Montag, 25. Juli 2011

Kapitel 10.3


“Das erinnert mich an etwas, das ich gerne noch genauer wissen wollte”, sagte Robin. “Wie ist das mit Barraids Fähigkeiten in Abhaileon? Es scheint, er kann dort nicht ganz so frei walten wie in Arda.”
“Ihm sind auch in Arda Grenzen gesetzt”, warf Rodil ein.
Ríochan nickte. “Doch in Abhaileon gelten ganz besondere Regeln für seine wie für unsere Seite. Zwischen uns besteht ein altes Abkommen, dass wir auf dem Boden Abhaileons alle die Fähigkeiten nicht einsetzen dürfen, die uns für gewöhnlich zur Verfügung stehen, die aber den Bewohnern Abhaileons nicht zugänglich sind. Wir sind also an die Naturgesetze Abhaileons gebunden. Solange Barraid in Abhaileon mit den Mitteln Abhaileons arbeitet, kann ich wenig tun. Nur wenn er diese Gesetze offenkundig bricht, oder mich die Herrscher des ganzen Landes um mein Eingreifen bitten, kann ich helfen.”
“Es würde mich sehr erstaunen, wenn er sich wirklich an die Regeln hält”, sagte Béarisean.
„Dass er sie bei jeder Gelegenheit bricht, daran zweifle ich nicht“, sagte der Fürst. „Aber hast du Beweise in den Händen? Er ist klug und gerissen und trotz aller Einschränkungen, denen auch er in Abhaileon unterliegt, sehr mächtig. Außerdem solltest du die Möglichkeiten, die ihm so wie es ist, offen stehen, nicht unterschätzen.”
“Aber du bist stärker als er, Ríochan. Damals am Ende der Großen Kriege hast du sein Heer vernichtend geschlagen und ihn selbst in die Flucht gejagt.”
“Nicht ich bin stärker”, sagte Ríochan. “Ich würde es jedenfalls auf keine Machtprobe mit ihm ankommen lassen. Doch es ist etwas anderes, wenn ich den Befehl des Königs selbst ausführe.”

“Sind es diese Regeln, wegen derer du nicht offener in die Geschicke Abhaileons eingreifen kannst?” wollte Robin wissen.
Ríochan nickte. “Ich habe nur so viel Einfluss dort, wie mir zugestanden wird. Deswegen kann ich keine Boten nach Abhaileon schicken, so wie es steht. Unter der Herrschaft Colins war es fast wieder wie in den alten Zeiten. Doch schon sein Nachfolger fürchtete mich mehr, als dass er mir vertrauen wollte. Damals schien es vielen, die Bedrohung durch den Schwarzen Fürsten sei auf immer gebannt – und sie zogen es vor, ihr Schicksal wieder selbst ganz in die Hand zu nehmen.”
“Wäre er nur damals vernichtet worden”, rief Béarisean heftig. “Wie viel Elend hätte es allen erspart.”
„Es war nicht die Zeit und nicht mein Auftrag, ihn zu vernichten.”
“Auch diesmal kann er nur zurückgeschlagen werden”, warf Robin ein, “selbst wenn ich diesen Kampf gewinnen sollte.”

Béarisean betrachtete ihn verwundert: “Woher weißt du das alles? In Arda zweifelte ich, ob du wirklich der gesuchte Ritter sein kannst. In Abhaileon schien es, dass du zwar dieser Ritter bist, aber dieser Aufgabe nicht gewachsen sein kannst. Aber seit wir in Alandas sind, sprichst du über Dinge, von denen ich noch nie gehört habe.”
Rodil blickte ihn an. “Das zeigt nur, dass du nicht viel über Arda weißt. Jene Welt ist zerrissen von den unaufhörlichen Kämpfen. Wer dort bestehen will, braucht noch mehr Weisheit als Kampffertigkeiten.”
“Ich war dort neun Jahre lang”, wandte Béarisean ein.
“Du warst sehr abgeschirmt von allem”, entgegnete Rodil. “Du hattest deine Aufgabe und Roean hat nach Möglichkeit alles Weitere von dir fern gehalten.”
“Roean?”
“Kurt. Ein alter Freund.”
“Wer ist er wirklich?” wollte Béarisean wissen. “Robin brachte mich auf ein paar Fragen, aber ich hatte keine Gelegenheit mehr sie zu stellen. Gehört er zu Alandas?”
“Er gehört nach Arda, und das tut alles nichts zur Sache. Es ist ihm neun Jahre lang gelungen, deine Entdeckung zu verhindern.”

“Etwas ist seltsam”, sagte Robin plötzlich. “Wir haben Boten aus Alandas gesehen in der Nähe von Croinathír. Aber Ríochan sagte doch gerade, er könne niemanden schicken.”
“Wen  oder was habt ihr genau gesehen?” fragte Rodil interessiert. Sie erzählten.
Rodil und Ríochan sahen sich an. Der Fürst schüttelte leicht den Kopf. “Sie waren nicht aus Alandas. Erzählt mir mehr über das mit dem Zettel!” Das führte zu weiteren Fragen. Schließlich hatten sie fast die ganze Geschichte ihrer bisherigen Reise erzählt.
“Da stimmt etwas nicht”, erklärte Rodil. “Etwas fehlt hier noch. Woher hatte der Gegner die Information, dass ihr in Croinathír seid und wo genau?”
“Da war etwas Seltsames.” Robin erzählte von der Waffenkammer, dem seltsamen Dokument und Thomas‘ Bemerkungen über den Imreacher Erendar. “Es war, nun, als ob etwas eben nicht stimmte. Béarisean fühlte es auch.”
“Er muss gewusst haben, dass sie dorthin kommen würden”, sagte Rodil, “und hat eine Falle gestellt, die offensichtlich ausgelöst wurde. Ist es möglich?”

“Wartet!”, sagte Ríochan. Er ging an die Tür und rief Alif zu sich. Sie sprachen eine Weile leise miteinander, dann kam er zurück. “Es gab da einen sehr vagen Hinweis. Aber er hat Fíanael bei sich, der ist ein Meister in solchen Deutungen. Der Rest war ein bisschen Zauberei, wie es scheint.”
 “Aber was ist denn nun mit den weiß gekleideten Sängern?” fragte Béarisean verwirrt.
“Ich weiß es nicht”, antwortete Ríochan. “Vielleicht war es eine Vision. Weiß Barraid davon?” Sie nickten. “Das wird ihn beunruhigen.”
“Es hat ihn beunruhigt”, bestätigte Béarisean. ”Es war auch noch ein Grund, warum er plötzlich das Interesse an uns verlor.”
“Ausgleichende Gerechtigkeit”, bemerkte Rodil. “Lassen wir es dabei.” Ríochan nickte.

“Habt ihr noch andere wichtige Fragen”, erkundigte er sich.
“Mir fällt nur eine ein”, sagte Robin. “Wer ist der dritte Ritter? Doch sicherlich nicht Dorban, auch wenn er einmal Regent werden soll.”
“Dorban ist es nicht”, bestätigte Ríochan, “und es ist besser, wenn niemand einen Hinweis hat, wer es ist.” Er blickte Robin an. “Was hältst du davon, unseren schwarzmähnigen Freund zu besuchen?”
Robin strahlte auf. “Sehr viel.” sagte er. Dann verdüsterte sich sein Gesicht wieder. “Wie viel Zeit haben wir, bevor wir uns wieder trennen müssen?”
“Zwei oder drei Wochen” sagte Ríochan. “Ich verliere ungern überhaupt einen Tag. Aber ich werde dich nicht gehen lassen, bevor du mit deinem Schwert gut umgehen kannst.”
Robin war skeptisch: “Das ist sehr wenig Zeit. Béarisean hat mir bisher auch etwa zwei Wochen Unterricht gegeben und mir fehlt noch sehr viel.”
Rodil lachte. “Der Fürst von Alandas hat dir sein Wort gegeben. Wenn Ríochan sagt, du wirst in zwei oder drei Wochen kämpfen können, dann kannst du es. Ich fürchte nur, dabei wird dir wenig Zeit für dieses wilde schwarze Pferd bleiben.”

Hibhgawl begrüßte sie schon von weitem mit lautem Wiehern. Er stand auf einer kleinen Koppel am Rande der Stallungen und setzte mit einem Sprung über die Einzäunung, als er sie kommen sah.
“Das sieht aus, als könne er jederzeit wieder entlaufen”, bemerkte Béarisean zu Rodil, der neben ihm stehen geblieben war, während Robin und Ríochan dem Hengst entgegengingen.
“Er wird bleiben. Besonders jetzt, wie es aussieht. Er und Ríochan kennen sich schon von Anfang an.”
“Wie kam es überhaupt, dass Barraid ihn so lange besaß?”
Rodil zögerte, erzählte dann aber: “Vor langer Zeit gehörten er und Barraid zusammen. Ich kann sie noch gut vor mir sehen: ein wilder stolzer Reiter auf einem wilden stolzen Pferd. Selbst als Barraid dann gegen den König rebellierte, ging Hibhgawl zunächst mit ihm. Ich glaube, es fiel ihm schwer zu begreifen, was da wirklich geschah. Du siehst ja, wie er die liebt, die er seine Reiter sein lässt.” Er machte eine Kopfbewegung zu dem begeisterten Pferd, zu dem lachenden Ríochan und dem strahlenden Robin. “Irgendwann tauchte er bei Ríochan auf. Wilder denn je, aber, wie es scheint, sehr ausgehungert nach Freundschaft. Vielleicht weil er wusste, dass niemand seine Trauer besser verstehen konnte.”
Béarisean runzelte die Stirn. “Du sagtest, er und Ríochan kannten sich von Anfang an. Das hieße, er und Barraid ...”
“... waren einmal Brüder. – Es ist lange her.”
“Und Ihr?”
“Ich bin aus Azarad.” Sein Lächeln enthielt etwas Wehmut. “Ein Reich, das genauso untergegangen ist wie all die anderen in jenem ersten Krieg. – Ich glaube, wir können nun  näher kommen.” Der Rappe stand jetzt zufrieden zwischen seinen beiden Freunden und ließ sich streicheln. Rodil sprach ihn an, als er herbei trat: “Ich grüße dich, Hibhgawl.”
Der Hengst schnaubte leise zur Antwort. Rodil zwinkerte Béarisean zu: “Du siehst, mich duldet er nur großzügig, genau wie dich.”

“Schöner”, sagte Ríochan zu dem Pferd. “weißt du, was für eine Rolle du noch spielen musst in diesem Kampf um Abhaileon?” Der Rappe schüttelte seine Mähne und schnaubte wieder. Dann tänzelte er ein paar Schritte nach hinten, stieg und lief davon.
“Er weiß es”, übersetzte Rodil für Béarisean. “Aber es gefällt ihm nicht und er will nicht darüber sprechen.”
Ríochan wandte sich an Robin: “Das Training beginnt morgen früh. Nutze den Nachmittag, danach wird es hart für dich werden. – Béarisean, du kannst dir ein Pferd aussuchen, wenn du die beiden begleiten willst. Wir sehen uns dann morgen.”
“Ja, komm mit, Béarisean”, lud Robin ein, “lass uns ein wenig durch Alandas reiten.” Dann folgte er dem Rappen, der in einiger Entfernung stehen geblieben war.

“Komm”, sagte Rodil, “ich helfe dir ein Pferd aussuchen und zeige dir, wo du Sattel und Zaumzeug findest. Es sei denn, du willst dem Beispiel deines Freundes folgen.” Robin schwang sich gerade auf den Rücken des Rappen, der nur ein lockeres Stallhalfter trug.
“Danke, ich bevorzuge wirklich Sattel und Zaumzeug”, sagte der Ritter.
Wenig später durchquerten sie das westliche Stadttor und streiften für den Rest des Tages durch die Wiesen und Haine vor der Stadt. Die Landschaft war wie ein riesiger Park voller Vögel und kleiner Bäche und Seen. Sie fanden auch einige Nüsse und Beeren und kehrten erst nach Einbruch der Dämmerung zurück. Béarisean brachte sein Pferd zurück in den Stall, Robin ließ den Rappen einfach laufen, nachdem er ihn gestriegelt hatte.

Kurz nachdem sie den Palast wieder betreten hatten, hielt Béarisean ihn auf. “Das ist die falsche Richtung.”
“Nicht zur Säulenhalle”, entgegnete Robin. “Vielleicht lässt Alif mich noch einmal hinein.”
“Heute Morgen sagte er, es sei eine besondere Ehre, dorthin gebeten zu werden.”
“Ich weiß, aber das ist wichtig.”
Der Platz vor der Säulenhalle war leer, aber kurz darauf fanden sie Alif. Robin trug ihm sein Anliegen vor.
Alif war unschlüssig. “Ich habe diesbezüglich keine Anweisungen des Fürsten erhalten.”
“Es ist wirklich sehr wichtig”, beharrte Robin. “Könntet Ihr den Fürsten um Erlaubnis für mich bitten oder darf er jetzt nicht gestört werden?”
Alif willigte ein, es zu versuchen. Nach kurzer Zeit kehrte er zurück. Er schien überrascht. “Ihr habt die Erlaubnis. Der Fürst lässt Euch nur ausrichten, ihr möget auch daran denken zu schlafen, da der morgige Tag anstrengend werde.”
Robin nickte. Er hielt Wort. Schon nach einer halben Stunde verließ er die Säulenhalle wieder.

“Worum ging das?” fragte Béarisean, der ihn begleitet hatte, schließlich. “Wenn ich fragen darf.”
“Ich weiß nicht, ob ich es erklären kann”, sagte Robin. “Ich versuche, diesen Tag fest in meiner Erinnerung zu verankern. Heute, das war wie ein einziger wundervoller Traum. Aber ich weiß, dass ich nicht bleiben kann. Vielleicht hilft es mir stark zu bleiben, wenn die Schwierigkeiten kommen.”
******
“Das hast du noch nie getan.” Selbst Rodil war verblüfft, als Alif gegangen war. Und dann noch erstaunter: “Du bist um etwas besorgt. Was ist es?”
“Ich habe noch nie jemanden in so etwas hineinschicken müssen”, sagte Ríochan. “Nicht dass einer dieser Ritter es jemals leicht hätte. Aber das was da vor ihm liegt; ich würde zögern auch nur die besten meiner Leute in so etwas zu schicken.”
“Genug um Engel zu Fall zu bringen, also. Was ist mit mir?”
Ríochan lächelte. “Leider kannst du diese Aufgabe genau so wenig übernehmen wie ich.”
“Lass mich mit ihm gehen. Ich werde ihm heimlich folgen und versuchen, das Schlimmste zu verhindern.”
“Ich hoffte, du würdest das sagen. Du allein kannst frei nach Abhaileon. Aber selbst so wird es Orte geben, an die du ihm nicht folgen kannst. Und du darfst nur ihm helfen, aber keinesfalls verhindern, was sonst geschieht.”
„Gut“, stimmte Rodil zu. „Wenn das alles ist, was ich tun kann, werde ich zumindest das tun.“
*******
Alif weckte sie bereits im ersten Morgengrauen. Rodil erwartete sie im Hof mit den Pferden. An diesem Tag trug sogar der Rappe Sattel und Zügel. Bevor Robin fragen konnte, erklärte Rodil: “Wir werden im Gelände üben, damit du auf das Schwierigste vorbereitet bist. Und du musst auch mit dem Kampf vom Pferderücken aus vertraut sein. Das geht nicht ohne Zaumzeug.”
Ríochan erwartete sie vor der Stadt. Er forderte Béarisean auf, als erster sein Können zu zeigen. Rodil und Robin gingen zur Seite. Robin wollte sich auf einen Baumstamm setzen, aber Rodil hielt ihn davon ab. Robin fühlte sich ein wenig verletzt, dass er nun doch nicht gleich seine Lektion erhielt. Doch Rodil sagte zu ihm: “Du hast hier keine Pause. Wir werden jede Parade genau durchgehen.” Da verstand er, dass auch diese Übung in erster Linie für ihn gedacht war.
Béarisean zog sein Schwert und ging in die Anfangsposition, aber Ríochan schüttelte den Kopf, den Schildarm in die Hüfte gestemmt. ”So kannst du mit einem gewöhnlichem Schwert kämpfen, aber nicht mit diesem. Wann immer du es ziehst, vergiss nicht, zu was es dich macht und in wessen Dienst, du es ziehst.”
Er ließ sein eigenes Schwert aus der Scheide gleiten und sagte: “Ehre dem König!” Das Sonnenlicht fing sich in der Klinge und ließ sie aufstrahlen, als stünde sie in Flammen. Das Licht tanzte über seinen Harnisch und blitzte auf seinem Stirnreif. Seine goldenen Haare und seine weiße Kleidung leuchteten hell.
Wie einem Reflex folgend knieten Béarisean und Robin nieder, wo sie standen, die Augen auf die leuchtende Erscheinung gerichtet. Robin fühlte Rodils Hand auf seiner Schulter: “Steh auf!” sagte er leise und als Robin der Aufforderung nachkam: “So hat der Fürst von Alandas sich euch wohl noch nicht gezeigt?” Robin schüttelte nur stumm den Kopf.
Béarisean kniete noch immer sprachlos dort auf der Wiese, das Schwert in der Hand, wie er es gezogen hatte. Ríochans Blick richtete sich auffordernd auf ihn. Langsam stand er auf und hob sein eigenes Schwert. “Ehre dem König!” sagte er laut und deutlich. Auch seine Klinge flammte auf und ließ das Licht auf seine Rüstung überspringen.
“An manchen Orten gezogen”, sagte Rodil leise, “wirst du dieses Schwert kaum einsetzen müssen, weil alles Finstere von selbst flieht. Aber in Abhaileon wird das fast nie der Fall sein. Dort wirst du das Licht nicht sehen und einfach dein ganzes Geschick einsetzen müssen. Gleich gegen welche Gegner. Aber du wirst von jetzt an wissen, was es heißt, dass du dieses Schwert gezogen hast und wie du in den Augen des Dunkels aussiehst, Ritter des Königs. Ziehe es nie für eine Aufgabe, die seiner nicht würdig ist.”

Ríochan blickte zu ihnen herüber und Rodil nickte. “Wir fangen an mit ein paar einfachen Angriffen und Kontern”, sagte er wieder leise, während Ríochan mit Béarisean sprach. “Du solltest das schon können, aber sobald die beiden damit durch sind, bist du an der Reihe. Für den Rest nehmen wir dann besser die Übungsschwerter. Du musst es spüren, wenn du einen Fehler machst, sonst merkst du es oft einfach nicht.”
Es wäre sicherlich falsch gewesen zu sagen, dass Ríochan ein unbarmherziger Lehrmeister war, aber nach einer halben Stunde mit dem Übungsschwert fühlte sich Robin, als bestehe er nur noch aus blauen Flecken. Rodil hatte sich währenddessen nicht etwa zu Béarisean gesetzt. Nein, er blieb in seiner Nähe und kommandierte die Bewegungen, die er machen sollte. Und als diese Runde endlich zu Ende war, konnte von Ausruhen keine Rede sein. Rodil blieb neben ihm, benannte jede einzelne Parade und ließ nicht zu, dass seine Aufmerksamkeit nachließ. Es tröstete Robin allerdings ein wenig, dass auch Béarisean offensichtlich Treffer um Treffer einstecken musste. Plötzlich entdeckte er es: “Das ist eine feste Abfolge”, sagte er.
“Gut”, sagte Rodil. “Bis die beiden fertig sind, solltest du sie wenigstens theoretisch auswendig können.”
Auf diesen Waffengang folgte die Übung der Abfolge allein in Angreifer- und Verteidigungsposition. Dann mussten Robin und Béarisean sie miteinander durchgehen. Und es war immer noch nicht Mittag. Aber die beiden Alander gewährten ihnen nur eine kurze Pause. Und so ging es weiter bis in die Abenddämmerung. Und der nächste Morgen kam viel zu früh. Auch wenn die meisten der blauen Flecke über Nacht wundersamerweise verheilt waren.

Am Morgen des sechsten Tages, der in dieser Weise verging, fragte Robin, als sie wieder zu dem üblichen Platz hinausritten - der Fürst kam diesmal direkt mit ihnen - halb im Scherz: “Ríochan, hast du nicht irgendwelche anderen dringenden Angelegenheiten zu erledigen?”
Der Fürst lachte: “Leider ja. Deswegen haben wir bisher besonders hart gearbeitet. Ich muss heute Mittag fort und komme erst in einigen Tagen wieder.” Béarisean versuchte vergebens seinen freudigen Gesichtsausdruck zu verbergen, wie Robin ingrimmig feststellte. “Ich habe Norin gebeten, euer zweiter Partner zu sein.”
“Darf ich raten”, meinte Béarisean resigniert. “Sie ist die nächstbeste nach Rodil? Könnten wir es nicht stattdessen mit Alif versuchen?”
Rodil und Ríochan lachten wieder. “Fast richtig, was Norin angeht”, sagte Rodil. “Aber dir stünde eine unangenehme Überraschung mit Alif bevor.”
Hibhgawl wieherte. Robin warf ihm einen ungnädigen Blick zu. “Du hast gar keinen Grund mitzureden, mein Lieber. Du isst nur den ganzen Tag Gras.”

“Wir könnten die Mittagspause auf zwei Stunden verlängern”, schlug Ríochan vor.
“Das finde ich etwas übertrieben”, meinte Rodil, aber sie sahen den Schalk in seinen Augen blitzen. Und, wie Robin erst jetzt auffiel, hatte er heute seine Harfe mitgebracht.


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