassalle schüttelte den Kopf. Es war deutlich, dass er sich innerlich zurückzog. „Mich bindet nur eines. Der Reichsbann. Werdet Ihr ihn aufheben?“
„Ich habe mein Wort gegeben“, sagte Ciaran. „Amnestie für jeden, der darum bittet und auf unsere Seite tritt. Es scheint, wir stehen gerade eben auf der gleichen Seite. – Ich werde die schriftlichen Formalien veranlassen, sobald ich die Möglichkeit dazu habe.“ Er zögerte, bevor er hinzufügte. „Nichtsdestotrotz habe ich eine Frage: Wart Ihr dort vor Ceannacht dabei?“
Lassalle schwieg wieder eine Zeitlang. Die Bitterkeit in seinen Augen war selbst im Fackellicht auszumachen. „Ich wünschte, ich wäre dort gewesen“, sagte er dann heftig. „Ich hätte diesem Dimail nicht nachgegeben. Es war Wilgos, der das Kommando hatte, zusammen mit Renad. Reginald assistierte ihnen bei der Belagerung.“

„Seid Ihr je einem der Lords aus Winian begegnet?“ erkundigte Ciaran sich neutral.
„Ich begegnete Fíanael“, der Lord sprach knapp, „und hörte auf ihn. Ich habe nie einen schlimmeren Fehler begangen.“
„Das ist wahrhaft gut ausgedrückt“, sagte Ciaran nachdenklich. „Ich tat in etwa das Gleiche.“ Er lächelte traurig. „Die Wunde, die hier blutet, ist eine Erinnerung daran. Es gibt nur einen Grund, dass Ihr mich hier überhaupt vor Euch seht. Es brauchte wohl den Fürsten von Alandas selbst, um mich aus dem heraus noch zu retten. Und ich weiß nicht, ob ich in der Lage wäre, einem der winianischen Fürsten die Stirn zu bieten.“
„Ihr glaubt mir“, sagte Lassalle unsicher.
„Ihr habt meinen Respekt“, sagte Ciaran.
„Ihr wisst, was ich getan habe. Und was immer Ihr wisst, es ist nur ein Bruchteil der Wahrheit. Ich habe mehr Verbrechen begangen, als Ihr Euch vorstellen könnt. Ihr, Regent, sagt, Ihr seid ein Ritter des Königs. Das hieße, Ihr stündet für alles, was ich nicht selten mit Freude vernichtet habe.“
„Heute hättet Ihr Euch nur nicht einzumischen brauchen, um meiner Vernichtung sicher zu sein. Mit all dem, wofür ich stehe. Ich bin waffenlos vor Euch und Ihr seid mir, wie die Umstände sind, in jeder Hinsicht überlegen. Aber Ihr helft mir. Warum? Nur für eine Amnestie, die Ihr nicht wirklich benötigt?“

Der Lord wandte sich abrupt ab. „Ich bin es müde“, sagte er rau. „Die meisten Dinge und Menschen sind keiner Mühe wert. Doch es gab Dinge, die ich schützen wollte. Es gibt sie. Nichts davon konnte ich je bewahren. – Vielleicht gelingt es Euch.“ Er wandte den Kopf Ciaran zu. „Wenn Ihr meinem Wort Wert beimesst, werde ich Euch die Gefolgschaft zuschwören.“
Ciaran war sich bewusst, wie wenig repräsentativ er aussehen musste mit all seinen Wunden, Schrammen und Prellungen, die Kleidung lädiert, mit Blut befleckt und waffenlos. Seine Stimme war belegt, denn in seiner Gefangenschaft, war ihm selbst das Wasser vorenthalten worden und auch auf seinem Weg durch die Verliese war er bisher auf nichts Trinkbares gestoßen. Nur der Siegelring war ihm geblieben und das Wissen, wer er war. „Euer Wort ist mir kostbar“, sagte er. „Es ist gesprochen vor dem König selbst. Dafür bin ich Zeuge als sein Ritter und als Regent eingesetzt von Alandas. Ich betrachte Euer Wort als gegeben, denn Ihr habt es mir zugesagt und nehme es an in der mir gegebenen Autorität. Mehr noch, ich heiße Euch von Herzen willkommen und biete Euch meine Freundschaft, so Euch daran gelegen sein sollte.“
Lassalle wandte sich ihm ganz zu. „Seid Ihr Euch wirklich sicher?“ fragte er hart.
„Ich vertraue Euch“, sagte Ciaran und nahm die rechte Hand des Lords in seine Hände. „Lasst uns nun gehen. Denn selbst die Verwirrung nach dem Erdbeben wird nachlassen, und ich habe noch einen weiten Weg vor mir.“ Er lächelte flüchtig. „Und ich werde erst wieder wahren Frieden in mir fühlen, wenn ich mein Schwert in der Hand halte.“
Der Lord beugte sich über die Hände, die die seine hielten und berührte den Siegelring mit den Lippen. „Meine Treue gehört Euch, mein Herrscher“, sagte er. „Folgt mir jetzt.“

Schweigend durchquerten sie die zahlreichen Gänge und Treppen. „Sind sie alle geflohen?“ erkundigte Ciaran sich nach einer Weile, in der sie niemand begegnet waren.
„Das hätten sie nicht gewagt“, antwortete Lassalle. „Ihr wart gut bewacht, Regent. Lord Otho von Serinim hat die Sicherung dieser Wege übernommen. Er erwartet uns nahe des Ausganges.“
„Wie viele der Lords von Eannas stehen auf unserer Seite?“ fragte Ciaran weiter.
Lassalle geriet fast ins Stolpern, bei diesem so selbstverständlich gesagten „unser“. Er hätte nie gedacht, dass ihm ein solch kleines Wort soviel bedeuten könne. Ein vollkommen irrationales Verlangen wallte in ihm auf, wieder die Hand des Regenten zu küssen. Natürlich wusste er sich zu beherrschen. „Eure Ankunft überraschte uns, Herr“, sagte er. „Doch für sechs von ihnen kann ich bereits jetzt einstehen, einige andere mögen folgen.“
„Ihr werdet also fliehen müssen?“ Es war halb Frage, halb Feststellung.
Lassalle blieb stehen und drehte sich um: „Nein, mein Regent“, sagte er mit einem Blitzen in den Augen. „Ich beabsichtige, Euch Eannas zu geben.“ Er machte eine abwägende Bewegung mit den Händen. „Wir werden uns zunächst zurückziehen müssen, um uns zu formieren. Doch sollten wir die Oberhand behalten können. Vorausgesetzt, Gearaid erhält keine Unterstützung aus dem Norden.“
„Ich kann nichts garantieren“, sagte Ciaran. „Doch die Kräfte dort sollten einigermaßen gebunden sein. Hütet Euch dennoch.“

Lassalle nickte und ging weiter. Sie erreichten jetzt bald die oberste Wachstube. Er öffnete die Tür mit der Hand am Heft des Schwertes, aber alles war sicher. Ingvar und Otho warteten dort. Beide hatten Becher mit Wein in der Hand. Otho hatte erklärt, er gedenke nicht, völlig auf das Fest zu verzichten und hatte ein paar gute Flaschen mitgebracht. Er selbst saß mit übereinander geschlagenen Beinen am Tisch. Ingvar lehnte in der Nähe des Fensters und hielt seinen Becher mit beiden Händen. Er war immer noch sehr unruhig. Eigentlich hätte er gar nicht hier dabei sein sollen. Gleichwohl, das hieß, dass einige seiner Leute zusätzlich alles absicherten. „Meine Lords von Eannas“, sagte Lassalle. „Der Regent von Abhaileon.“ Er verbeugte sich leicht, als der Ritter eintrat.
„Lord Rensdal, Lord Serinim“, Ciaran verbeugte sich ebenfalls leicht. „Ich bin geehrt, Eure Bekanntschaft zu machen, auch wenn die Umstände widrig sind.“ Seine Hauptaufmerksamkeit galt jedoch ehrlich gesagt den Bechern und der Karaffe auf dem Tisch.

Ingvar stellte seinen Becher mit einer so hastigen Bewegung auf die Fensterbank, dass ein paar Tropfen verschüttet wurden. Er wirkte besorgt. Otho erhob sich zögernd, ohne seinen Becher loszulassen.
Arnim war mit schnellen Schritten in das Zimmer hineingegangen und hatte zielstrebig nach etwas gegriffen. Wie er vermutet hatte, lag es auf der Ingvar entgegengesetzten Seite des Zimmers. Alle drei anderen wandten ihm verblüfft den Kopf zu, als er sich vor Ciaran auf ein Knie niederließ. „Euer Schwert, Herr“, sagte er und hielt dem Ritter das aufgeschlagene Bündel mit der Waffe entgegen. „Keiner von uns hier hat es angerührt. Und Renad dürfte keine Zeit gehabt haben, es zu entehren.“
Ciaran vergass seinen Durst noch einmal. Behutsam nahm er die Waffe aus Lassalles Armen, woraufhin der Lord sich wieder aufrichtete. Er ließ die Klinge eine Handbreit aus der Scheide gleiten, um sich zu vergewissern, dass es keine Täuschung war und küsste das Heft, als sich das Licht in dem hellen Stahl brach. „Danke, mein König“, flüsterte er. Er befestigte das Schwert an seinem Gürtel und wandte sich mit einem strahlenden Lächeln Lassalle zu. „Dank auch Euch, Arnim.“

Der Lord senkte seinen Blick und wandte sich ab. „Wie steht es, Ingvar? Bleiben uns ein paar Minuten? Der Regent ist nicht in bester Verfassung.“ Der Lord von Rensdal starrte ihn noch immer schockiert an. Während Otho tatsächlich seinen Becher weggestellt hatte und mit offenem Mund nicht auf Lassalle sondern in Richtung des Regenten blickte.
Ingvar riss sich aus seiner fassungslosen Versteinerung. „Auf eine Viertelstunde mehr oder weniger sollte es nicht ankommen“, sagte er mit einem Blick aus dem Fenster. Dann ging er zur Tür und gab ein paar Befehle.
„Ein Schluck Wasser ist alles, was ich brauche“, bemerkte Ciaran höflich. „Ich bin nicht sicher, wie sie mich morgen zum Reden bringen wollten ohne das, aber sie hatten es wohl vor“, versuchte er zu scherzen.
„Wein!“ befahl Lassalle und Otho goß hastig einen neuen Becher ein. „Ihr werdet das zuerst einmal brauchen.“ Ciaran nahm den Becher dankbar an, während der Lord ihm schon wieder den Rücken zuwandte. Er goß Wasser in eine Schüssel. Als er sich wieder umwandte, forderte er höflich: „Wir sollten nach dieser blutenden Wunde sehen, Herr.“ Ciaran stellte den leeren Becher zur Seite. Die Wärme, die ihn jetzt durchflutete, war wohltuend. Otho wollte wieder mit Wein nachfüllen, aber ging auf eine Geste Lassalles hin zum Wasserkrug damit.
Mit Bedauern schnallte Ciaran sein Schwert wieder ab, legte es auf den Tisch und knöpfte sein Hemd auf. Das war unweigerlich ruiniert. Lassalle bemerkte seinen Blick. „Euer Pferd wartet mit Eurem Mantel und Euren Satteltaschen auf Euch und hierfür sollte sich Ersatz finden lassen. Ingvar!“ Der Lord von Rensdal warf einen Blick auf das auf dem Tisch liegende Schwert als warte dort eine gefährliche Viper und ging wieder zur Tür.
Lassalle begann die Wunde auszuwaschen. Otho holte die Verbände ohne weitere Aufforderung. Die Arbeit war schon fast beendet, als Ingvar die verlangten Kleidungsstücke brachte. Es hatte keine zehn Minuten gebraucht.

„Bleibt noch eine Formalität“, bemerkte Lassalle.
Die beiden anderen blickten einander an. Der Lord von Rensdal seufzte tief mit einem letzten Blick auf das smaragdbesetzte Schwert. Dann ließ er sich auf ein Knie nieder und sagte: „Ich schwöre Euch Gefolgschaft, mein Regent.“ Otho tat es ihm nach.
„Ich nehme den Eid an“, sagte Ciaran, „und werde ihn nicht vergessen.“ Rensdals Gesichtsausdruck, als er den Siegelring küsste, hätte zu jeder Trauerfeier gepasst. Er war leichenblass und wie betäubt.
„Lasst uns aufbrechen“, sagte Lassalle. Er warf einen Umhang über und zog die Kapuze hoch. Otho reichte Ciaran einen weiteren Umhang. „Folgt mir, Regent!“

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