Montag, 25. Juli 2011

Kapitel 4.2

Donnacha war sichtlich nervös. „Nun, meine Damen und Herren“, sagte Estohar schließlich mit erhobener Stimme. „Ich denke, es wird Zeit, dass wir nun das erledigen, wozu wir hier zusammengekommen sind. Der Abend ist schon fortgeschritten, und ich nehme an, die meisten oder alle von Ihnen haben auch noch am morgigen Tag zahlreiche Verpflichtungen, denen sie nachkommen müssen. Ich bitte vielmals um Entschuldigung für meine eigene Verspätung. Doch zwingende Gründe, die ich Ihnen zurzeit noch nicht darlegen kann, hinderten mich, eher hier zu erscheinen. Hiermit erkläre ich nun diese Sitzung für eröffnet. Herr Donnacha, ich bitte darum, die Anwesenheitsliste durchzugehen und die Stimmfähigkeit festzustellen.“
Die Versammelten begaben sich auf ihre Plätze. Nach Erledigung der notwendigen Formalitäten warteten alle neugierig darauf, den Grund für die Einberufung der außergewöhnlichen Sitzung zu erfahren. Gerne hätte Donnacha seinen Antrag zurückgezogen. Aber er wagte es nicht. Turgan würde nicht sehr gewillt sein, die Schwierigkeiten zu verstehen. Er wartete schon zu lange darauf, den Ratsvorsitz zu übernehmen. Es war auch zu spät, die Wachen waren ausgetauscht, die Offiziere Ranalf und Colin arrestiert. Und es gab noch eine kleine Chance, dass sie gewinnen konnten. Falsche Zeugen und Unterlagen waren bereit, und vielleicht wirkte das Gift doch noch … Er wollte sich erheben, doch in diesem Augenblick öffnete sich die Tür des Saales und ein Diener Airens und ein weiterer Mann traten ein. Diesen zweiten konnte Donnacha für das erste nicht einordnen.
Der Diener zögerte etwas, blickte unentschieden von Donnacha auf Estohar. Aber der andere ging mit schnellen Schritten auf den Ratsvorsitzenden zu. Estohar erkannte ihn, ein Mann der Garde, der Name wollte ihm nicht einfallen, er war erst vor kurzer Zeit dazu gekommen. Doch er kam in Zivil. Estohar stand auf. „Bitte entschuldigt mich für eine Minute“, sagte er zu Donnacha, „ich hatte um schnelle Nachricht in einer dringenden internen Angelegenheit gebeten.“ Er sah die Unruhe in den Augen seines Stellvertreters und war froh, dass jemand so klug gewesen war, einen verhältnismäßig unauffälligen Boten zu schicken. Er ging dem Mann entgegen. Sie trafen sich in der Mitte des Saales.
Der Mann sagte leise: „Meldung von Hauptmann Ciaran. Die Wache vor dem Saal ist wieder die unsere. Wir kümmern uns gerade um die anderen.  Die Gegner vor unseren Quartieren wurden von einem Trupp mit Hauptmann Neill überwältigt. Die Hauptleute Colin und Ranalf konnten noch nicht gefunden werden.“
Estohar nickte. „Gute Arbeit.“ Die Details konnten bis später warten. Aber es war ohne Zweifel eine exzellente Leistung gewesen, die Wachen vor der Tür des Saales zu überwältigen, ohne dass man darin auch nur Anzeichen eines Tumultes gehört hatte.„Ich warte auf weitere Meldung. Lasst jeden festhalten, der jetzt den Saal verlässt! Und ich will Colin und Ranalf sofort sehen, wenn sie gefunden wurden.“ Der Mann nickte und ging.

Auch der Diener hatte sich entschieden. Mit einem letzten Blick auf Donnacha, der ihm ungeduldig gestikulierte, näher zu kommen, trat auch er an den Ratsvorsitzenden heran. Schon ein erster Blick auf seine Miene hatte zur Folge, dass Estohars Herz sich verkrampfte. Der Mann kämpfte mit den Worten. „Lady Airen“, sagte er und senkte den Kopf. „Sir, sie ist vor wenigen Minuten verstorben.“ Estohar fühlte selbst, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Einen Augenblick schwankte die Welt um ihn. War er fast gestolpert? Der andere machte eine Bewegung, als wolle er ihn stützen, aber brüsk winkte Estohar ab. Er konnte sich jetzt keine Schwäche erlauben.
Donnacha ließ den Ratsvorsitzenden nicht aus den Augen. Dass der Diener ihn missachtete war äußerst ärgerlich, auch wenn er sich sicher war, die Nachricht, die er brachte, zu kennen. Aber an dem anderen Mann war etwas gewesen, das ihn beunruhigte „Etwas stimmt nicht“, murmelte er. Er beugte sich zu seinem Mitverschwörer. „Alan, finde heraus, was dieser Bote wollte. Und sorge dafür, dass eine Wache an Estohars Haus kommt. Daran hätten wir schon früher denken sollen.“

Alan nickte. Mit raschen Schritten ging er auf die Tür zu, aber Estohar, der zu seinem Platz zurückgekommen war, hielt ihn mit scharfem Befehl auf: „Halt! Welch Geschäft Ihr auch vorhabt, Herr Alan, Ihr werdet es verschieben müssen!“ Alan blieb stehen. Es kam auf fünf Minuten nicht an. Er selbst würde es beruhigend finden, zu hören, dass zumindest der andere Teil seines Anschlages erfolgreich gewesen war. Estohars Erscheinen hatte ihn schon zweifeln lassen, ob man ihm wirklich das richtige Gift gegeben hatte.
Estohar setzte sich nicht wieder: „Mitglieder des Rates von Abhaileon“, sagte er leise aber doch gut hörbar. „Soeben erhielt ich die Nachricht, dass Lady Airen einem Herzversagen erlegen ist.“ Es war für eine Weile vollkommen still. Dann erhoben sich die Ratsmitglieder einer nach dem anderen. Die Gesichter vieler zeigten Betroffenheit. Schweigend standen sie und erwiesen so der Herrin der Burg von Croinathír die Ehre. Nach etwa fünf Minuten setzte Estohar sich als erster wieder. Er wartete ab, bis alle anderen seinem Beispiel gefolgt waren. Nur Alan drehte sich schnell um und verließ den Raum.
„Herr Donnacha“, sagte Estohar, „wir sind alle sehr gespannt, den dringenden Anlass der heutigen Sitzung zu erfahren.“
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Ciaran hatte die Sicherung des bereits zurückeroberten Teils des Palastes übernommen. Er blieb stets in der Nähe des Sitzungssaales. Neill sandte regelmäßige Meldungen über die Fortschritte in der Niederschlagung des Putsches, aber Ciaran wusste, dass es klüger war, sie zu sammeln, als jedes Mal damit zu Estohar zu stürzen. Dort im Saal saßen mit aller Wahrscheinlichkeit ein paar der Verräter, die nicht vorzeitig gewarnt werden durften. Sobald er mehr Männer zur Verfügung hatte, wollte er auch noch Wachen unter die Fenster des Saales stellen, doch jetzt wurden die meisten noch bei der Wiedereroberung des Palastes gebraucht. Einige waren auch noch nicht wiedergefunden worden, ganz wie Ranalf und Colin.
Zwei seiner Leute hatte er Zivil anziehen lassen. Damit konnten sie notfalls als Diener passieren, das hatte sich so schon mehrfach als nützlich erwiesen. Auch Neill hatte diese Guerillataktik übernommen. Es war leichter, die verstreuten Posten des Gegners so zu überrumpeln.

Die Tür des Saales öffnete sich. Alan trat eilig heraus, stutzte etwas, als er die Wachen sah, ging aber weiter. Ciaran der für ihn im toten Winkel stand, hatte er nicht bemerkt. Dieser winkte seinen beiden Männern in Zivil, die vor der nächsten Tür standen, zu. Sie ergriffen den Lord, als er an ihnen vorüber wollte. Ciaran war sofort bei ihnen. „Wir sollten uns ein wenig unterhalten, Herr Alan“, sagte er. „Da hinein!“ Er wies auf ein kleines Seitenzimmer, das keine weiteren Ausgänge und nur zwei kleine Fenster unter der Decke hatte. Bei Banketten wurde es als vorläufiger Abstellraum für Speisen und Getränke genutzt. Doch jetzt war es leer. Die Männer ließ er draußen warten.
„Was wollt Ihr?“ stieß Alan hervor, sobald sie allein waren. „Jedenfalls überschreitet Ihr gerade Eure Kompetenzen, Hauptmann!“

Ciaran zog beiläufig seinen Dolch aus dem Gürtel. Er lächelte Unheil verkündend. „Lady Airen ist tot“, sagte er dann. „Männer der Palastgarde wurden angegriffen. Und ich weiß, Ihr habt damit zu tun.“
Alan wich zurück. „Ich weiß nicht, wovon Ihr redet, Hauptmann. Ich protestiere energisch gegen das hier.“
Ciaran war mit zwei schnellen Schritten zu ihm heran. „Ich habe Lady Airen sehr verehrt“, sagte er leise. In seinen Augen glomm ein wilder Funke. „Und Ihr habt Euch an diesem Abend  äußerst auffällig benommen“. Die Nachricht vom Tod Lady Airens, die auch ihn erreicht hatte, hatte ihn zutiefst betroffen.
„Ihr habt keine Befugnis ...“
„Vielleicht habt Ihr schon gehört, dass ich nicht immer auf Befugnisse achte“, sagte Ciaran hart. In Wirklichkeit hatte er bisher niemals eine Regel gebrochen. Doch jetzt kam es ihm zugute, dass sein Ruf unter vielen anderes besagte. „Niemand wird später genau verfolgen können, was genau in den Wirren bei der Niederschlagung Eures Putschversuches geschehen ist.“ Alan begann der Schweiß auszubrechen. Diesem Dalinianer war alles zuzutrauen!
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Donnacha vermied es Estohar anzusehen, während er sprach: „So deutet alles darauf hin, dass diese beträchtlichen Summen unterschlagen worden sind. Herr Alan und ich haben bereits einige Nachforschungen angestellt, und sind zu dem Schluss gekommen, dass dies einem Mitglied unseres Rates anzulasten ist. Leider lässt die Last der Beweise, die wir angesammelt haben, nur noch eine Antwort zu: Der Schuldige ist Estohar von Tarim.“
Er hielt inne, um die Wirkung seiner Worte zu sehen. Aber es herrschte nur Schweigen. Mehrere der Ratsmitglieder blickten nur gelangweilt, andere offen zweifelnd. Estohar räusperte sich und fragte höflich: „Könnt Ihr der Versammlung auch Hinweise geben, was mit diesen Geldern geschehen sein soll? Wie Euch möglicherweise bekannt ist, verfüge ich selbst über ein nicht unbeträchtliches Vermögen.“

Estohars Freund Padraig stand auf: „Das ist das Ungeheuerlichste, was ich jemals gehört habe!“ erklärte er scharf. Ein paar der Anwesenden nickten zustimmend.
„Es gibt Beweise!“ Donnachas Stimme sollte nachdrücklich klingen, doch sie schwankte. „Und es gibt Zeugen. Die Gelder wurden benutzt, um im Geheimen die Machtposition des von mir Angeklagten auszubauen. Es bestehen Verdachtsmomente, dass er einen Umsturz plante. Die damit verbundenen finanziellen Anstrengungen waren nicht unbeträchtlich.“
„Es scheint fast, Ihr sprecht aus Erfahrung, Herr Donnacha“, bemerkte Estohar viel zu ruhig. „Ich bin sehr gespannt, die Beweise zu sehen und die Zeugen zu hören. Habt Ihr sie alle für den heutigen Abend bereit?“
„In der Tat habe ich einige der Unterlagen hier“, sagte Donnacha. „Doch anbetrachts der Umstände halte ich es für angemessen, wenn Ihr für die Zeit der Untersuchung Euren Vorsitz abgebt.“ Das Schweigen, das darauf folgte, war noch angespannter.

„Ich werde diesem Antrag nachkommen“, sagte Estohar. „Allerdings muss ich auch auf der Wahl eines Leiters der Prüfungskommission aus dem Kreis der Anwesenden bestehen. Denn ich erhebe meinerseits Anklage gegen den stellvertretenden Ratsvorsitzenden Donnacha von Triagh.“
„Das ist lächerlich“, schnaubte Donnacha. „Ein billiges Ablenkungsmanöver, wie ich es von Euch niemals erwartet hätte.“
„Ich beantrage weiterhin, die Beschlagnahmung aller Unterlagen und Beweise durch die hiermit sofort zu bildende Prüfungskommission“, fuhr Estohar ungerührt fort. „Sowie die sofortige Arrestierung meines Stellvertreters wegen Aufruhr und Hochverrats. Möglicherweise wird dem eine Mordanklage hinzutreten.“ Rufe klangen auf.
„Ihr seid es, der hiermit unter Arrest gestellt ist“, schrie Donnacha, „und macht Euch keine Hoffnung, Eure Intrigen mit Hilfe der Garde durchsetzen zu können. Dem ist ein Riegel vorgeschoben. Deren Kommando führe jetzt ich. – Wachen!“

„Das ist Irrsinn!“ rief jemand. „Wir müssen sofort eine Prüfungskommission einsetzen.“
„Es ist wahr, wir müssen beide unter Arrest stellen.“ Ein anderer versuchte sich Gehör zu verschaffen. Die Wachen ließen immer noch auf sich warten. Estohar saß vollkommen ruhig in dem losbrechenden Tumult, während Donnacha sich immer mehr ereiferte. Mehrere der Anwesenden versuchten gleichzeitig, sich Gehör zu verschaffen. Der Ausfall der drei wichtigsten Führer des Rates an einem Abend brachte ein Machtvakuum zum Vorschein. Turgan hätte es wohl füllen können, doch Turgan war verreist. Auch aus den verschiedenen Provinzen waren nur einige der Vertreter der Fürsten anwesend. Keiner von ihnen war bedeutend genug, direkt die Leitung zu übernehmen.
Mitten in dem allgemeinen Geschrei öffnete sich schließlich doch noch die Tür des Saales und mehrere Männer der Palastgarde traten ein. Sie blieben zögernd an der Tür stehen, um zu begreifen, was hier vor sich ging. Der Tumult ließ etwas nach. Padraig öffnete den Mund zu einem Befehl, aber verstummte, als noch jemand eintrat. Das heißt, es waren zwei Personen, die in den Saal kamen. Ein Hauptmann der Wache und Lord Alan. Der Hauptmann hatte etwas Wildes und Triumphierendes im Blick. Den widerstrebenden Lord schob er vor sich her. Die Näherstehenden sahen, dass der Offizier seinen Dolch gezogen hatte. „Herr Alan hat Ihnen allen ein paar interessante Mitteilungen zu machen“, rief Ciaran in den Saal.

Es wurde still. Alan zögerte zu reden. Doch die Spitze von Ciarans Messer wurde an seinem Rücken spürbarer zwischen den Rippen. Ciaran murmelte nur leise. „Du warst gewarnt.“ Das war ausreichend, um Alan eine Wahl treffen zu lassen. Was immer der Rat tun würde, es war die zu bevorzugende Alternative gegenüber diesem Dalinianer. „Es ist alles Donnachas Schuld“, rief er. „Es war alles seine Idee.“
„Was war seine Idee?“ hakte Ciaran unbarmherzig nach.
„Er wollte Estohar ermorden“, sprudelte Alan heraus. „Und Lady Airen. Er hat das Gift besorgt. Er hat den Putsch organisiert.“
„Ich denke, das genügt fürs erste“, sagte Ciaran.
„Verhaftet den Mörder“, befahl Estohar und zeigte auf Donnacha.

„Idiot!“ schrie Donnacha Alan an und blickte umher wie ein gehetztes Wild. Der Ausgang war versperrt. Blieben die Fenster. Der Saal lag fast ebenerdig. In einem wilden Spurt erreichte er die Fensterwand. Die Ratsmitglieder wichen in ihrer ersten Verblüffung vor ihm zur Seite.
„Haltet ihn!“ rief Ciaran laut. Er konnte Alan nicht loslassen und daher nicht die Verfolgung aufnehmen. Seine Soldaten stürzten  in dem Moment los, als Donnacha das Fensterglas durchbrach und in den dahinter liegenden Hof sprang. Weitere Männer der Palastwache stürmten hinein in den Saal. Mit ihnen auch Hauptmann Ranalf, der zu den wenigen Gefangenen aus der ersten erfolgreichen Zeit des Putsches gehört hatte. Ciaran konnte Lord Alan in die Obhut zweier Soldaten geben.

Estohar winkte die beiden Hauptleute zu sich. „Ranalf, es müssen sofort alle Reste und alles Geschirr sichergestellt werden, das nach dem Bankett noch nicht gereinigt wurde. Schnell, es zählt jede Sekunde jetzt. Wir brauchen eine Prüfung auf Gifte.“
„Sir?“ Ciarans Stimme war zögernd.
„Ja“, sagte Estohar ungeduldig.
„Ich habe das schon angeordnet, als ich die Nachricht vom Tod der Lady erhielt.“ Ranalf nickte anerkennend, aber Estohar ging darüber hinweg. „Wie steht es im Palast?“ fragte er an Ranalf gewandt.
„Es ist wieder alles unter Kontrolle.“
„Gut. Ranalf, du übernimmst das Kommando über die Garde hier in der Burg. Neill soll sich um die Untersuchung kümmern. Ich befürchte, es könnte sich um Marbhkraut handeln. Wo ist Colin?“
„Bei Neill, Sir.“
„Er soll sofort alle Dokumente in den Räumen der Lady und in den Arbeitszimmern Donnachas, Alans und Turgans sicherstellen lassen. Dann soll er sich um die Verhöre kümmern. Ich erwarte eure Meldungen.“ Er wartete, bis der Hauptmann davon geeilt war, bevor er sich Ciaran zuwandte. „Es wäre klüger gewesen, Donnacha direkt zu verhaften, statt ihm durch diesen theatralischen Auftritt die Flucht zu ermöglichen“, sagte er leise. Er warf einen kurzen Blick durch die offen stehende Tür des Saales.

 „Sieh zu, dass wieder alle Gardisten in Uniform sind. Die Maskerade gefällt mir nicht. Wieviel Leute hast du hier?“
„Zehn“, sagte Ciaran.
„Bleib mit ihnen hier. Es wird einiges zu erledigen sein. Halte dich dafür bereit.“ Dann ergriff er die Glocke. Unter dem Läuten kehrte allmählich wieder Ruhe ein. „Trotz aller Umstände, sollten wir uns an die Statuten halten“, begann er. „Es muss eine Kommission eingesetzt werden, die die Vorwürfe Donnachas gegen mich prüft. Ich lege großen Wert darauf, dass hier ganz dem Gesetz entsprechend vorgegangen wird. So sollten schleunigst auch die Unterlagen in meinem Besitz beschlagnahmt und überprüft werden. Mit der Prüfung des Falls Donnacha ist bereits die Palastwache beauftragt.“
Das war das letzte das Ciaran noch hörte, bevor er die Tür hinter sich schloss. Er gab Estohars Befehl weiter, dann schickte er Boten zu Ranalf und Colin. Man musste eine Wache an Donnachas Haus stellen. Es war nicht seine Kompetenz, aber wer konnte garantieren, dass die beiden Mitoffiziere, gerade aus dem Gefängnis befreit, schon die volle Übersicht hatten. Lieber hätte er selbst sich darum gekümmert. Aber Estohar hatte ihm alle Verantwortung entzogen, indem er ihn jetzt zu seinem Adjutanten machte. Wenigstens hatte er ihn nur unter vier Augen getadelt. Er selbst machte sich Vorwürfe. Er hatte noch keine Wache an die Saalfenster ordern können. Der Zorn über Alans Geständnisse war so heftig gewesen, dass er wirklich nicht mehr klar hatte denken können.

Als er in den Saal zurückkehrte, ging gerade die Wahl der Prüfungskommission vonstatten. Die Einigung auf deren Mitglieder war einfach gewesen. Außer Estohar drängte fast niemand darauf, doch man verstand sein Anliegen. Niemand erhob Einwände, als Ciaran aufgefordert wurde, der Kommission zur Hand zu gehen. Es war ein offenes Eingeständnis, wie wenig man von den Anschuldigungen hielt. Gegen Mitternacht war alles nach den Wünschen der Kommissionsmitglieder erledigt und Ciaran kehrte zu Estohar zurück. Er fand ihn noch immer von vielen der Ratsmitglieder umgeben. Mittlerweile waren auch die Verfolger Donnachas erfolglos zurückgekehrt. Gerade kam auch Ranalf zurück und meldete, dass er ein paar Männer zu Donnachas Haus geschickt hatte, dass diese aber zu spät gekommen waren. Er wollte jetzt Patrouillen ausschicken. Estohar stimmte zu.

Erste Ergebnisse aus dem weiteren Verhör Alans und den Verhören der verhafteten falschen Gardisten trafen ein. Der Kreis der Verdächtigen vergrößerte sich immer wieder. Neill forderte mehr Leute an. Colin wartete auf weitere Befehle. Die Stadtgarde musste alarmiert und einbezogen werden. Bald schon fand sich Ciaran an einem Tisch und schrieb einen Befehl nach dem anderen aus, nahm die Meldungen entgegen, während Estohar mit Ratsmitgliedern diskutierte, machte neue Einteilungen, änderte die Dienstpläne für die nächsten 24 Stunden. Es war nicht die Aufgabe, die er sich ausgesucht hätte, aber er fand keine Zeit, interessanteren Tätigkeiten nachzutrauern. Estohar war die ganze Nacht über sehr kurz angebunden mit ihm.

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