Dienstag, 6. September 2011

Kapitel 23.1


XXIII Der Schlüssel zur Freiheit

„Ich lege ihm den Schlüssel des Hauses David auf die Schulter, was er öffnet, kann niemand verschließen, und was er verschließt, kann niemand mehr öffnen. - Ich habe ihn geschaffen, den Gefangenen zu sagen: Kommt heraus!, und denen, die in der Finsternis sind: Kommt ans Licht!“                                                                                                                                           Jes. 22,22; 49,8-9

Mit lautem Heulen zischte ein Geschoß durch die Dunkelheit und detonierte unter ohrenbetäubendem Krachen am anderen Ufer des kleinen, fast ausgetrockneten Flusses. Ein kurzer Lichtblitz erhellte für Sekundenbruchteile die ganze Umgegend, ließ Felsen und Trümmer, aus der Finsternis auftauchend, zu ungeheuerlichen Schatten heranwachsen und verlosch wieder. Erdbrocken prasselten auf die zwei Männer nieder, die, dicht an den Boden gepresst, hinter der nicht ausreichenden Deckung eines größeren Steines kauerten.
„Dieser fehlgegangene Schuss hätte uns beinahe erwischt“, stellte einer der beiden mit gezwungen ruhiger Stimme fest. Weiter flussabwärts ratterte heftiges Maschinengewehrfeuer. Schreie klangen auf, verzerrt und unmenschlich. „Wir sollten zusehen, daß wir schleunigst von hier fort kommen, bevor sich der Kampf bis hierher verlagert.“
„Was in aller Teufel Namen ist passiert“, stieß der andere hervor. „Ist das nun der Weltuntergang?“
„Ganz und gar nicht“, erwiderte sein Kamerad grimmig. „Das ist in manchen Gegenden dieser schönen Welt der Alltag. Aber jetzt ist keine Zeit für Erklärungen. Komm!“ Er zerrte seinen Gefährten, der sich sträubte, die Deckung zu verlassen, hoch und hinter dem Felsen hervor. „Lass uns rennen, solange wir eine Chance haben, daß sie uns nicht entdecken!“
Mit diesen Worten spurtete er los. Richtung flussaufwärts – genau genommen war es nur ein Flussbett. Das war hier irgendeine Halbwüste oder Steppe. Weiter flußab explodierten ein paar weitere Geschosse in schneller Folge. Der andere Mann war ebenfalls aufgestanden, zögerte aber, als habe er gute Lust, sich gleich wieder im Schutz des großen Steines zu ducken. Unentschlossen blickte er zwischen dem Gefährten und ihrem vorhergehenden Unterschlupf hin und her. Dann kam er zu der Auffassung, daß allein in diesem Inferno zurückzubleiben noch übler sei, als die ohnehin kaum ausreichende Deckung zu verlassen, begann ebenfalls zu laufen und rief: „Warte, Bearisean! Las mich hier nicht allein!“ In seiner Stimme schwang Panik.

Bearisean verlangsamte seinen Spurt, bis der andere aufgeschlossen hatte. Sie eilten gemeinsam weiter, hatten jedoch noch keine große Strecke hinter sich gebracht, als ein neuer Pfeifton sie aufhorchen ließ. Plötzlich wurde es fast taghell. Zumindest erschien es ihren an die Dunkelheit gewöhnten Augen zunächst so. Bearisean riss seinen Gefährten mit zu Boden, als er sich hinwarf. „Verdammt! Das hat uns gerade noch gefehlt“, stöhnte er. „Sie haben Leuchtkugeln.“
Auf Dorbans schreckensbleichem Gesicht  malte sich ein schwaches Grinsen, als er das hörte. „Gut zu wissen, daß es etwas gibt, das selbst einen Ritter des Königs zum Fluchen bringt“, flüsterte er. „Was jetzt? Und was sind Leuchtkugeln?“
„Später“, zischte Bearisean. Er hoffte, dass sie in eine Richtung gelaufen waren, die keine der feindlichen Parteien absuchen würde, dass es ihnen gelingen würde, den Ort des Kampfgeschehens zu verlassen. Vorsichtig begann er in Richtung des nächsten Felsens zu robben, der annähernd groß genug schien, um dahinter etwas Schutz zu finden. Er wusste, dass er selten so außer Fassung gewesen war wie jetzt. Doch das wollte er sich nicht anmerken lassen, schon gar nicht vor Dorban. Der hielt sich beachtlich gut, obwohl für ihn das alles noch erschreckender sein musste. Dorban war ja noch nie auf Arda gewesen und kannte nicht einmal Gerüchte über Infernos wie das, in dem sie sich so unerwartet gefunden hatten. Selbst ihm fiel es schwer zu glauben, was geschehen war. Vor allem war er sich nicht sicher, wer dahinter stand. Hatte der König selbst ihnen eine rettende Tür geöffnet oder amüsierte Barraid sich jetzt irgendwo über ihre bedrängte Lage? Weder der eine noch der andere Gedanke machte wirklich Sinn. Denn wenn dies eine Rettung war, schien sie seltsam missglückt. Doch wären sie noch in Abhaileon, wären sie jetzt in den Händen der Gegner.
Während sie im Schutz der nächsten Deckung lagen und nach einer Gelegenheit suchten weiterzukommen, versuchte er über seinen eigenen Schock hinwegzukommen: Er war zurück in Arda und saß vermutlich dort fest.

Als er im Torseachtal gestolpert war und dabei wohl mit dem Kopf an einen Felsen stieß, hatte er erwartet, in der Hand der Feinde zu erwachen. Doch als er die Augen öffnete, war es zwar dunkel, aber keine Fesseln hinderten seine Arme sich aufzustützen. Der Boden war steinig. Aber da war kein Wasser mehr in der Nähe. Er lauschte. Nein, keine Andeutung davon. Es war kühl, doch bei weitem nicht so kalt wie dort am Idrimsee. Dann war der erste Schock gekommen: Sein Schwert war nicht mehr da. Hastig tastete er danach. Es war mitsamt dem Schwertgürtel verschwunden! Also war er doch ein Gefangener. Vielleicht fehlten die Fesseln, weil er in ein Verlies gesperrt war, den Boden eines Schachtes? Doch nein. Als sich seine Augen mehr an die Dunkelheit gewöhnten erkannte er, dass er im Freien war. Eine vollkommen fremde Landschaft lag da um ihn. Eine kahle Landschaft. Vielleicht gar nicht so unähnlich der Ostheide im Sommer, es sei denn, dass es hier noch weniger Vegetation gab. Auch waren die Felsen anders, kantiger.
Eine schwache Erinnerung stieg auf. Er wollte sie verwerfen, aber hartnäckig kam sie zurück. Finger von Nebel hatten sich über den Pfad am Wildfluss geschoben kurz bevor er stürzte. Nebel wie an den Weltentoren. Doch so weit im Osten? Es gab nicht den geringsten Hinweis, dass ausgerechnet am fernen Idrimsee sich eines dieser Tore befinden könnte. Sie lagen doch sonst alle im Westen Abhaileons! Dann war das hier vielleicht auch gar nicht Arda, wie er schon befürchtet hatte. Doch wenn nicht Arda, dann vielleicht Winian selbst? Ihn schauderte. Was konnte sie in jener Welt erwarten. Sie! Wo war Dorban überhaupt?
Er wagte es nicht, laut zu rufen. Der Himmel mochte wissen, was er anlockte, wenn er in dieser unbekannten Welt lärmte. Zunächst tastete er den Boden um sich ab, in der vagen Hoffnung, doch noch irgendwie auf sein Schwert zu stoßen. Dabei wurde ihm auch klar, dass nicht nur der Schwertgürtel weg war, auch sein Brustpanzer war nicht mehr vorhanden! Er runzelte die Stirn und überprüfte den Inhalt seiner Taschen so gut es ging. Nichts sonst schien zu fehlen. Auch sein Dolch war noch vorhanden. Es machte wirklich überhaupt keinen Sinn!
Dann jedoch erinnerte er sich an etwas, das Kurt einmal gesagt hatte. In Arda sei fast alles Wesentliche unsichtbar. Er hatte es kaum beachtet damals. Arda war immer nur eine befremdliche Durchgangsstation gewesen. „Es ist eine Welt voller Illusionen“, hatte Kurt gesagt, „und die Wirklichkeit ist tief verborgen.“ Sie hatten über Alandas gesprochen damals. Kurt hatte ein paar der Unterschiede erklärt zwischen der abhaileonischen und der ardanischen Weltanschauung. In den folgenden Jahren hatte er dann festgestellt, dass der Grund für diese Unterschiede wohl auch darin lag, dass die Ardaner blind waren für Dinge, die ihnen doch klar vor Augen liegen mussten. Er hatte es bei Kurt einmal angesprochen, und der hatte geantwortet. „Die Abhaileoner sind näher an der Wirklichkeit und ihre Augen verstehen daher besser, sie zu erkennen.“ Nicht dass er das wirklich begriffen hätte.
Aber er wusste, dass es in Arda kein Äquivalent für Alandas gab, obwohl auch dorthin wohl Diener des Königs kamen. Hätte er nur mehr nachgefragt, statt den Kopf zu schütteln und sich nach Abhaileon zu sehnen! Vielleicht war er jetzt auf Arda – und alles aus Alandas war unsichtbar hier!

Er flüsterte Dorbans Namen gerade so laut, wie er es wagte, machte ein paar Schritte in verschiedenen Richtungen. Sie waren nicht weit von einander entfernt gewesen, dort in der Wildflussschlucht. Er stolperte fast, als er plötzlich gegen etwas Weiches stieß. Er sah genauer hin und erkannte im schwachen Licht unter dem verhangenen Nachthimmel eine zusammengekauerte Gestalt. Die Konturen stimmten in etwa: Das war Dorban. Er schien am Leben und bei Bewusstsein zu sein. Aber warum hatte er nicht geantwortet?
Er legte ihm die Hand auf die Schulter: „Kommt schon, steht auf!“ Seine Stimme klang resignierter als ihm lieb war.
Es war Dorban. Denn er antwortete auf Abhaileonisch. Genau genommen antwortete er nicht, sondern schrie auf. „Geh weg, Dämon!“ rief er mit sich überkippender Stimme und versuchte zurückzuweichen.
„Leise!“ fauchte Bearisean gedämpft. „Ich bin es, Bearisean, und der König allein weiß, ob dieser Ort hier sicher ist.“
„Bearisean?“ Dorban atmete zitternd. „Seid Ihr es wirklich?“
„Nein, ich bin nur eine Illusion!“ schnappte Bearisean. Er fühlte sich so hilflos. Ohne sein Schwert, was war er dann noch! Hatte Ríochan gewusst, dass das hier geschehen würde? Hätte er selbst gewusst, er müsse zurück nach Arda – nun, dann hätte er alles getan, wie er es getan hatte, gestand er sich selber niedergeschlagen ein. Und er hatte eine Aufgabe, an die ihn ein heiliges Versprechen band. „Natürlich bin ich es wirklich“, fügte er ruhiger hinzu. „Ihr glaubt also jetzt an Dämonen?“
Dorban antwortete eine ganze Weile gar nichts. Als er dann sprach, hörte sich wieder mehr wie er selbst an. „Was hat uns hierher gebracht, wenn nicht Zauberei? Der Schwarze Fürst ...“
„... hat hiermit vermutlich nichts zu tun“, beendete Bearisean den Satz. Er setzte sich neben den Lord und lehnte sich an den Felsen. „Ich bin mir selbst nicht ganz sicher. Noch nicht. Aber der Schwarze Fürst, ihm hätte es am besten in die Hände gespielt, wenn seine Schergen uns dort am Idrimsee ergriffen hätten. Das hier“, er machte eine ausholende Handbewegung, die man wohl auch im Dunkeln wahrnehmen musste, „ist ein Ort, der es auch für ihn etwas komplizierter macht. So vermute ich wenigstens. Immer vorausgesetzt, dass ich mich nicht darüber täusche, wo wir sind, natürlich.“

„Wo sind wir dann?“ fragte Dorban.
„Erinnert Ihr Euch an Nebel dort am Wildflussufer?“ fragte Bearisean zurück.
„Ja, da waren einzelne Schwaden, die über den Boden strichen. Ich stolperte deswegen. Hat das etwas mit dem hier zu tun?“
„Möglicherweise“, sagte Bearisean. „Es hieß immer die Weltentore seien alle im Westen. Doch beide Male, als ich eines von ihnen durchquerte, kam Nebel auf. Mehr als dort am Idrimsee. Einen Augenblick war die Hand vor Augen nicht zu sehen, und dann war die Welt in alle Richtungen des Himmels eine andere. Das hier war ähnlich, aber ungleich abrupter und unsanfter.“
„Weltentore“, sagte Dorban langsam. „Laut der Prophezeiung musstet Ihr nach Arda um Ritter Anno zu finden. Ist das hier ...?“ Seine letzten Worte gingen in einem lauten Heulen und darauf folgenden Krachen unter. Etwas weiter talabwärts explodierten Erde und Felsen. Die nächsten Detonationen ließen nicht lange auf sich warten. Feuerstrahlen sprangen unter Brüllen vom Boden auf. Dann ratterten Schüsse. Einzelne Schreie klangen dazwischen auf, fast überdeckt von dem restlichen Inferno. Das Ganze schien sich zu nähern.
Bearisean packte Dorban am Ärmel. „Wir müssen hier weg! Sofort!“ rief er in dessen Ohr. Zu laufen wagte er nicht. Aber es lag genug Geröll herum, und sie waren dunkel gekleidet. Vielleicht fielen sie niemandem auf, wenn sie es auf Händen und Knien versuchten.
Leider schien sich der Kampfschauplatz mit ihnen zu verlagern. Ganz konnte Bearisean es ohnehin nicht begreifen, wer da mit wem kämpfte und wie. Es waren wohl Flugzeuge beteiligt und Bodentruppen, und beide Seiten schienen über ein nicht unbeträchtliches Arsenal zu verfügen. Ein paar Mal ratterten auch Motorräder oder eine Art kleine Lastwagen weiter weg vorüber. Sobald er die Motoren auch nur von weitem hörte, drückten sie sich an den Boden, bis die Fahrzeuge vorüber waren. Einmal sahen sie sogar Menschen. Eine Gruppe von  weniger als zehn hastete mit schussbereiten Waffen und Deckung suchend in die Richtung aus der sie kamen. Sie selbst blieben unbemerkt.

Erst als der Morgen graute, wagte Bearisean, sich etwas zu entspannen. Sie hatten jetzt schon längere Zeit keine Schüsse mehr gehört, ja überhaupt keine Zeichen von Leben mehr wahrgenommen, abgesehen von einem fernen Rattern. Ein Helikopter, vermutete Bearisean. Er betrachte den heller werdenden Himmel und seufzte. „Ich wünschte, es bliebe noch etwas länger Nacht“, murmelte er.
Dorban sah ihn verständnislos an. „Von uns weiß doch vermutlich niemand. Der Vorteil sollte im Hellen auf unserer Seite sein.“
„Sie können hier Geräte bauen, die in der Luft fliegen und in denen Leute fliegen können. Und sie bauen andere Dinge, mit denen sie über große Distanzen sehen können. Wir können leicht entdeckt werden.“
„Das hier war wohl eine Art Schlacht?“ erkundigte Dorban sich vorsichtig. „Da waren Menschen, und die Schreie klangen nach Kampf. Auch wenn das andere ... Waren das Drachen, die da Feuer spuckten? Und dieses Brüllen!“
„Es gibt keine Drachen hier“, antwortete Bearisean. „Es sind alles Geräte, die sie bauen. Waffen. Sie haben da Dinge, die können viele hundert Menschen auf einmal töten. Das heute Nacht waren noch nicht die allerschlimmsten. Dem König sei Dank! Sonst hätten wir das nicht überlebt.“
„Und das ist also Arda“, stellte Dorban halb fragend fest.
„Es sieht sehr danach aus“, Bearisean zuckte die Schultern. „Ich kann es nicht ausschließen, dass es auch andere Welten von dieser Sorte gibt.“ Er war müde, nicht nur von der Nacht, die hinter ihnen lag. Es war auch eine seelische Müdigkeit.
„Anno  ist ein noch größerer Ritter, als ich dachte“, sagte Dorban nachdenklich. „Warum hat er keine dieser Waffen mitgebracht nach Abhaileon? Das hätte doch Eure Aufgabe um einiges erleichtern können.“
„Wir sind Ritter des Königs“, sagte Bearisean fest. „Unsere Schwerter sind mehr wert als diese Dinge da!“
„Eure Schwerter“, wiederholte Dorban. „Ich verlor meines dort in der Wildflussschlucht. Ihr das Eure auch, wie es scheint.“

Bearisean legte den Kopf auf die angezogenen Knie und sagte lange nichts. Da war keine Zeit gewesen, an Robin zu denken, während die Schlacht um sie tobte.  Was mochte dort weit weg in der Ostheide nun geschehen? War er entkommen? War er tot, in Gefangenschaft, oder irrte zu Winteranfang durch die Ostheide, ohne noch eine der wenigen Siedlungen erreichen zu können? Es wäre besser gewesen, ihre Rollen wären jetzt vertauscht. Nur dass er hier in Arda vielleicht noch verlorener war als Robin in der Ostheide. Er begann ein Gebet zu flüstern und entschied nach den ersten Worten, es nicht halb zu machen. Er erhob sich auf die Knie und senkte den Kopf.
Mit der Zeit fand er zu mehr Ruhe zurück. Dorban unterbrach ihn mit keinem Wort. Als Bearisean sich schließlich wieder zu ihm umdrehte, saß er noch immer da wie zuvor und betrachtete ihn ausdruckslos. „Ich werde mein Schwert wiederfinden, wenn wir zurück in Abhaileon sind“, sagte Bearisean.
„Das haben wohl Barraids Leute“, meinte Dorban skeptisch.
Bearisean schüttelte den Kopf. „Nein, es blieb nicht am Wildfluss zurück. Aber, das jetzt zu erklären, wäre zu kompliziert. Nur haben wir ein Problem. Es wird nicht ganz einfach sein zurückzukehren.“
„Tja“, meint Dorban. „Ich vermute da, wo wir hergekommen sind, ist jetzt noch immer die Hölle los.“
Bearisean nickte. „Vermutlich sowohl hier als auch in Abhaileon. Und ich bezweifle, dass wir es überhaupt wiederfinden könnten, selbst wenn es möglich wäre. Leider befinden sich die beiden einzigen anderen Weltentore von denen ich weiß vermutlich etwa so weit von hier, wie es von der Ostheide bis zur Westküste ist.“
„Dann sollten wir besser gehen“, meinte Dorban und stand auf. „Wo genau sind wir hier eigentlich?“
„Das kann ich erst sagen, wenn wir auf Menschen treffen“, antwortete Bearisean. Er erhob sich auch:  „Und das möchte ich vorerst lieber einmal vermeiden.“
„Wir haben nichts zu tun mit ihren Kriegen“, sagte Dorban. „Oder gibt es hier viele Banditen?“
„Das wohl auch“, vermutete Bearisean. „Doch in den Kriegen hier interessiert es die beteiligten Parteien oft nicht, ob jemand wirklich an dem Konflikt beteiligt ist oder nicht. Und wir sind Fremde. Wer auch immer hier lebt, wird uns wahrscheinlich als Feinde betrachten.“
„Was ist mit der Gastfreundschaft?“
„Vielleicht haben wir Glück“, meinte Bearisean, aber er war nicht sehr hoffnungsvoll. „Nun, gleich was wir alles zu bedenken haben. Zuallererst benötigen wir Wasser, und dann sollten wir die nächste größere Stadt finden. Vielleicht gelingt es mir, einen Bekannten zu erreichen, der uns helfen kann. Wir können es uns nicht leisten, hier Wochen zu verlieren.“
„Es wäre schon ärgerlich“, sagte Dorban. „Doch bei dieser Distanz ist es wohl kaum vermeidbar. Und immerhin ist hier kein Winter. In der Ostheide säßen wir auch bis zum Frühling fest.“
„Es gibt da noch ein Problem“, sagte Bearisean. „Die Zeit verläuft in Arda anders als in Abhaileon. Ein Tag, den wir hier verbringen, kann uns in Abhaileon eine Woche kosten, einen Monat oder vielleicht noch mehr. Es ist ziemlich unberechenbar, abgesehen davon, dass die ardanische Zeit langsamer ist als unsere.“

„Aber das sind dann alle Probleme?“ fragte Dorban nach, nachdem er das Vorhergehende gründlich bedacht hatte.
„Nein“, sagte Bearisean. „Das ist vermutlich erst der Anfang. Es ist natürlich möglich, dass wir heute noch eine Stadt finden, dass jemand unsere Sprache versteht, uns Geld leiht und es mir gelingt Kontakt mit meinem Bekannten aufzunehmen, der dann vielleicht alles andere für uns arrangieren kann. Er war damals sehr gut darin, so etwas zu regeln. Ansonsten könnte es sehr schwierig werden.“
„Was genau heißt das?“ beharrte Dorban.
„Es fängt damit an, dass wir einige Landesgrenzen überqueren müssen. Und hier in Arda ist es ziemlich schwierig, eine Grenze zu überqueren, wenn man nicht Papiere hat, auf denen steht, dass man über diese Grenze darf, aus welchem Land in Arda man stammt, wo genau man dort lebt – und noch einiges mehr. Ziemlich jeder Ardaner hat solche Papiere ab der Geburt – und wenn man nicht hier geboren ist, ist es schwierig, sich welche zu beschaffen. Ich wüsste gar nicht wie.“
Dorban schüttelte den Kopf. „Eine sehr seltsame Welt“, sagte er. „Gibt es hier so wenig Menschen, dass sich fast alle kennen können?“
„Ganz im Gegenteil. Es gibt hier Städte, in denen mehr Menschen leben als in ganz Abhaileon.“
Dorban sah ihn zweifelnd von der Seite an. „Ich vermute, ein Ritter des Königs sagt die Wahrheit?“
„Beim König selbst, ich sage die reine Wahrheit“, erklärte Bearisean.
„Aber wie ... ?“ begann Dorban wieder.
„Vielleicht können wir das auf die Zeit verschieben, wenn wir Wasser gefunden haben“, schlug Bearisean vor. „Ich habe die Befürchtung, dass es bald ziemlich heiß wird in dieser Gegend.“

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