Eine Zeitlang waren sie es einfach zufrieden, nicht weiter zu klettern und die warme Abendluft zu genießen. Über den Himmel zogen vereinzelte Wolken. Ein sanfter Wind hatte eingesetzt, der ihnen nach dem langen, heißen Tag angenehm war.
„Man sollte nicht meinen, dass wir schon hoch in den Bergen sind“, murmelte Béarisean. „Hier ist ein Wetter wie im Hochsommer. Alle Blumen sind noch in voller Pracht. Eigentlich sollte in dieser Jahreszeit hier schon der erste Schnee fallen.“
Robin, der auf dem Rücken liegend und die Arme unter dem Kopf verschränkt, den Wolken nachgeblickt hatte, drehte sich auf die Seite und sah sich erstmals genauer um. Tatsächlich, die meisten Silberdisteln waren noch nicht ganz geöffnet. Aber Enziane, Alpenrosen und gelbe Blumen, die er nicht kannte, waren überall über die Wiese verstreut. Genau vor ihm stand die zartlila Sternblüte eines Alpenveilchens. Das Gras war noch grün, nicht gelb, wie im späten Sommer.
„Nun“, sagte er, „in diesem Land wundert mich gar nichts mehr. Als ich Hals über Kopf nach Abhaileon gekommen bin, war es daheim gerade Dezember und ich musste mich daran gewöhnen, dass es dort erst Anfang September war. Dagegen ist ein Zeitsprung von Ende Oktober in den Juli eigentlich vernachlässigbar. Schließlich gingen wir doch davon aus, dass Gleann Fhirinne ein Zugang zu dem geheimnisvollen Alandas ist.“
„Ja“, sagte Béarisean. „Nur irgendwie hätte ich es mir anders vorgestellt. Es scheint alles so verlassen“.
„Die Begegnung mit dem Wächter am Tor war doch wahrhaft seltsam genug.“
„Wächter?“ sagte Béarisean überrascht. „Ich bin keinem Wächter begegnet. Ich war nur auf einer endlosen Ebene und irrte Ewigkeiten umher, bevor ich plötzlich wieder zurück in der Schlucht war.“
„Aber du hast die Rüstung gefunden.“
„Gefunden ist das falsche Wort. Ich trug sie, sobald ich auf der Ebene stand. Was für einen Wächter hast du gesehen?“
Robin beschrieb sein Erlebnis. „Er sagte, jeder sehe seine eigene Wahrheit, wenn er durch das Tor trete.“
Béarisean war nachdenklich: „Das ist seltsam. Ich glaube, ich muss darüber nachdenken. Ist meine Wahrheit, dass ich verirrt auf einer großen Ebene stehe und deine, dass du durch einen Vorhang aus Licht gehst?“
„Ich denke nicht“, entgegnete Robin. „Eine Wahrheit für uns beide war, dass wir wirklich Ritter des Königs sind. Du hast nie daran gezweifelt, darum trugst du deine Rüstung sofort, ich war mir eben nicht so sicher. Und das andere, was für mich galt, das ist etwas sehr Persönliches.“ Er war durchaus bereit, darüber zu sprechen, aber nicht, wenn Béarisean nicht auch etwas mehr preisgab. Daher schwieg er abwartend.
„Oh“, sagte Béarisean nur. „Ja, da war etwas sehr Persönliches. Aber dann zog ich mein Schwert, und ich vergaß es vollkommen. Bis du mich jetzt erinnert hast.“
Robin nickte. „Ich werde gut darauf achten müssen, dieses Schwert nicht zu verlieren“, sagte er ernst. Dann lachte er: „Wir haben beide die Farben bekommen, die wir uns wünschten. Und wie es aussieht, wirst du wirklich nicht der neue Regent – falls deine Theorie darüber stimmt. Für was steht eigentlich das Rot? Wenn Blau Alandas ist und Grün Abhaileon.“
„Vielleicht hat es mit Arda zu tun“, schlug Béarisean vor.
„Was hatte Mharig von Ruandor denn mit Arda zu tun?“
„Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung. Vielleicht geht es ja auch gar nicht darum, die verschiedenen Welten zu repräsentieren. Wir wissen so wenig über diese Dinge. Rot würde auch zu den Farben Ruandors passen, aber das hat ja nichts mit dir zu tun.“
„Ich denke immer noch an diesen Hauptmann der Palastwache“, sagte Robin nach einer Weile. „Vielleicht hätten wir versuchen sollen, ihn nochmals zu sprechen. Wie es ihm wohl ergeht?“
„Estohar hat inzwischen bestimmt etwas unternommen. Wahrscheinlich hat er in Croinathír Wichtiges zu tun, falls er der dritte Ritter ist. Vielleicht hat Estohar ja inzwischen erkannt, wie tauglich er ist.“
Es wurde Abend. Sie gingen hinüber zu der Felsgruppe, bei der tatsächlich eine kleine Quelle entsprang. Essbares fand sich nichts, und Dorban hatte ihnen keinen Proviant mitgegeben. Doch nach der Anstrengung des Kletterns fühlten sie sich ohnehin nicht sehr hungrig. Rötliches Licht legte sich über die Berggipfel. Die Wolken verfärbten sich dunkelblau mit zartrosa Rändern. Robin schaute auch zurück nach Süden, von wo sie gekommen waren. Weit entfernt und im Dunst verschwommen sah er das Hügelland, das sie in den letzten Tagen durchquert hatten. Das Sirontal war der Sicht verborgen. Vor ihm lagen nur die schroffen Zinnen der Berge, die sich darüber aufgetürmt hatten. Dann blickte er zum nahen Bergkamm hinter sich. “Es hieß doch immer, Gleann Fhírinne sei ein Pass”, sagte er. “Bist du dir sicher, dass wir den richtigen Weg genommen haben?”
Béarisean betrachtete auch den Bergkamm. “Ich vermute, das hier sieht nicht wie ein Pass aus?”
“Du warst wirklich nie in irgendwelchen Bergen”, stellte Robin fest.
Béarisean stützte die Hand auf seinen Schwertknauf, schloss sie darum, als wolle er sich vergewissern, dass die Waffe noch da sei. “Nein, dafür hatte ich nie Zeit. Aber wir müssen in Alandas sein. Ein Pass – ich nehme an, da könnte man zu Pferd hinüber?”
“In den meisten Fällen schon. Jedenfalls sollte es nicht so eine Kletterei wie die heute geben. Aber ich muss zugeben, ich habe auch keinen anderen Weg gesehen. Wohin ist nur der schwarze Hengst gelaufen?”
“Barraids Pferd? Das hat doch der Drache erwischt.”
“Durlong sagte nur, Barraid habe es dort verloren. Aber wenn ...” Er zögerte kurz. “Wenn uns hier ein bestimmter schwarzer Hengst begegnet, dann gebe ich zu, dass Barraid wirklich der Schwarze Fürst ist.”
Béarisean betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn. “Ich verstehe kein Wort von dem, was du da sagst.”
Robin lächelte ihn schräg an. “Das ist mir klar. Aber für mich ging es hier von Anfang an hauptsächlich um ein schwarzes Pferd. Und jetzt lass uns schlafen gehen. Wo auch immer wir sind, morgen liegt ein langer Weg vor uns.” Er wollte sich in seinen Mantel rollen, aber Béarisean hielt ihn auf.
“Warte”, sagte er. “Da du diese Harfe schon mitgeschleppt hast, dann spiele etwas, bevor wir schlafen.”
Robin griff sofort nach dem Instrument. “Was ist es, das du hören willst”, erkundigte er sich, während er die Harfe aus ihrer Hülle holte.
“Singe etwas über den König. Wir sind hier in Alandas. All die Tage, die wir in Abhaileon waren, sind vergangen, ohne dass wir viel über Ihn gesprochen haben. Aber hier ...” Er verstummte unsicher.
Robin nickte, während seine Finger ohne Zögern die Melodie fanden.
Wacholderrauch brennt in den Augen, Nacht fällt nun voll Sterngefunkel,
Flüsternd eilt ein Quell zu Tale, und ein Lied steigt auf durchs Dunkel:
Wäre es doch solche Nacht, die die Herzen zu ihm flieh'n lässt,
wäre es doch solch ein Tag, der nur vor ihm gelebt
wäre doch bei uns das Licht, das den langen Weg erleuchtet
so dass wir alle Last auf dem steilen Pfad hinauf nur trügen.
Wärme dich an unserm Feuer, Flammen, die im Dunkel scheinen
lass uns hier gemeinsam bleiben, die Gedanken sich vereinen:
Wäre es doch solche Nacht ...
Dort vorm Gipfel wolln wir rasten, sehen helle Sterne fallen
Bäume dort im Wind erzittern, hör das Lied der Felsen hallen:
Wäre es doch solche Nacht ...
Robin erwachte am nächsten Morgen als erster. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, nur das erste blasse Licht stahl sich über den Horizont. Es war kühl. Das Gras war feucht vom Tau. Er fühlte sich steif und beschloss, schon ein wenig umherzustreifen, bis Béarisean wach wurde. Eine kleine Felsgruppe ein Stück weiter oben am Hang, auf der ein paar bizarr geformte Kiefern sich wie Schatten gegen den noch dunklen Himmel abzeichneten, zog ihn an. Als er sie erreichte, wurde der Blick auf ein weites Tal im Nordosten frei. Die Sicht war nicht sehr klar. Aus den Wiesen weiter unten stiegen die ersten Morgennebel auf, während sich die rote Sonnenscheibe emporschob. Und da - weiter zum Horizont, wo das Tal in einer Ebene endete - da blitzte etwas. Ein See war sein erster Gedanke. Aber nein, jetzt, da er genauer hinsah und das Licht wuchs, erkannte er es deutlicher: dort unten lag eine Stadt. Ferne Türme und Mauern glänzten hell im Sonnenlicht. Dann schoben sich die Frühnebel vor den Blick. Vor ihm lag nur noch ein See von Dunst, den die Sonne rosa und orange einfärbte.
Béarisean würde sich über die Entdeckung freuen, vielleicht wusste er sogar einen Namen für jene unbekannte Stadt. Er wollte sich gerade zum Gehen wenden, als ihn jemand von hinten vorsichtig in den Rücken stieß. Zuerst dachte er, der Freund sei ihm nachgekommen, während er versuchte zu erkennen, was hinter dem rätselhaften Glitzern dort unten steckte. Doch als er sich umdrehte, sah er vor sich stattdessen ein schwarzes Pferd. Es betrachtete ihn mit klugen Augen, legte die Ohren nach vorn und schnaubte auffordernd. Vorsichtig streckte Robin die Hand aus. Das Tier wich nicht davor zurück. Er fuhr ihm sanft über den glänzenden Hals und fühlte das seidenweiche Fell. Der Rappe hatte keine Angst. Ganz vertraut legte er seinen Kopf auf Robins Schulter. Die Augen des Pferdes waren tief blau.
“Bin ich wirklich wach?” flüsterte Robin in eins der Pferdeohren. “Gestern Abend bin ich eingeschlafen mit dem Gedanken, dass Barraids wilder Rappe in Wirklichkeit mein Freund aus vielen Träumen ist. Und jetzt sehe ich dich. Bist du wieder in meine Träume gekommen?
Ich habe dich vermisst in all diesen langen Jahren. Ich konnte nicht glauben, dass jemand dich gestohlen haben könne, du Unbezwingbarer. Was hat dich nur abgehalten? Meine Welt ist zerbrochen, als du nicht wiederkamst.”
Das Pferd antwortete nicht. Es stand nur ruhig da und genoss seine Gesellschaft. “Wenn es ein Traum ist, will ich nichts verpassen”, sagte Robin. “Zu lange habe ich dich nicht unter mir gespürt. lass uns über die Berge fliegen – zu jener Stadt in Alandas oder wohin auch immer du mich tragen willst.”
Er wollte in die Mähne des Rappen greifen, um sich auf seinen Rücken zu schwingen, da warf der Hengst den Kopf hoch, tänzelte ein paar Schritte rückwärts und blickte bergab zum Lagerplatz der vergangenen Nacht. Robin sah ebenfalls in diese Richtung. Béarisean kam gerade den Hang hinauf. Das Pferd schien über die weitere Gesellschaft nicht erfreut. Es wieherte ungehalten und trabte ein paar Schritte weiter, in Richtung des Tales, auf dessen Grund die Stadt lag. Nochmals wieherte es, leiser, so als wollte es Robin auffordern mitzukommen. Ungeduldig scharrte es mit dem Huf und schüttelte die volle Mähne. Doch als Béarisean herankam, galoppierte es davon. Robin verfolgte seinen Lauf mit sehnsüchtigem Blick.
„Dein neuer Freund scheint mich nicht zu mögen“, lachte Béarisean. „Hast du noch mehr solche Entdeckungen gemacht?“
„Habe ich. Sogar eine, die uns aller Voraussicht nach nicht davonlaufen wird. Nur verdeckt sie leider der Nebel. Dort unten liegt eine Stadt.
Béarisean spähte angestrengt. „Ich kann nichts erkennen. Aber wir sollten versuchen dahin zu kommen.”
“Du weißt nicht zufällig, wie sie heißen könnte?”
“Nein. Wir wissen nicht mehr viel über Alandas. Es ist zu lange her, dass jemand dorthin ging oder von dort kam.”
„Wir sollten bald aufbrechen“, sagte Robin. „Das ist noch weit bis dorthin. Ich bin mir nicht sicher, ob wir sie bis zum Abend erreichen können. Ich glaube nicht, dass der Abstieg hier überall möglich ist. Wir könnten dabei weit von der Richtung abkommen.”
Sie kehrten zurück zu ihrem Lagerplatz und füllten ihre Wasserbeutel nochmals an der Quelle. Dann legten sie ihre Rüstungen an und machten sich auf den Weg. Zuerst war das Vorankommen mühelos, denn es ging über eine Bergwiese ähnlich der, auf der sie übernachtet hatten. Dann galt es jedoch, einen Felsriegel zu überqueren, der sich vom nächsten Berggipfel im Osten kommend talwärts zog. Die Felsbarriere ragte steil vor ihnen auf. Sie zu umgehen schien nicht möglich, da sie an einer Wand endete, die in großen Felsstürzen mehrere hundert Meter bis zu einem Bergwald abfiel.
Béarisean musterte das Hindernis mit kritischen Blicken. „Das sieht ganz schön unangenehm aus“, sagte er zu Robin. „Meinst du wir müssen erst bis auf den Gipfel oder siehst du einen geeigneten Überstieg?“
„Vielleicht sollten wir tatsächlich zunächst ein Stück hinaufsteigen. Dort oben an der Felsnase scheint er etwas flacher zu werden.“
Tatsächlich fand sich in der Nähe der hervorstehenden Steinformation eine Rinne, die es ihnen ermöglichte auf die Höhe des Felsriegels zu gelangen. Nach der anderen Seite bildete dieser die westliche Flanke eines Hochkars. Die steil abfallenden Wände waren riesige Geröllhalden. Hoch oben, wo Robin und Béarisean sich befanden, lag der feinere Schutt, der zum Boden hin immer gröber wurde und schließlich ein Felsenmeer bildete. Sie mussten die Geröllfelder und einen weiteren kleineren Felsriegel überqueren. Dann würden sie an das obere Ende des Tales gelangen, das hinab auf die Ebene führte, in der die Stadt lag, die sie erreichen wollten.
Es war etwa eine Stunde nach Mittag, als sie in die Nähe der Baumgrenze kamen. Einzelne Gruppen von kleinen Nadelbäumen wuchsen dort zwischen Gras und Felsen. Hier verflachte sich der Talverlauf etwas und ein kleiner See war entstanden. Die beiden Freunde waren nun gute sieben Stunden unterwegs und steuerten erfreut den kleinen Bergsee an, um dort Rast zu machen.
„Sieh!“ sagte Béarisean plötzlich mit gedämpfter Stimme. Er blieb stehen und hielt auch Robin am Arm zurück. Sie gingen gerade zwischen ein paar großen moos- und grasbewachsenen Felsblöcken hindurch, die ihnen die Sicht auf den kleinen See versperrten. Robin hatte den Blick auf den Boden gerichtet; er hielt Ausschau nach Beeren. Seit sie in den Bereich des Tales gekommen waren, hatten sie an einzelnen Stellen Blaubeeren und Multbeeren finden können. Das war eine willkommene Kost, nachdem sie nun schon den zweiten Tag ohne Proviant unterwegs waren. Jetzt blickte er auf, sah aber nichts. „Was ist?“ fragte er.
Béarisean lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Wiesen am See, auf die gerade der Blick frei geworden war. „Dort drüben steht dein vierbeiniger Freund von heute morgen, oder zumindest ein Pferd, das ihm sehr ähnlich sieht.“
Robin erkannte den Rappen auf den ersten Blick wieder. Er graste friedlich am Hang über dem Wasser. „Ich glaube, der ist unverkennbar“, sagte er. „Oder hast schon mehr solche Pferde gesehen? Wie er wohl hierher gekommen ist? Die Kletterei war schon für uns wüst genug.“
„Vielleicht gibt es doch noch eine leichtere Passage, die wir nicht gefunden haben. Schade, dass er so schnell auf und davon ist, sobald ich herankam. Wir hätten uns vielleicht einige Mühe sparen können, wenn wir ihm gefolgt wären. Geflogen ist er bestimmt nicht“, sagte Béarisean mit einem leisen Lachen.
„Ganz sicher wäre ich mir da nicht“, sagte Robin nachdenklich.
„Womit? Mit dem leichteren Weg?“
„Mit dem Fliegen.“ Béarisean blickte ihn zweifelnd an. “Du meinst, weil das vermutlich Barraids Pferd ist. Aber ich denke trotzdem nicht, dass....”
“Er ist nicht Barraids Pferd. Das war er nie!” Robins Stimme war ungewollt heftig. “Hibhgawl gehört nur sich selbst.”
“Hibhgawl?” Béariseans Stimme bestand nur noch aus Fragezeichen.
Robin war geistesabwesend, während er erklärte: “Er kam in meine Träume, vor vielen Jahren. Vielleicht waren es nie Träume. Ich war mir nie ganz sicher. Jeden Abend ging ich schlafen und wusste, er würde kommen. Ich war fest überzeugt, eines Abends würde ich ihn hören, bevor ich schlafen ging. Ich hatte mein Gepäck stets bereit, um aufbrechen zu können, wenn es so weit war. Aber er blieb auf einmal verschwunden. Es dauerte lange, bis ich mich damit abfand, dass er nicht wieder kommen würde. Aber ich konnte ihn nie vergessen. – Letztendlich standen dann eines Tages ein Reiter und ein alter Mann auf meinem Spazierweg.” Er lächelte ein wenig hilflos. “Wäre in diesem Augenblick dieses Pferd getrabt gekommen, ich hätte euch wahrscheinlich stehen lassen.”
“Bist du dir ganz sicher, dass es sich hier wirklich um jenes Pferd handelt”, fragte Béarisean vorsichtig.
“Noch nicht ganz”, gestand Robin. “Wir waren noch nicht dazu gekommen, miteinander zu sprechen, als du dich nähertest. Es war nur, einander fühlen und wissen, dass der andere da ist. Ich glaube, er hat mich wirklich auch vermisst.”
Béarisean schüttelte den Kopf. “Du bist dir sehr sicher.”
Robin lächelte. “Es wird dich glücklich machen. Jetzt habe ich keinen Zweifel mehr, dass dort in Carraig der Schwarze Fürst der Sagen sitzt. Mit diesem Pferd werde ich ihn sogar herausfordern, wenn es sein muss. Und wenn als nächstes der Fürst von Alandas herbeispaziert kommt, werde ich auch das glauben. – Aber jetzt warte ein wenig. Ich muss Hibhgawl allein sprechen können.” Er legte sein Gepäck ab und lief zum See hinunter.
Béarisean schüttelte immer noch den Kopf, als er davoneilte. Er konnte die Geschichte nicht ganz glauben – ein Pferd aus Träumen. Aber gleichzeitig war nicht zu leugnen, dass etwas geschehen war. Robin war auf einmal nicht mehr der Ardaner, der nicht hierher gehörte, der immer etwas verträumt war. Dies hier war Ritter Anno, der mehr wusste und kannte als der Abhaileoner Béarisean, dessen Welt stets so eingeschränkt gewesen war. Seine Träume? Béarisean träumte oft von Rilan. In den glücklichen Träumen war alles anders gekommen, in den schlimmen erlebte er die Tragödie noch einmal. Wie verändert würde er sein, wäre sie hier auf einmal lebendig? Er lehnte sich gegen den großen Felsblock, der ihm am nächsten stand und schloss die Augen. Ja, die Welt konnte sehr grau sein, wenn man von einem Traum Abschied nehmen musste.
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