Samstag, 3. September 2011

Kapitel 16.3

´Alandas´, rief Ciaran freudig und sah sich um. ´Ja, Ihr erwähntet es bereits vorhin, daß ich jenseits der Grenze bin. Also sind die alten Geschichten über Gleann Fhírinne wahr.´ Ein Lächeln strahlt in seinem Gesicht auf: ´Schon dies Wissen, daß es Alandas wirklich gibt und noch dazu einem seiner Bewohner zu begegnen, ist alle Schmerzen wert. Doch wer seid Ihr, mein Retter, auf daß ich Euren Namen auf ewig in dankbarer Erinnerung behalten kann?´
´Man nennt mich Ríochan´, sagte der Fremde, ´und ich bin ein Diener des Königs. Aber danke nicht mir, sondern Ihm für deine Rettung. Ich handle allein in Seinem Auftrag und nicht dem  Diener, sondern dem Herrn gebührt die Ehre für das vollbrachte Werk.´
Ciaran hatte keine Erinnerung an das, was nach seinem letzten Hilferuf geschehen war. Doch jetzt stand ihm wieder der Eindruck vor Augen, den er noch erhascht hatte, kurz bevor er das Bewußtsein verlor. Wie etwas, jemand, strahlender als die Sonne erschien und die Dunkelheit zurückwich. Er versuchte sich vorzustellen, was dann geschehen war und konnte es nicht. Aber er wußte noch gut, wie machtlos er, einer der geschicktesten Kämpfer Abhaileons, gegenüber jenem grauenvollen Gegner gewesen war. Dieser Ríochan mußte sehr groß und mächtig sein. Er dachte an den kostbaren weißen Mantel des Ritters, der nun mit seinem Blut befleckt war. An die freundliche Art, wie dieser große Held mit ihm sprach. Ohne jede Spur von Herablassung. Fast von gleich zu gleich. ´Was Ihr für mich getan habt, …´ begann er.
´… war das, was zu tun war“,  beendete Ríochan den Satz. Es schien, daß er Ciarans Gedanken hatte folgen können. ´Was erstaunt dich daran?  Hilfe zu gewähren, die ich geben konnte? Mich um den Verletzten mehr sorgen statt als um etwas Stoff? Keine eigene Ehre zu suchen für etwas, das nicht mein Verdienst ist?´

Es war der letze Satz, der für Ciaran heller aufleuchtete als der Blitz, den er in der Schlucht zu sehen geglaubt hatte. Die plötzliche Erkenntnis der Wahrheit schnitt tiefer als ein Messer. Er selbst war stets ohne langes Nachdenken und ohne Rücksicht auf Folgen, die es für ihn haben mochte, anderen zu Hilfe gekommen, davon konnte ihn nichts wirklich erstaunen. Und doch hatte er bei allem, auch ohne sich darüber klar zu sein, seine Ehre gesucht. Es war ihm bisher nur folgerichtig erschienen. Jetzt aber zerbrach diese Sicht der Dinge an Ríochans Worten, offenbarte ihre ganze Schäbigkeit vor diesem strahlenden Bild eines anderen Rittertums. „Ich verstehe“, sagte er und senkte den Blick. „Ich verstehe, wie passieren konnte, was mit mir geschehen ist.“
Ríochans aufmerksamer und abwartender Blick lag auf ihm, als er wieder zu ihm aufsah. „Ihr habt mir mein Leben neu gegeben“, sagte Ciaran, „es kann keinen besseren Zeitpunkt geben, auch mein Herz neu auszurichten. Wenn es an einem Ort möglich ist, dann hier in Alandas. Ihr seid ein wahrer Diener des Königs und was ich vor Euch spreche wird sein, wie vor ihm selbst gesprochen. Könnt und wollt Ihr mir Zeuge sein?“

Ríochan trat zur Antwort einen Schritt zurück. Er zog sein Schwert aus der silbernen Scheide, reckte die blitzende Klinge kurz wie grüßend gen Himmel und legte dann die Hand, die das Schwert hielt, auf sein Herz. Die Strahlen der Sonne blitzten und funkelten auf der blanken Klinge, auf seiner silbernen Rüstung und seinen goldenen Haaren, so daß seine schlanke, hochgewachsene Gestalt plötzlich von einem Strahlenkranz umgeben zu sein schien. Seine blauen Augen leuchteten, als er mit klarer Stimme sagte: ´Im Namen des Königs. Ich habe die Vollmacht, deine Worte entgegenzunehmen und will gerne dein Zeuge sein. Sprich!´
Ciarans Blick hing wie gebannt an dem weißen Ritter, als er in einer flüssigen Bewegung niederkniete. Er legte beide Hände auf sein Herz und sagte: ´Ich, Ciaran, Sohn des Waffenschmiede Cormac, Offizier der Palastgarde von Croinathír, komme in Demut vor meinen rechtmäßigen Herrn und König.“ Er verbeugte sich, bevor er fortfuhr. „Gebieter, ich wollte dir dienen; ich wollte dich ehren. Aber in Wirklichkeit habe ich nur mich und meine Ehre gesucht. Alles, was mir zustieß, war eine Folge davon und somit mein Verschulden. Du, Herr, hast mich dennoch durch die Hand deines Dieners Ríochan vor den Folgen bewahrt und mir mein Leben neu gegeben. Und dieses Leben soll wirklich Dir gehören. Ich bitte Dich, nimm es an und verfüge darüber.“ Er nahm die Hände von seinem Herzen, hielt sie mit den Handflächen nach oben vor sich und beugte den Kopf.
´So sei es. Ich, Ríochan, Fürst von Alandas, bin Zeuge der Worte Ciarans, Deines Ritters, und rufe Deinen Segen auf ihn herab. Ehre Dir, unser König!´ Mit diesen Worten verneigte sich der Fürst und steckte sein Schwert wieder in die Scheide.

Ciaran hob verwirrt und erschrocken den Kopf und blickte ihn fast entsetzt an. ´Ihr seid der Fürst von Alandas?´ rief er. ´Verzeiht, wenn ich es Euch gegenüber an Achtung fehlen ließ. Es geschah in Unwissenheit. Verfügt über mich, mein Fürst, mächtiger Gebieter über Alandas und Abhaileon.´ In einer Geste der Unterwerfung verbeugte er sich wieder und wünschte sich glühend, er hätte noch ein Schwert, daß er dem Fürsten hätte zu Füßen legen können.
Fürst Ríochan legte ihm lächelnd die Hand auf die Schulter und sagte: ´Steh auf, mein tapferer Ritter. Es ist mir eine Freude, dich Freund zu nennen.´
´Mein Fürst´, widersprach Ciaran, ohne aufzusehen. ´Ihr erweist mir zuviel der Ehre. Ich bin kein Ritter, nur ein Offizier der Palastgarde von Croinathír und von diesen keiner der angesehensten.´
´Du willst doch wohl den Fürsten von Alandas nicht der Lüge zeihen?´ sagte Ríochan in scherzhafter Drohung. ´Wenn ich dich einen Ritter nenne, so bist du es auch. Hast du nicht vor wenigen Augenblicken dem König Treue und Gehorsam gelobt? Habe nicht ich selbst deine Worte bestätigt? Steh auf, Ritter des Königs!´

Fassungslos gehorchte Ciaran. Wider besseres Wissen glitt seine linke Hand zum Gürtel und fühlte dort das Heft eines Schwertes. Er hätte schwören können, daß es vor einem Moment noch nicht da gewesen war. Ein Blick zur Vergewisserung bestätigte, was er schon bei der Berührung des Heftes gefühlt hatte. Es war ein anderes Schwert als das, das ihm bei dem Kampf mit dem Wolf zerbrochen war. Ein viel prachtvolleres. Goldene und silberne Einlegearbeiten verzierten das Heft, dessen Knauf von einem Smaragd geschmückt wurde. Er erwog, ob sich der Alptraum von zuvor in einen Wunschtraum verwandelt haben könne. Vorsichtig berührte er ein zweites Mal den Schwertknauf, dieses Mal mit den Fingerspitzen der rechten Hand. Dann schüttelte er den Kopf. „Ich habe das in keiner Weise verdient“, sagte er dann. „Ich habe gewagt, davon zu träumen, aber ich wusste es ist ein Traum. – Das ist Colin von Donnachts Schwert.“ Der letzte Satz schwankte zwischen Feststellung und Frage.
Ríochan neigte zustimmend den Kopf. „Colin von Donnacht trug es einst.“
„Ich folgte den anderen Rittern“, sagte Ciaran. „Dem Ardaner und dem Erben Colins. Es hieß sie kamen hierher.“
„Sie kamen durch Gleann Fhírinne“, bestätigte der Fürst.
„Warum trage ich dann dieses Schwert? Es sollte Béarisean gehören.“
Ríochan verneinte mit einer Kopfbewegung. „Jeder von euch trägt das Schwert, das ihm bestimmt wurde. Das, das seiner Aufgabe entspricht.“
„Werde ich ihnen nun begegnen?“
Ríochan antwortete nicht sofort. „Du wirst beiden begegnen, bevor es zur Entscheidung kommt“, sagte er schließlich. „Doch ihr Weg ist nicht dein Weg.“
Ciaran verbeugte sich leicht. „Welchen Weg soll ich gehen, mein Fürst?“

Ríochan lächelte. „Estohar will ein Heer aus ganz Abhaileon versammeln zum Mittsommer, und deine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass auch alle Provinzen vertreten sind. Du wirst nach Daliní, Sailean, Roscrea, Eannas und Ruandor reiten und die Ruandorer dann noch Norden begleiten.“
Ciaran runzelte die Stirn. „Das wird nicht einfach werden. Außer Ruandor. Ihr wisst, wie die Lage in Eannas und Roscrea ist? Und Dalinie, das hängt wohl von Dorbans Einfluss dort ab.“
„Dorban ist vorerst verschollen. Möglicherweise wirst du ihn auf dem Weg nach Corimac treffen, aber keinesfalls früher. – Du wirst die Dalinianer überzeugen müssen ohne ihn zu kommen.“
Ciaran verbeugte sich wieder. „Wie Ihr befehlt.“
Ríochan lachte. „Möchtest du mir nicht auseinandersetzen, wie unmöglich das ist, was ich dir hier auftrage?“
„Ich weiß nicht, wie es zustande kommen soll“, gestand Ciaran ein. „Aber wenn dies mein Auftrag ist, muss es möglich sein, ihn auszuführen.“
„Mein Ritter“, sagte der Fürst und legte ihm die rechte Hand auf die Schulter, „wenn es durch etwas gelingen kann, dann durch deinen Glauben. Aber ich werde dir etwas anvertrauen, das dir helfen wird, dieses Ziel zu erreichen: das Siegel Abhaileons.“ Er öffnete die linke Hand, und Ciaran sah den schweren goldenen Ring mit der Smaragdplatte, in deren geteiltes Feld Bogen und Falke geschnitten waren, darauf liegen. Einen Ring, der seit Jahrhunderten nicht mehr in Abhaileon gesehen worden war, den Ring der Regenten. „Jeder Lord und jeder Fürst Abhaileons wird wissen, dass dies der echte Ring ist“, fügte Ríochan hinzu. „Das Wissen darum wird als Familiengeheimnis vererbt.“

Ciaran blickt zu Riochan auf. „Dem König sei Dank, Abhaileon wird wieder einen Regenten haben. Wer soll ihn tragen?“
Der Fürst von Alandas blickte ihn ernst an. „Das werden nur du und die beiden anderen Ritter wissen, bevor es sich endgültig entscheidet. Falls Dorban nicht stirbt oder auf die Seite des Feindes geht, soll er Regent von Abhaileon sein. Doch er darf das auf keinen Fall vor Mittsommer erfahren. – Bis dahin wirst du das Siegel an der Hand tragen.“
Ciaran wurde bleich. „Wenn ich das tue, wird jeder überzeugt sein, ich erhebe den Anspruch, der Regent zu sein“, sagte er leise.
„Ja“, bestätigte Ríochan. „Doch das ist noch nicht alles. Es mag sein, dass der Ring nicht an Dorban gehen kann oder darf, dann wirst du Regent von Abhaileon sein. Du allein musst entscheiden, wenn es soweit ist.“

Ciaran wich einen Schritt zurück. „Herr“, sagte er, „ich verdiene Euer Vertrauen nicht. Ihr solltet das nicht in meine Verantwortung stellen, ich könnte versagen.“
„Und wem sollte ich es anvertrauen, wenn nicht einem Ritter des Königs?“ entgegnete Ríochan.
Er schloss die Hand über dem Siegel und Ciaran sah einen Ring mit blauem Stein an seinem Finger. „Der Ring ist nur ein Zeichen“, sagte Ríochan. „Er ändert nicht, wer ich bin. Ich trage ihn, weil ich hier diene und ich die Verantwortung trage. Wenn ich ihn ablege, muss ihn ein anderer nehmen. Doch ich diene immer demselben Herrn, an jedem Ort, in jeder Funktion.“
Ciaran sah ihn lange an. Er trat wieder näher, ohne den Blick von Ríochan abzuwenden. „Ich nehme das Siegel aus Eurer Hand, Fürst von Alandas“, sagte er, „ich nehme es als die Bürde, die es ist und als das Mittel, das nötig sein mag, um meinen Auftrag auszuführen. Aber in mein Herz schreibe ich Euer Bild und werde mein Bestes tun, zu handeln wie Ihr.“ Er nahm den Ring aus der Hand des Fürsten und steckte ihn, ohne darauf zu sehen, an seinen rechten Ringfinger. Dem Gefühl nach saß er dort wie für diese Hand gemacht.
Der Fürst neigte kurz und anerkennend den Kopf. „Der Ring ist die Aufgabe. Dein Schwert macht ist, was du bist. Ziehe es nie, ohne dessen zu gedenken. – Und nun müssen wir aufbrechen.“

„Wartet“, bat Ciaran. „Eines möchte ich noch fragen.“ Ríochan sah ihn abwartend an.
 „Ich begegnete Patris Erendar.“ Er hielt inne, aber Ríochan schwieg nur. „Es scheint, er steckt in sehr großen Schwierigkeiten?“
„So könnte man es ausdrücken“, Ríochans Stimme war vollkommen neutral.
„Er versuchte, mir zu helfen. Es hätte niemanden genutzt. Aber ich fragte ihn, ob ich ihm helfen dürfe, wenn es mir gelänge, aus meiner misslichen Lage herauszukommen. Er sagte, vielleicht nähme er es an.“ Ríochan erwiderte nichts. „Gibt es eine Hoffnung für ihn?“
Ríochans Blick war sehr ernst. „Das liegt an ihm allein. Er ist frei zu wählen, genau wie du. Doch ich weiß nicht, was sein Herz so erreichen könnte, dass er seine bisherige Entscheidung ändert.“ Es war deutlich, dass damit für ihn alles gesagt war.

Auf einen leisen Ruf des Fürsten hin kamen drei Pferde angetrabt. Ein wunderschöner goldfarbener Hengst, ein ebenso prächtiger Rappe und Ciarans Brauner. Ciaran war erfreut, sein vertrautes Reittier wiederzusehen, das ihn eifrig begrüßte. Dann musterte er bewundernd die beiden anderen Pferde. ´Wer wird mit uns reiten?´ fragte er dann. ´Ich sehe, daß Rappe wie Goldfuchs gesattelt sind.´
´Der Rappe wird seinen Reiter dort treffen, wo wir uns trennen´, antwortete Ríochan und blickte ihn wieder sehr ernst an. Ciaran schien es, als male sich in seinen schönen Zügen Trauer. ´Dies ist einer der hohen Preise, die in diesem Krieg gezahlt werden müssen.´
´Ein wahrhaft königlicher Preis´, stimmte Ciaran zu. Gerne hätte er nachgefragt, was den Fürsten dabei so betrübte. Aber er wagte es nicht, und unaufgefordert wurde ihm nicht mehr mitgeteilt.

Schon nach kurzem Ritt gelangten sie zur Uibhnequelle. Ciaran wußte, daß das Tal, in dem dieser Fluß entsprang etliche Tagesritte östlich von Gleann Fhírinne lag. Wie waren sie so schnell dorthin gelangt? Waren die Entfernungen in Alandas anders bemessen? Oder wie lange war er bewußtlos gewesen und an diesen neuen Ort gebracht worden? ´Du wirst Daliní leicht finden, wenn du dem Wasserlauf folgst´, sagte Ríochan. ´Geh mit allem Segen, den ich dir weitergeben kann und eile!´ Er zögerte. „Noch eines: Dein Weg geht bis ins Herz der Dunkelheit; nur jenseits davon kann Abhaileon wieder ins Licht gelangen.“
´Mein Fürst´, sagte Ciaran. Sein Herz war voll, doch seine Stimme versagte ihm. So beugte er sich aus dem Sattel zu Ríochan hinüber und küßte den Saphirring an der Hand des Fürsten. Dann galoppierte er davon, ohne sich nochmals umzudrehen.
Ríochan blickte ihm nach, wie er auf den Rand des Bergwaldes zusprengte. ´Mein mutiger Ritter und mein wahrer Regent´, sagte er leise. ´Es gibt wenige, die eine Treue haben, die der deinen gleicht. Mögest du so groß werden, wie es dir bestimmt ist.´

´Da reitet er hin, der kleine Narr´, rief eine andere Stimme verächtlich. Es war Barraid, der aus dem Schatten der Bäume hervortrat. ´Oder bist du der größere Narr? Ich sah den Siegelring der Regenten Abhaileons an seiner Hand. Die Karten sind schlecht für dich gemischt, Ríochan, wenn so deine Asse aussehen. Ich hätte nicht gedacht, daß du ihm diese Rolle zugedacht hast. Oder denkst du, du kannst so meinen Blick von Dorban lenken?´ Er ergriff die Zügel des Rappen und schwang sich auf dessen Rücken. Das Pferd tänzelte nervös und schnaubte unwillig, mußte sich aber dann der starken Hand seines Reiters fügen.
´Noch hast du nicht gewonnen´, entgegnete Ríochan ruhig.
Barraids schwarze Augen funkelten spöttisch: ´Bist du blind geworden, Fürst von Alandas? Schau dich um in diesem Land, auf wessen Stimme die Menschen hören, nach wessen Regeln sie leben. Zähle nach, wieviele hier noch von deinem König wissen wollen, du wirst nicht lange dazu brauchen. Meine Zeit ist gekommen. Bald werden mir alle Welten gehören. Aber diese wird die erste sein. - Barraid, König über Abhaileon, wie gefällt dir das?´ Er unterstrich seine Worte mit einer eleganten, herablassenden Geste.
Es war keine bloße Prahlerei. Er war von seinem Erfolg überzeugt. Ein unbedarfter Beobachter hätte seinem siegbewußten Auftreten, seiner Grandezza, die königliche Herkunft zu verraten schien, kaum die Bewunderung versagen können. Ríochan ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken; er kannte sein Gegenüber viel zu gut. ´Ich weiß, daß dein Hochmut keine Grenzen kennt´, sagte er knapp. ´Nicht ich bin blind. Du bist es. Der Herr, dein und mein Herr, auch wenn du es nicht wahrhaben willst, hat die Macht, dich zu vernichten. Eines Tages wird die dir gesetzte Frist abgelaufen sein.´

´Und wann soll das sein?´ lachte Barraid. ´Es wird nie geschehen. O ja, ich kenne die Macht, über die er verfügen könnte. Niemand kennt sie besser als ich, denn ich begehre sie. Er jedoch hat sich an Regeln und Gesetze gebunden, die ihn hindern, davon wirklich Gebrauch zu machen. Die Macht gehört in meine Hände.- Ich mache dir ein Angebot, Ríochan, denn ich weiß, daß du ein großer Krieger bist. Einer der größten nach mir. Schließe den Pakt mit mir. Ich verlange nicht viel, nur deine strikte Neutralität. Denn wenn du meinen Sieg auch nicht verhindern kannst, vermagst du mir doch einigen Schaden zuzufügen. Als Gegenleistung für deine Neutralität überlasse ich dir für immer die unbeschränkte, hörst du, die unbeschränkte Herrschaft über Alandas und ein weiteres Land deiner Wahl.´
´Du verschenkst, was du nicht hast´, sagte Ríochan gelassen. ´Doch selbst, wenn es dir gehörte: Niemals werde ich dir in die Dunkelheit folgen  Und du irrst dich, wenn du meinst, du könntest je die Macht an dich reißen. Das Wesen der Macht ist Liebe. Du hast vergessen, was dieses Wort bedeutet.´
´Liebe ist eine Illusion´, erwiderte Barraid. ´Eine Lüge, die die Freiheit zum Handeln nimmt. Eine Erfindung, die von euch benutzt wird, um selbst an der Macht zu bleiben, die die Forderungen nach Gehorsam und Unterwerfung bemäntelt. Ein Mittel für Schwächlinge, um alle anderen zu unterjochen. Denn das ist das wahre Wesen der Macht: die Herrschaft auszuüben und alles, was sich ihr entgegenstellt zu vernichten.
Ihr nennt mich einen Meister der Lüge, wenn meine Listen und Strategien Erfolg haben. Aber diese größte Lüge ist eure Erfindung. Es gibt keine Liebe, nur den Kampf um die Macht mit allen Mitteln. Denk über meine Worte nach; mein Angebot bleibt bestehen. Höchstens, daß es nicht mehr ganz so großzügig sein wird, wenn deine Macht noch viel weiter sinkt. Du wirst bald feststellen, daß einige deiner Pläne bereits gescheitert sind.´ Mit diesen Worten wendete er sein Pferd und ritt davon.

Über den Bergen lag das Licht der Frühsommersonne.

ENDE VON TEIL I

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