Dienstag, 6. September 2011

Kapitel 24.1


XXIV Ein Gespinst von Lügen

Isabell dachte gründlich darüber nach, was sie anziehen solle. Das war keine Frage der Eitelkeit. Nun, zugegeben, nicht nur. Es musste nämlich auch die Praktikabilität bedacht werden. Wenn sie nach Abhaileon ging, brauchte sie praktische Kleidung.  Aber sie wollte auch gut aussehen, wenn sie ihren geheimnisvollen Gönner traf. In Abhaileon schien man oft zu reiten. Also kein Kleid, denn im Damensattel würde sie kaum zurecht kommen. Ehrlich gesagt, wollte sie das auch nicht. Demnach mussten es Hosen sein. Das war ärgerlich. Sie liebte Röcke. Nun, sie hatte gelesen, man könne Röcke umnähen, dass sie zweigeteilt waren und dennoch wie Röcke aussahen, und sie konnte nähen. Aber sie wusste nicht wie und die Zeit war zu knapp. Die Geschäfte konnte man auch vergessen. Sinnlos dort die Zeit mit Suchen zu verschwenden. Noch dazu jetzt im Winter. Und dann sollten es ja auch keine Jeanshosen sein, das passte nicht ins Quasi-Mittelalter Abhaileons. Die Überlegungen reduzierten die Auswahl auf genau zwei Stücke. Mit einem Seufzer entschied sie sich für eine dunkelgrüne Lodenhose.
Was noch? Sie hatte brauchbare Stiefel und einen akzeptablen Mantel. Was darunter kam, war nicht so schwierig auszusuchen. Und sonst? Sie konnte schlecht Gepäck spazieren tragen. Höchstens eine kleine Tasche: also Kamm, Zahnbürste, etwas Deo und für alle Fälle etwas Schokolade. – Dann ein nervöser Blick auf die Uhr. Sie musste sich jetzt beeilen. Allein die Vorstellung, dieses Treffen zu verpassen, war ein wahrer Alptraum.
Gut, dass sie allein wohnte. Haustiere waren auch keine zu versorgen. Um die Pflanzen würde sich die Putzfrau kümmern, die einmal in der Woche kam. Einer Freundin hatte sie einen weiteren Schlüssel gegeben, sie werde wohl verreisen hatte sie etwas vage angekündigt. Eine Überraschungsfahrt ins Blaue sozusagen. Lena hatte den Kopf geschüttelt und sie vor Enttäuschungen gewarnt, aber offensichtlich keinen Verdacht geschöpft.

Es waren nicht viele Spaziergänger unterwegs. Nicht um diese Uhrzeit. Ihr Ziel war etwas abgelegen wenn auch an einer asphaltierten Straße. Die Dämmerung setzte schon allmählich ein, es war noch nicht lange seit der Wintersonnwende. Die Weihnachtsfeiertage hatte sie dieses Mal auch nicht recht genießen können. Abhaileon war fast zu einer Besessenheit geworden.
Sie blickte auf ihre Armbanduhr. Sie würde sich bemühen, exakt pünktlich zu sein. Eine Verspätung hätte als Desinteresse ausgelegt werden können. Das musste sie unbedingt vermeiden. Doch zu früh zu kommen, würde sie übereifrig erscheinen lassen.
Dort lag die Kreuzung. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Unter genauer Beobachtung des Sekundenzeigers und Anpassung ihres Schritts erreichte sie die Stelle exakt um vier Uhr. Aber da war niemand.
Ein Wagen fuhr vorüber. Eine teure Marke mit verdunkelten Fenstern. Sie ging ein paar Schritte zurück. Es lag Schneematsch und der Fahrer schien keine Rücksicht auf Passanten zu nehmen. Sie spähte in Richtung des Waldrandes und die Straßen entlang, aber weiterhin rührte sich nichts. Es war kalt. Sie begann die Straße ein paar Schritte in jede Richtung auf und ab zu gehen. Es wurde dunkler. Der Wagen mit den verdunkelten Fenstern kam zurück. Die Scheinwerfer waren noch nicht eingeschaltet. Das Kennzeichen sagte ihr nichts. Vielleicht hatten sie sich verfahren. Das Auto fuhr jetzt langsamer.

Neben ihr kam er zu stehen, die rückwärtige Seitentür neben ihr wurde geöffnet. „Steigen Sie ein!“ forderte eine Männerstimme auf.
„Warum sollte ich?“ fragte Isabell. „Den Weg kann ich Ihnen auch so sagen.“
Der Passagier lachte. „Auch den Weg nach Abhaileon?“
Sie stieg ein. Der Wagen fuhr sofort wieder an. Sie suchte nach den Sicherheitsgurten, aber da war keiner. „Keine Sorge“, sagte der Mann. „Es wird keinen Unfall geben.“
Sie betrachtete ihn näher. Er war insgesamt ziemlich unauffällig. Korrekt gekleidet – ein teuer aussehender Anzug, um genau zu sein. Lederstiefel. Ein leichter Mantel lag neben ihm auf dem Sitz. Ein Durchschnittsgesicht. Braune Haare. Etwas anderes war auffällig. Die Scheiben des Wagens waren auch von innen nach außen opak.  „Warum muss das alles so geheimnisvoll vor sich gehen?“ wollte sie wissen.
Er antwortete höflich. „Mein Vorgesetzter legt größten Wert darauf, nichts dem Zufall zu überlassen. Ihr Name ist Isabell?“ Sie nickte. „Und Robert Arnold ...?“
„... ist mein Cousin. Aber wer sind Sie? Und wer ist Ihr Vorgesetzter?“ Die Sitze waren bequem. Der Fahrer saß hinter einer Trennwand, sie konnte nichts von ihm sehen. Es war fast wie in einem kleinen Wohnzimmer.

Ihr Begleiter öffnete eine Bordbar. „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Mein Name ist Sirok. Mein Vorgesetzter zieht es vermutlich vor, sich Ihnen selbst vorzustellen.“
Sie akzeptierte ein Wasser. Etwas Heißes wäre Ihr lieber gewesen, aber das schien nicht vorgesehen zu sein.
„Sie werden mich nach Abhaileon bringen?“
Sirok – war das nun sein Vor- oder sein Nachname, fragte sie sich – zögerte etwas. „Es scheint, Sie werden dort benötigt“, sagte er. Er bot ihr Gebäck an. „Weiß jemand, was sie heute Nachmittag vorhatten?“
„Sie meinen, ob ich mit jemandem über Abhaileon und Ihre Nachrichten gesprochen habe? Nein.“
Er schien überrascht. „Ist das nicht unvorsichtig? Sie wissen schließlich nicht, auf was Sie sich einlassen.“
Sie lachte. „Das weiß ich wirklich nicht genau. Andererseits. Wer kann schon von Abhaileon und all dem anderen wissen außer jemandem, der damit zu tun hat. Ich will nach Abhaileon. Mir wird ein Weg angeboten. Ich weiß nicht, wo sich da die Gefahr verbergen sollte. Wer auf Arda wüsste davon oder könnte es ausnutzen?“
„Eine gute Frage“, bestätigte er. „Ihr Cousin, inwieweit hat er Sie über alles unterrichtet?“
„Wir haben über einiges gesprochen“, sagte sie. „Doch er war selbst nicht sehr gut informiert, wie es schien.“
„Sprach er von dem Gegner?“
„Ja, aber das war das Vageste von allem.“ Sie aß einen der Kekse.
„Sie werden noch einiges über das Thema lernen“, sagte Sirok. Doch seine Stimme klang irgendwie fern. Sie war müde. Sie ...

Als sie wieder erwachte, hatte sie große Schwierigkeiten, sich zurecht zu finden. Sie lag zumindest drei Minuten da und dachte immer noch etwas benommen darüber nach, dass über ihr ein Zeltdach war. Das Dach eines hohen Zeltes, und es schien Sommer zu sein, denn es war warm. Ihre noch schlaftrunkene Erinnerung konnte keinen passenden Zusammenhang zur Verfügung stellen. Sie blickte sich genauer um. Es war ein Faltbett, auf dem sie lag. Der Boden war mit Teppichen ausgelegt und in ihrer Nähe gab es ein Tischchen mit Waschschüssel. Eine Truhe war auch da. Ein Kleid mit geteiltem Rock lag darauf bereit. Abhaileon! Sie sah an sich herab, sie trug noch den Pullover und die Hose, die sie an jenem Winternachmittag angezogen hatte. Sie setzte sich auf und tauchte die Hand in die Waschschüssel, zog sie über das Gesicht, um wacher zu werden.
„Darf ich eintreten?“ erkundigte sich eine angenehme Stimme.
„Ja“, antwortete sie etwas zögernd. Jemand schlug eine Zeltplane zurück. Einen kurzen Moment wurde der Blick frei auf eine Wiese und Wald, gesattelte Pferde, dann verdeckte die Plane wieder die Sicht. Der Mann, der eingetreten war, lächelte. Er war ganz in Schwarz gekleidet. Der Schnitt war uniformartig, aber der Mantel um seine Schultern entsprach keinem Stil, den sie kannte. Die Haare waren dunkel und kurz, wenn auch nicht militärisch kurz, geschnitten. Seine Augen waren von einem ungewöhnlichen dunklen Grau, das einzige in seinem Gesicht, das ihn auffallen ließ. „Man nennt mich Akan“, sagte er mit einer leichten Verbeugung. „Willkommen in Abhaileon, Lady Isabell.“

Trotz seiner relativen Unauffälligkeit war etwas Dominierendes an ihm. Sie war sich nicht sicher, in was es zum Ausdruck kam, aber es war unleugbar vorhanden. „Ich nehme an, Sie sind der Vorgesetzte Siroks“, sagte sie möglichst kühl.
„So würde man es auf Arda nennen“, bestätigte er. „Er hat Euer Missfallen erregt?“
„Nur insofern, dass er offenbar Ihren Auftrag ausführte, mir ein Betäubungsmittel zu verabreichen.“ Sie fühlte, dass der Zorn in ihr immer mehr anstieg, je mehr sie daran dachte.
Er zuckte bedauernd mit den Schultern. „Die Weltentore sind ein Geheimnis, das wohl gehütet wird.“ Er lächelte entschuldigend. Er hatte ein durchaus einnehmendes Lächeln. „Hätte uns mehr Zeit zur Verfügung gestanden, hätten wir Euch vorher ausreichend aufklären und noch behutsamer vorgehen können. Doch die Zeit drängt. – Ihr habt das östlichste der Tore durchquert, dennoch wird es uns fast einen Monat kosten, bis nach Burg Carraig zu kommen, wo Fürst Barraid Euch erwartet.“
„Ihr seid also kein Fürst“, stellte sie immer noch ärgerlich fest. „Ich vermutete, Siroks Vorgesetzter sei der große Drahtzieher  in dieser Angelegenheit.“
„Wisst Ihr“, sagte Akan. Sein linker Mundwinkel zuckte in leichter Ironie. „Ihr habt tatsächlich einiges gemeinsam mit Lady Elianna, nicht nur das Aussehen. – Ich bin einer der Lords des Fürsten.“
„Ihr liebt Schwarz?“
„Nicht meine Wahl“, antwortete er leichthin. „Der Fürst hat es zu seiner Farbe erwählt. Doch es hat durchaus auch seine Vorteile. – Ihr zumindest seid nicht daran gebunden. Ich würde übrigens vorschlagen, dass Ihr Euch umzieht. Eure derzeitige Kleidung passt noch nicht ganz in diese Welt.“ Er verbeugte sich wieder leicht und wollte das Zelt verlassen.
„Was, wenn es nicht passt?“, rief sie.
„Seid versichert, es wird passen“, entgegnete er höflich aber selbstsicher und ging.
Isabell war neugierig auf das Kleid und noch neugieriger auf Abhaileon. Sie war auch entschlossen, ihre Rolle möglichst perfekt einzunehmen. Es dauerte keine fünf Minuten bis sie die Kleidung gewechselt hatte und aus dem Zelt trat. Das Kleid passte tatsächlich perfekt.

******

Mittsommer rückte näher. Ein Tag erwachte strahlender als der vorhergehende. Eine Nacht war weiter in die Ferne gerückt, als die, die ihr jeweils vorangegangen war. Alle Tage wurden vom Sonnenlicht erhellt und die Nacht von Sternen durchglänzt. Wie Juwelen schimmerten sie am samtblauen, klaren Himmel über den Bergen. Nichts trübte ihr Licht. Kein Dunst, kein noch so feiner Schleier. Noch war die schwüle Sommerhitze fern. Noch deuteten sich keine Gewitter an. Carraig schien eine Insel des Lichts zu sein. Es spiegelte sich wider im feinen Lächeln des Fürsten. Es zeigte sich in Asrains fröhlichem Lachen. Alles und alle strahlten und brillierten. Nur Robin war bedrückt.

Die körperliche Schwäche war vorübergegangen. Die wenigen qualvollen Erinnerungen an Cardolan versanken immmer mehr im Vergessen. Aber ganz im Kontrast zu seiner Umgebung wurde es in Robins Herzen immer dunkler. Was er auch tat und dachte, er fühlte sich schuldig. Glaubte er den freundlichen Gesichtern und dem Licht um sich, fühlte er sich als Verräter gegen seinen König, seinen Auftrag, seine Freunde. Nannte er die ihm erwiesene Freundschaft und Gastfreundlichkeit Lüge, so erschien es ihm als himmelschreiender Undank. Wo war die Wahrheit geblieben? Ihm war, wie es schien, jeder Maßstab für gut und böse verloren gegangen. Wie gerne hätte er nach seinen Erinnerungen geurteilt. Doch - waren es denn wirklich Erinnerungen oder nur Träume? Alles war so klar umrissen gewesen. Schwarz war schwarz, und weiß war weiß. Damals vor Cardolan. Der Fürst von Carraig war ein Teufel und der Fürst in Bailodia ein Engelfürst. War Carraig nicht düster und bedrohlich gewesen, damals im Herbst, als Dorban ihn und Béarisean dorthin geleitete? Doch konnte er diesen Erinnerungen (Träumen?) wirklich trauen?
Und die lange Zeit, die Monate, für die ihm jetzt weitgehend die Erinnerung fehlte. All die Zeit, die seit der Ankunft in Alandas vergangen war. Schemenhaft rief er sich Tage voller Regen ins Gedächtnis, eine wilde Verfolgungsjagd durch die Wälder, eine weite, schneebedeckte Heidelandschaft voller Findlinge, den Kerker von Cardolan. Das war alles. Was war genau geschehen? Eindeutig, mit seinem Gedächtnis war nicht alles in Ordnung. Und die verrückten Dinge, an die er sich noch erinnerte. Der Drache war noch das Harmloseste. Aber Ríochan, der Fürst einer Welt, die für die meisten unsichtbar blieb, in einem Land im Norden, auf dem ewig Sommersonne lag. Und dann noch die Sache mit Hibhgawl. Sollte es wirklich gewesen sein? Träume wurden nicht wahr!  Wie gut erinnerte er sich noch an jene Nacht, als er träumte, ein schwarzes Pferd stehe unter seinem Fenster. Nicht Hibhgawl, aber er war bereit gewesen, sich mit dem zufriedenzugeben, das er bekommen konnte. Jemand gab ihm damals einen Auftrag, er hatte einen Prinz von Ecrin davor zu warnen, eine Stadt Corrugh anzugreifen. Es schien so real damals. Aber der Morgen hatte ihn mit der so anderen Wirklichkeit konfrontiert.
Es war der Beginn einer grauenvollen Zeit gewesen. Es tat sehr weh, aus solchen Träumen zu erwachen, in den Scherben zerbrochener Hoffnung. - Aber wenn es doch wahr war, all das, was nun wie ein Traum erschien, dann war er auf Carraig in einer üblen Lage. Dennoch wäre selbst diese besser gewesen, als dieses Umhertasten im Nebel der Ungewißheiten. Wie nur herauskommen aus diesem Teufelskreis?

Da war nur eine Sache, in der er weitgehende Kontrolle hatte: sein körperliches Training. Er arbeitete jeden Tag bis zur Erschöpfung daran, seine Kondition wieder aufzubauen. Asrain schüttelte oft ärgerlich den Kopf über seine Ungeduld. Das mochte auch daran liegen, dass über seinen Anstrengungen und den danach dringend nötigen Ruhephasen kaum Zeit für anderes blieb. Asrain versuchte hartnäckigst mit ihm ins Gespräch zu kommen. Es war unmöglich dem ganz zu entgehen, ohne alle Höflichkeit zu verletzen. – Da war wieder diese Unsicherheit. Wäre er sich sicher gewesen, dass der Lord nur eine Art Dämon war, er hätte keinen Gedanken an Höflichkeit verschwendet. Aber er konnte sich nie wirklich sicher sein. Sie waren alle so unglaublich normal, so alltäglich.
Er lernte auch ein paar der anderen Winianer kennen. Da war Lord Lùg, ein blonder junger Mann, für den Spott anscheinend das tägliche Brot war. Manchmal waren seine Bemerkungen amüsant, manchmal gar zu zynisch, aber hinter all dem ließ sich eine ungeheure Intelligenz erkennen. Asrain behandelte den jungen Lord meist recht kühl. Das mochte daran liegen, dass dieser es auch ganz bewusst darauf anlegte, den anderen zu reizen. Vielleicht lag es auch daran, dass beide ziemlich eitel waren und miteinander darum konkurrierten, wer am besten aussah. Doch mit Lùg hatte er nicht sehr oft zu tun. Er schien ein enger Ratgeber des Fürsten selbst zu sein, und diesen bekam er nur äußerst selten zu Gesicht.
Lady Lillian war Lùgs Schwester. Sie war genauso blond wie er. Eine selbstbewusste junge Dame, die mit allem und jedem kokettierte. Aber das mochte auch nur aufgesetzt sein. Darunter schien sie oft verletzlich. Sie sah wirklich gut aus, aber etwas störte Robin an ihrer Art. Er konnte nicht sagen was, doch er war erleichtert, wenn sie nicht in der Nähe war.
Dann war da Lord Fíanael. Dieser Lord war äußerst beunruhigend. Er wirkte irgendwie finster, raubtierhaft mit seinen geschmeidigen Bewegungen. Wenn die Lage zwischen Asrain und Lùg leicht angespannt genannt werden konnte. Zwischen Fíanael und Asrain schien fast Feindschaft zu bestehen. Sie kam nicht in Worten zum Ausdruck, aber in zahlreichen Seitenblicken. Fíanael kannte keine Scherze. Dennoch schien er weniger Probleme mit dem oft spottenden Lùg zu haben als der sonst doch so gut aufgelegte Asrain.
Zu guter letzt gab es noch Lord Dimail. Mit ihm hatte Robin am allerwenigsten zu tun. Soweit Robin es verstand, hatte er die Hauptaufsicht über die Truppen Carraigs. Er sprach gerne über Waffen und Taktik, war aber im ganzen sehr zurückhaltend gegenüber dem Gast.

Von einem weiteren Lord kannte er nur den Namen. Lord Akan wurde immer wieder erwähnt. Eigentlich war er derzeit Befehlshaber auf Cardolan, hörte er, doch war er anscheinend schon seit dem Herbst nicht mehr dort gewesen. Soweit Robin es verstand, war er in einer dringenden Angelegenheit in den Westen geschickt worden. Asrains Blick verdüsterte sich unweigerlich, wenn er nur den Namen hörte, aber es war nicht aus ihm herauzuholen, was es mit diesem Akan auf sich hatte.
Lùg lachte nur, als er ihn darüber befragte und meinte, er sollte sich mit Akan gut verstehen, da sie beide Musik sehr schätzten. Lillian schnaubte nur verächtlich, wenn sie von ihm hörte und Fíanael ... Sicher, Fíanael war nie besonders zugänglich, aber sobald die Rede auf Akan kam, verschloss er sich völlig. Dimail meinte nur, er sei ein perfekter Offizier, äußerst exakt. Robin war sich nicht sicher; er hatte den Eindruck gehabt, dass Dimail auf der Hut war, sobald Akan erwähnt wurde.
Wieder ein anderes Kapitel waren Erkundigungen über Fürst Barraid. Höchstens dass die Auskünfte, die keine waren, ein noch tieferes Schweigen verkündeten. Der einzige, der überhaupt Bemerkungen über ihn machte, war Lùg. Seine Worte waren spöttisch wie in allem. Die Reaktion aller anderen darauf war ein ausgesprochen düsteres Schweigen. – Hier auf Carraig hatte das Schweigen viele Nuancen schien es Robin. – Dieses Schweigen lag, wie es schien, nicht daran, dass der Fürst bei den anderen so beliebt gewesen wäre. Doch auch der Respekt, mit dem sie stets von ihm sprachen, hatte eine seltsame Färbung.
Der Fürst auf Carraig. Er schien viel beschäftigt zu sein. Robin hatte ihn nicht mehr persönlich gesprochen seit jenem Tag, an dem er auf Carraig erwacht war. Manchmal sah er ihn von ferne – und wusste einfach nicht, was er denken sollte.

„Wisst Ihr, Asrain“, der Lord war ihm gerade wieder besonders lästig, und er suchte nach einem Mittel, ihn loszuwerden. Manchmal gelang es, wenn dem anderen ein Thema nicht genehm war. Vermutete Robin zumindest, ganz sicher war er sich auch hierin nicht. „ Ich kann mir wirklich nicht erklären, was Ihr an meiner Gesellschaft findet. Mit jedem sonst hier befindet Ihr Euch im Austausch von mehr oder weniger offenen Feindseligkeiten. Es ist mir ein Rätsel, was Euch an mir so gefallen sollte. Erklärt es mir.“
Asrain zögerte nur ganz kurz mit der Antwort. „Vielleicht weil Ihr anders seid“, schlug er vor. „Außerdem stimmt das nicht, das mit den Feindseligkeiten, wie Ihr es nennt. Dimail und ich kommen ganz gut zurecht.“
„Nun ja“, meinte Robin skeptisch. „Es stimmt, dass die Temperatur im Raum nicht ganz so sinkt, wenn Ihr Euch begegnet, als es bei den anderen der Fall ist. Doch das ist auch schon alles.“
„Wir kommen zurecht. Alle.“ erklärte Asrain in fast neutralem Ton. „Wir arbeiten zusammen. Wir erreichen unsere Ziele.“

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